18. Jahrgang | Nummer 11 | 25. Mai 2015

Russland – Kanonen statt Butter?

von Wolfgang Kubiczek

„Hunderte neuer russischer Flugzeuge, Panzer und Raketen rollen von den Förderbändern. Russische Jets donnern am europäischen Himmel unter dem wachsamen Auge der NATO. Zehntausende (russische – Einfügung W.K.) Soldaten beteiligen sich an Kriegsspielen und demonstrieren ihre militärische Bereitschaft zu einem totalen Krieg“, schrieb The New York Times am 4. Februar 2015.
Die Zeitung, für amerikanische Verhältnisse eher liberal und abwägend in ihren Einschätzungen, gehört nicht zu den Scharfmachern und teilt in der Regel nicht die Bedrohungshysterie, die sich in einigen osteuropäischen Hauptstädten breit gemacht hat. Was also ist – abgesehen von journalistischer Ausschmückung – der rationelle Kern dieser Einschätzung? Hat Russland unter Wladimir Putin eine Armee aufgebaut und einen Rüstungswettlauf entfacht, die die europäische oder gar globale Sicherheit ernsthaft gefährden?
Zur neueren Geschichte der russischen Armee wurde im Blättchen bereits geschrieben. Armee und Rüstungsindustrie waren unter Präsident Boris Jelzin in den 90er Jahren mehr oder weniger dem Verfall preisgegeben. 2007 wurde mit Anatoli Serdjukow der erste zivile Verteidigungsminister des Landes ernannt, der 2008 eine ernsthafte und durchgreifende Militärreform anschob, um dem maroden Zustand von Armee und Rüstungsindustrie beizukommen. Sie wurde von russischen Militärexperten als radikalster Umbau des russischen Militärs seit 1918 bezeichnet, bedrohte eingefahrene Gewohnheiten und Besitzstände des Militärs und der Rüstungslobby und rief erheblichen Widerstand von dieser Seite hervor. Dem trug Präsident Putin im November 2012 durch Abberufung Serdjukows wegen Korruption Rechnung.
Am 6.November 2012 übernahm der in der Tuwinischen ASSR gebürtige Armeegeneral Sergej Kuschugetowitsch Schoigu, zuvor landesweit geschätzter Minister für Zivilschutz, die Verantwortung im Verteidigungsministerium. Die Hoffnungen hochrangiger Militärs auf Rücknahme der Reformen erwiesen sich jedoch als haltlos. Im Februar 2013 verkündete Putin, dass die allgemeine strategische Richtung der Erneuerung der Streitkräfte beibehalten wird.
Atmosphärisch bestand eine der ersten Aufgaben Schoigus darin, das unter dem Zivilisten Serdjukow ramponierte Verhältnis zur militärischen Führung wiederherzustellen. Dafür nahm er einige der weniger wichtigen Reformansätze, die aber Unruhe ausgelöst hatten, zurück. Da die unpopulärsten Reformeinschnitte wie Reduzierung des Offizierskorps und Umstrukturierung der Kommandostrukturen bereits umgesetzt worden waren, beeinträchtigte das nicht die Popularität des neuen Ministers, zumal er im Unterschied zu seinem Vorgänger durch Tragen der Uniform und Teilnahme an Militärparaden die Zugehörigkeit zum Militär sichtbar machte. Die wichtigste Kursänderung war noch vor den Sanktionen die Umorientierung der militärischen Beschaffungspolitik auf Importersetzung und die Orientierung auf die eigene Rüstungsproduktion. Damit hatte Schoigu auch das Wohlwollen des militärisch-industriellen Komplexes (MIK), eine in Russland gebräuchliche Bezeichnung für die heimische Rüstungsindustrie. Serdjukow hatte versucht, sie der Konkurrenz des Weltmarktes auszusetzen, indem er bei günstigeren Angeboten auch auf Importe aus dem Ausland zurückgriff (Stichwort „Mistral“).
Wie steht es nun heute mit den zentralen Anliegen der Militärreform?

