18. Jahrgang | Nummer 15 | 20. Juli 2015

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Gerhard Zwerenz, Verstorbener gerade erst hatten auch wir Sie zu Ihrem 90. Geburtstag beglückwünscht*, da erreicht uns die Nachricht von Ihrem Tod. Wir sind sehr traurig, denn mit Ihnen verliert die eigenständig denkende und streitbare deutsche Linke einen Ihrer wichtigsten Vertreter.

*Gerhard Zwerenz, Jubilar – Zu den ebenso nüchternen wie hellsichtigen Lagebeurteilungen linken Seins und Werdens, die wir Ihrer Feder verdanken, gehören auch diese, realsozialistisch betrüblich bestätigten Sätze: „Sobald sich zur Lehre ein Zwang gesellt, wird diese Lehre zum Dogma, zur Gewalt, zur neuen Diktatur.“ Und: „Wenn eine Revolution siegreich ist, macht sie aus individuellen Revolutionären kollektive Revolutionäre – das ist der Schlüssel, um an die Macht zu kommen. Damit werden sie selbst leicht zu neuen Unterdrückern. Sie gestatten den eigenen Kampfgefährten nicht mehr, ihr eigenes Ich zu formulieren.“ Nun sind Sie unermüdlicher Streiter für ein besseres als das realkapitalistische Dasein 90 geworden. Das Blättchen, das Sie zeitweilig auch zu seinen Autoren zählen durfte, gratuliert von Herzen.

Gregor Gysi, noch im Fegefeuer der Eitelkeiten? Oder schon in der Hölle derselben? – Zugegeben, was hier gleich folgt ist nur der Verkettung einer Reihe unglückseliger Umstände zu verdanken, auf die man allesamt liebend gern verzichtet hätte: Erst Zahnschmerzen, dann Wartezimmer eines einschlägigen Arztes mit dem dort üblichen Angebot einschlägiger (veralteter) Zeitschriften gegen die Panik und die Langeweile. Vor die Alternative gestellt, Gala, Die Bunte oder Auto-Bild, ging der Griff dann doch eher zum kleineren Übel, einem drei Wochen alten Stern. Das Aufschlagen erfolgte völlig willkürlich, aber der Blick fiel sofort – auf Ihr Interview nach Ihrer Bielefelder Demissionsrede.
Andererseits behaupten gewisse Philosophen, Zufälle an sich gebe es nicht. Alles, was als solcher erscheine, sei der Schnittpunkt mindestens zweier Notwendigkeiten. Und so gesehen folgt, was nun folgt, denn doch zwangsläufig.
Zu erfahren war aus diesem Interview nämlich unter anderem, dass Sie sich offenbar auf dem Zenit Ihres gesellschaftlichen Ansehens wähnen. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Schwer zu denken gibt allerdings, woran Sie auf Nachfrage Ihren Zenit festmachen: „Wohin ich überall eingeladen werde! Ein Verlag bittet mich, die Biografie von Thomas Gottschalk vorzustellen. Das müssen Sie sich mal vorstellen.“ Ja wirklich, die Vorstellung ist tatsächlich ganz grauenhaft! Aber damit nicht genug: „Es gibt inzwischen kaum eine Industrietagung, zu der ich nicht eingeladen werde. Dienstag sprach ich bei der Kunststoffindustrie.“
Sie sagten darüber hinaus aber gottseidank auch: „Man muss den richtigen Zeitpunkt finden, um aufzuhören. Es muss ein Moment sein, bevor alle denken: Wann hört der endlich auf?“ Zumindest diese Frage muss Ihnen ja nun nicht mehr gestellt werden.

Rolf Hochhuth, Kassandra unserer Tage – In einem am 11. Juli per Mail verbreiteten Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck fordern Sie den Ausstieg aus der NATO, um ein Finis Germaniae zu verhindern. Das befürchten Sie für den Fall eines kriegerischen Konfliktes mit Russland, auf den sich die derzeitige Eskalation zwischen beiden Seiten zu bewege: Die USA stationierten schwere Waffen in nahezu sämtlichen Ex-Warschauer-Paktstaaten und Putin kontere mit 40 neuen nuklearen Interkontinentalraketen.
Auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern bis zu 20 US-Kernwaffen für einen Einsatz gegen Russland. Weitere derartige Sprengköpfe sind in den Niederlanden, in Belgien, Italien und in der Türkei gebunkert. Dort, so ist zu befürchten, schlügen im Kriegsfalle russische Raketen zuerst ein. Das wäre dann nicht nur ein Finis Germaniae, sondern Europae. Daran änderte auch ein NATO-Ausstieg Deutschlands zunächst gar nichts, denn es sind keine NATO-, sondern US-Waffen. Besser wäre es, wenn die Kanzlerin jede deutsche Beteiligung am militärischen Muskelspiel der NATO an Russlands Grenzen so untersagte, wie weiland Helmut Kohl die Teilnahme bundesdeutscher Akteure an gewissen NATO-Manövern, in denen die nukleare Auslöschung Potsdams und Dresden durchgespielt werden sollte – Sie erwähnen den Vorgang in Ihrem Schreiben. Das stoppte den gröbsten Unsinn sofort.
Apropos Ihr Schreiben: Das sollten Sie ganz schnell auch auf Ihre Homepage stellen, damit möglichst viele Menschen es lesen können.

Georg Schramm, schmerzlich Vermisster Von der Bühne haben Sie sich zu unserem großen Bedauern zurückgezogen, das Forum des Schönauer Stromseminars haben Sie aber genutzt, um nicht nur den Aktivisten der Anti-Atom-Bewegung, Ursula und Michael Sladek, für deren unermüdliches und auch erfolgreiches Engagement zu danken, sondern auch einen fulminanten Bogen von den Machenschaften der Atomwirtschaft über das Syndikat des billigen Geldes bis zum Verrat von europäischen Grundwerten in der Griechenlandkrise zu schlagen: Wutbürger Dombrowski in allerbester Form!