Mannschaftsstärke

Zentrales Anliegen der Reform ist die Sicherung der Professionalität der Armee durch Erhöhung des Anteils von längerfristig Dienenden, der „Kontraktniki“, im Bereich der unteren Dienstränge. Bei einer Wehrpflicht von 12 Monaten kann militärische Professionalität nicht anders gewährleistet werden. Offiziell geht man von einer Mannschaftsstärke der Armee von einer Million aus, wobei der Anteil der Kontraktniki bis 2017 auf 425.000 angehoben werden soll. Ende. 2013 teilte Putin mit, dass nunmehr die 200.000-Grenze bei Kontraktniki überschritten worden sei, nämlich auf 205.100 Mann. Ende 2014 konnte der stellvertretende Verteidigungsminister Nikolai Pankow schließlich vermelden, dass die Zahl der Kontraktniki erstmalig die der Wehrpflichtigen übertroffen habe: nämlich 295.000 zu 273.000. Damit wären in einem Jahr 90.000 Kontraktniki netto hinzugekommen. Dieser enorme Zuwachs lässt sich in erster Linie auf deutliche Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen zurückführen. So wurden 2012 die Besoldung der Militärangehörigen im Schnitt um das Dreifache und die Pensionen um 70 Prozent mit nachfolgender regelmäßiger Anpassung angehoben. Gleichzeitig dürfte die vom Anschluss der Krim entfachte national-patriotische Euphorie eine Rolle gespielt haben. Zugleich lässt ein Bericht der oppositionellen Nowaja Gazeta vom Februar dieses Jahres aufhorchen, der unter Bezug auf die Petersburger „Soldatenmütter“ vermeldet, dass Wehrpflichtige nach Ableistung ihres Dienstes von Vorgesetzten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gezwungen wurden, Verträge als Kontraktniki zu unterzeichnen.
Die 1-Millionen-Armee – eine Zahl, an der offensichtlich aus Prestigegründen festgehalten wird – ist derzeit eine Fiktion. Fachleute sind sich einig, dass die tatsächliche Personalstärke der russischen Armee 800.000 Mann nicht übersteigt. Als Orientierung dient eine Angabe des russischen Rechnungshofes vom Oktober 2013, der die Personalstärke mit 766.055 Mann bezifferte. Das wird ungewollt durch die Angaben Pankows zum Verhältnis Kontraktniki – Wehrpflichtige bestätigt, denn rechnet man die unstrittige Anzahl von 220.000 Offizieren hinzu, kommt man auf die fast identische Zahl von 768.000 Militärangehörigen für Ende 2014.

Staatliches Rüstungsprogramm

Gegenwärtig befindet sich das Staatliche Rüstungsprogramm (Gosudarstvennaja Programma Vooruzhenij – GPV) 2011 – 2020 in Umsetzung. Die Rüstungsprogramme sind keine Neuerung der Militärreform. Sie gab es schon zuvor und gemeinsam war ihnen, dass die verkündeten Ziele nie erreicht wurden.
Als Hauptziel des jetzt gültigen GPV soll der Anteil moderner Waffensysteme und Militärtechnik in den russischen Streitkräften zum Jahr 2020 von 10 Prozent am Anfang des Jahrzehnts, über 30 Prozent als Zwischenziel für 2015 schließlich auf 70 Prozent angehoben werden. Dafür werden laut Programm 20,7 Billionen Rubel bereitgestellt, weitere drei Billion Rubel sind für die Erneuerung der heimischen Rüstungsindustrie vorgesehen. Für das Vorgängerprogramm waren lediglich fünf Billionen Rubel vorgesehen. Der Verteidigungshaushalt würde folglich 2011-2020 den des vorhergehenden Jahrzehnts um 40 Prozent bei gleichbleibenden Preisen übersteigen. Ob am Ende das Ziel der Modernisierung erreicht wird, ist letztlich eine Frage der politischen Interpretation. Schließlich ist der Begriff „moderne Militärtechnik“ nicht definiert und wurde jetzt schon nach Bedarf ausgelegt.
Der Löwenanteil des Programms ist für die Modernisierung der Kriegsflotte (4,5  bis 5 Billionen Rubel gleich 26 Prozent) und der Luftstreitkräfte (4 bis 5 Billionen Rubel gleich 21 Prozent), besonders für ihre atomar-strategische Komponente vorgesehen. Allein für die Kriegsflotte sollen acht atomare U-Boote der Borei-Klasse als strategisches Trägersystem und 120 bis 130 U-Boot-gestützte ballistische Interkontinentalraketen (SLBM) vom Typ Bulawa in Dienst gestellt werden; weiterhin acht atomare mit Cruise Missiles bestückte U-Boote vom Typ Jasen, acht nichtatomare U-Boote, 51 Kriegsschiffe, darunter 14 – 15 Fregatten und 25 Korvetten. 17 Prozent (3,4 bis 4 Billionen Rubel) waren für die Weltraumverteidigung, 14 Prozent (2,6 Billionen Rubel) für die Modernisierung der Landstreitkräfte, 6 Prozent (eine Billion Rubel) für bodengestützte atomare Raketen (ICBM) und der Rest für anderweitige Verfügungen wie neue Kommunikationssysteme veranschlagt.
Unter Serdjukow war auch der Ankauf ausländischer Militärtechnik geplant, vor allem zweier französischer Hubschrauberträger vom Typ Mistral sowie die Fertigstellung zweier weiterer Schiffe in Russland. Vorgesehen waren die Schiffe für Patrouillenfahrten in küstennahen Gewässern des Fernen Ostens. Bekanntlich scheiterte die Auslieferung der beiden fertiggestellten Schiffe am Sanktionsbeschluss der EU gegenüber Russland. Nach Angaben der französischen Wochenzeitschrift Le Point kann die Kündigung des Vertrages anstelle des erwarteten Gewinns von 1,2 Milliarden Euro für französische Werften und 890 Millionen für Zulieferer Frankreich Vertragsstrafen von zwei bis fünf Milliarden Euro kosten.
Die Realisierbarkeit der ambitionierten Ziele des GPV-2020 wurde von russischen Wissenschaftlern bereits vor den krisenhaften Ereignissen des Jahres 2014 angezweifelt und die Risiken wurden offen benannt: inflationäre Preisentwicklung für Rüstungsgüter, Korruption, mangelnder Wettbewerb zwischen den Unternehmen der Rüstungsindustrie, technologische Rückständigkeit, sinkender Erdölpreis und daraus resultierendes Haushaltsdefizit. Keines der Risiken ist ausgeblieben.
Der Politologe Juri Fjodorow analysierte Ende 2013, dass der GPV-2020 bei der Flotte eher nicht erfüllt wird, vor allem was die Ausstattung mit neuen U-Booten der Klassen Borei und Jasen anbetrifft, aber auch hinsichtlich der Korvetten und Fregatten. So müssten bei letzteren, um die Ziele zu erreichen, neben den bereits im Bau befindlichen weitere 27-28 Schiffe gebaut werden, was einfach nicht möglich sei. Er prognostizierte, dass bei der Flotte der Plan lediglich zur Hälfte erfüllt werden könnte. Auch im Bereich der Luftstreitkräfte sei eine Produktionssteigerung im Vergleich zum Vorjahrzehnt um das 4- bis 5-fache erforderlich, die zu bezweifeln wäre. Ähnlich skeptisch sieht er die Erfüllbarkeit bei bodengestützten atomaren Interkontinentalraketen sowie bei der Luft- und Weltraumverteidigung.
Analysiert man den derzeitigen Stand bei den geplanten acht atomaren U-Booten der Borei-Klasse kommt man zu der Schlussfolgerung, dass Skepsis durchaus angebracht ist und auch auf die anderen Bereiche übertragen werden kann. Der Prototyp der Borei-Klasse ist der strategische Raketenträger der vierten Generation „Juri Dolgoruki“ (Baubeginn 1996 – Indienststellung 2013 – also 17 Jahre bis zum Einsatz). Es folgte „Aleksandr Newski“, der nach neun Jahren Ende 2013 der Flotte übergeben wurde. „Wladimir Monomach“, der dritte im Bunde, benötigte lediglich acht Jahre, bis er 2014 zum Einsatz kam. Bei drei weiteren U-Booten wurde 2012 bis 2014 mit dem Bau begonnen, was bei dem 2012 aufgelegten „Knjaz Wladimir“ eine Indienststellung im Jahr 2020 erwarten lässt, bei den nächsten beiden aber erst 2022, was schon nicht mehr im Planungszeitraum liegt. Mit dem Bau der letzten beiden U-Boote soll erst Ende 2015 begonnen werden.