Norbert Lammert, Bundestagspräsident – Unsereins hatte schon mehrere Male Gelegenheit, Respekt vor Ihrer wirklich parteiunabhängigen Amtsführung und Ihrer Courage, auch gern gegen den CDU-Strich zu bürsten, zu bekennen. Dies darf nun ein weiteres Mal gelten, denn im Gegensatz zu bis dato allen offiziellen Politgremien der derzeitigen deutschen Regierung haben Sie in einem Zeit-Interview in Sachen des Genozids deutscher Kolonialtruppen von 1904 bis 1908 in Deutsch-Südwest-Afrika davon gesprochen, dass die Niederschlagung des Herero-Aufstandes „an den heutigen Maßstäben des Völkerrechts gemessen ein Völkermord war“. Am 10. Juli hat sich nun auch die Bundesregierung dazu bequemt, dieses längst fällige Eingeständnis zu machen. Da die entsprechende Erklärung des Auswärtigen Amtes allerdings weiterhin offen ließ, ob es auch eine förmliche deutsche Entschuldigung geben wird, ist die Sache noch nicht ausgestanden. Vielleicht sprechen Sie, als zweiter Mann im Staate, nun einfach auch noch ein Machtwort …

George W. Bush, anderenorts bestenfalls Freigänger – Noch immer nicht Ihre Strafe absitzend, die Sie dafür verdient hätten, den Tod Abertausender im Irak und in Afghanistan verursacht zu haben, haben Sie Ihrem beispiellosen Zynismus, wie uns erst jetzt zu Ohren kam, schon im Jahre 2012 ein kaum glaubliches Denkmal gesetzt, indem Sie für eine Rede in Houston vor Veteranen der blutigen und auf Lügen basierenden Okkupation des Irak den Veranstaltern ein Honorar von 100.000 Dollar berechnet hatten, zuzüglich 20.000 Dollar für die Anreise von Dallas per Privatjet. Die Organisation jenes Veranstalters trägt übrigens den Namen „Helping a Hero“. Dem dürften Sie einen ganz neuen Sinn gegeben haben.

Markus Söder, bayrischer Finanzminister – Längst haben Sie sich den honorigen Ruf erworben, nächst Ihrem Chef Seehofer der Oberscharfmacher weißblauer Menschengerechtigkeit zu sein. Die dem zugrunde liegende Kompetenz haben Sie nun abermals mit der Forderung nachgewiesen, das monatliche Taschengeld von 140,00 Euro für Flüchtlinge abzuschaffen beziehungsweise durch Sachleistungen zu ersetzen. Die Begründung: 140,00 Euro seien so viel wie ein Monatslohn in Serbien oder Kosovo, was für viele Menschen auf dem Balkan Anreiz sei, zu uns zu kommen. Da kann man Ihnen eigentlich nichts Heilsameres wünschen, als zumindest eine nennenswerte Zeit lang Ihr Leben mit jenen Eurosumme auf dem Balkan zu fristen. Nur fürchten wir, dass würde nicht helfen, denn sozial sind Sie wohl nicht mehr therapiefähig.

Gabriele Zimmer, Chefin der Linksfraktion im Europaparlament – Ihnen ist ein leidenschaftlicher Beitrag in der Griechenland-Debatte des Europaparlaments zu danken, aus dem wir das folgende gern weiterverbreiten: „Unter dem Vorwand Jeder muss die Regeln einhalten wird etwas gemacht, das in der Geschichte Europas, in der Geschichte grade Deutschlands keine Rolle gespielt hat. Deutschland hat bewiesen, mit dem Blick auf den 1. Weltkrieg, dass man 37 Jahre lang keine Schulden bezahlen muss, dass man 93 Jahre lang Zeit haben kann, um die Schulden des 1. Weltkriegs zu bezahlen, und dass man, mit Blick auf den 2. Weltkrieg, eine Internationale Schuldenkonferenz 1953 gehabt hat, die überhaupt erst die Voraussetzung geschaffen hat, dass Deutschland diesen Weg gehen konnte. Es wird Zeit, dass wir diese historische Verantwortung gegenüber Menschen in Europa endlich abtragen, und dass wir unsere Besserwisserei endlich beiseitelegen.“

Joseph Dunford, künftiger Chef des US-Generalstabs – Sie führen sich auf tradiert kriegerische Weise in Ihr künftiges Amt, haben Sie doch den Staat Putins als eine gefährlichere und existentiellere Bedrohung für die USA als die Terrormiliz IS bezeichnet. Nun bleibt leider festzustellen, dass Putin in jüngster Vergangenheit für solcherart Militanz leider gleich mehrere Steilvorlagen geliefert hat. Insofern gilt leider weiter Prediger 1: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Und Ihnen dürfte nach Ihrer Demission ein satter Posten als Rüstungslobbyist sicher sein.

Sami Khedira, deutscher Fußballweltmeister Nunmehr ist offiziell: Sie und das Model Lena Gercke haben sich getrennt! Obwohl uns das als böse Vermutung schon lange umgetrieben und Petitessen wie die griechische Tragödie längst überschattet hatte, trifft unsereinen eine solche Hiobsbotschaft doch noch immer wie ein Donnerschlag. Ein Glück, dass die deutsche Medienlandschaft, Spiegel Online wie immer führend, uns in möglichst schonender Weise mit diesem Ereignis vertraut gemacht hat. Trotzdem – uns gehen die Taschentücher aus.