Kanonen statt Butter?

Die 2014 entstandene Situation hat einen alten Streit unter den Eliten des Landes entfacht. Es geht um die richtigen Prioritäten in der Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Es geht aber auch darum, ob die Militärausgaben für die Beschaffung der richtigen Waffensysteme eingesetzt werden. Zusätzlich erschwerend für das Rüstungsprogramm kommt der Abbruch der engen Kooperationsbeziehungen zwischen der russischen Rüstungsindustrie und ihren ukrainischen Zulieferern hinzu. Der Abbruch der Beziehungen erfordert nach Berechnungen von ROSKOSMOS zusätzlich 33 Milliarden Rubel, um die negativen Auswirkungen zu kompensieren. Obwohl offiziell Zweckoptimismus herrscht, ist es unwahrscheinlich dass die russischen Betriebe diesen Verlust kurzfristig ersetzen können.
Prominentester Verfechter der These, dass die Armee nicht losgelöst von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes aufgebaut werden kann, ist der ehemalige Finanzminister Aleksej Kudrin. Seine Haltung kostete ihn beim Streit um die Auflegung des GPV-2020 im September 2011 den Posten in der Regierung. Kudrin argumentiert, dass ein dauerhaftes Wachstum der Militärausgaben nur unter den Bedingungen eines stabilen Wachstums der Wirtschaft möglich ist. Wolle man dennoch ein schnelleres Wachstum der Militärausgaben, müsse man sich entscheiden: Entweder müsse man die Ausgaben für alle anderen Programme im Land kürzen, einschließlich Infrastruktur, Bildung, soziale Bereiche und Renten, oder die Steuern drastisch anheben. Letzteres hätte aber wiederum negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Verteidigungsausgaben trügen weder zur Modernisierung des Landes noch zum wirtschaftlichen Wachstum bei.
Nachhaltig unterstützt wird diese Auffassung von einer Studie des Moskauer Zentrums der Analyse von Strategien und Technologien (CAST), eines Zusammenschlusses führender unabhängiger Militärexperten. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die derzeitige russische Wirtschaft einfach nicht ausreichend Mittel für eine Finanzierung des 23-Billionen-Programms bis 2020 generieren kann. „Offenbar“, so die Autoren, „bleibt diese Situation für die nächsten zehn Jahre so erhalten, was wiederum bedeutet, dass die Umsetzung des perspektivischen Staatlichen Rüstungsprogramms ebenfalls vor dem Hintergrund des Ressourcendefizits erfolgen muss.“
Eine gegenteilige Position vertrat die stellvertretende russische Verteidigungsministerin Tatjana Schewzowa am Jahresanfang in der von CAST herausgegeben Zeitschrift Eksport Vooruzhenij. Sie lehnt den Vorschlag, den Rüstungshaushalt zu reduzieren, rundweg ab. Die Modernisierung der Streitkräfte sei ein langfristiger Prozess und Russland habe dafür bereits erhebliche Mittel eingesetzt. Eine Reduzierung der Rüstungsausgaben würde dazu führen, dass bereits verausgabte Mittel faktisch verschwendet wären. Außerdem seien im Rüstungsbereich etwa zwei Millionen Menschen beschäftigt. Aus einer Reduzierung der Rüstungsausgaben würde sich ein ganzer Komplex von wirtschaftlichen und sozialen Problemen ergeben. Zugleich stimulierten Investitionen in den MIK mit der Zeit die gesamte Wirtschaft. Die wirtschaftliche und technologische Kraft sei historisch in der Industrie konzentriert, deren Kern die Verteidigungsindustrie ist, die immer vorrangig entwickelt wurde. Der MIK sei zugleich Quelle von Innovationen im zivilen Sektor. Außerdem würde die Auflegung militärischer Serienproduktion für die eigene Armee zugleich größere Chancen für den Export auf dem sich verengenden Weltmarkt für Rüstungsgüter bieten. Die offene Zurückweisung derjenigen, die eine Reduzierung des Rüstungshaushalts fordern, zeugt gleichzeitig vom Dilemma der russischen Wirtschaft, die neben der Erdöl- und Erdgasförderung seit Sowjetzeiten vorrangig auf die Schwerindustrie mit dem Verteidigungssektor konzentriert ist – ein schweres Erbe für die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Rüstungsprioritäten

Jetzt hat sich eine Diskussion um die richtige militärische Prioritätensetzung entwickelt. Im Mittelpunkt der Kritik stehen die übermäßigen Ausgaben für die Seekriegsflotte, bei gleichzeitiger Hintanstellung der Landstreitkräfte. Die Finanzierung der Seekriegsflotte sei unnormal, so die Kritiker, und eine Mittelverschwendung, da sie weder der geopolitischen Lage des Landes noch seinen historischen Kriegserfahrungen entspreche. Seit hundert Jahren seien alle Verteidigungsaufgaben des Landes am Boden realisiert worden, wie übrigens die Flotte auch in den Auseinandersetzungen nach 1990 keine Rolle spielte. Das Fehlen wesentlicher überseeischer Interessen erfordere eine Überprüfung der Expeditionsaufgaben der Flotte in Übersee. Für eine Landmacht sei es außerdem wenig rational, seine strategischen Kernwaffen auf teuren U-Booten zu stationieren. Die russische Flottenpolitik scheine der abenteuerliche Versuch zu sein, mit den USA, einer Seemacht, auf den Ozeanen gleichzuziehen.
Gefordert werden eine drastische Reduzierung der Ausgaben für die Seestreitkräfte, deren Anteil 15 bis 20 Prozent nicht übersteigen dürfe, eine Reduzierung der seegestützten strategischen Raketen im Gesamtsystem der strategischen Waffen und eine Konzentration der Flottenaktivitäten auf küstennahe und benachbarte Seegebiete. Die eingesparten Mittel sollen dagegen für die Neuausrüstung der Landstreitkräfte dienen, denen gegenüber anderen Waffengattungen, ausgenommen die strategischen Raketentruppen, absolute Priorität gebühre. Besonderer Schwerpunkt müsse die Panzerplattform „Armata“ sein, mit der Russland den weltweit fortgeschrittensten Panzer neuen Typs und auf dieser Grundlage eine ganze Familie von Fahrzeugen entwickeln müsse. Da seine Serienproduktion wahrscheinlich erst 2018-2020 aufgenommen werden kann, müsse dieses Vorhaben absolute Priorität haben. Bei den Luftstreitkräften solle der Bau eines neuen strategischen Bombers zurückgestellt werden. Dafür solle man sich lieber auf Drohnen konzentrieren.
Derzeit befindet sich die russische Rüstungsplanung in einer offensichtlichen Krise. Aus dem Verteidigungsministerium forderte man ursprünglich 55 Billionen Rubel für die nächsten zehn Jahre (GPV-2025). Der Finanzblock der Regierung hält bereits 20 Billionen für zu viel. Präsident Putin gibt sich, zumindest was seine veröffentlichten Aussagen anbetrifft, salomonisch: Russland müsse angesichts der geostrategischen Ambitionen einiger Länder seine Sicherheit gewährleisten können, lasse sich aber nicht in einen neuen Rüstungswettlauf hineinziehen. Der Fokus müsse daher auf Hochtechnologien liegen. Dabei müssten die Pläne realistisch sein und die wirtschaftliche Lage berücksichtigen.
Alles in allem dürfte das fatale Jahr 2014 bewirkt haben, dass Russland bei der Modernisierung seiner Rüstung auf die Bremse treten muss. Inwieweit davon zumindest ein Teilverzicht auf Rüstungspläne für Waffensysteme betroffen ist, die der globalen Machtprojektion dienen, wird die nächste Zukunft zeigen. Eine Bedrohung für den Weltfrieden sind die russischen Rüstungsanstrengungen nicht, denn sie laufen weitgehend auf den bloßen Ersatz der veralteten und oft maroden Waffen und Militärtechnik aus Sowjetzeiten hinaus. Sie sind, angesichts der wirtschaftlichen Situation, eher eine Gefahr für eine ausgewogene Entwicklung des Landes selbst.