von Wolfgang Bittner
Offensichtlich können wir über die Ukraine-Krise, die Aggressionen der westlichen Allianz gegen Russland, über Lügen von Politikern oder falsche Medienberichterstattung schreiben, was wir wollen – es hat kaum Auswirkungen. Edward Snowden, Julian Assange und Chelsea (Bradley) Manning können aussagen und beweisen, was sie wollen – alles bleibt wie es war: Verschleierung, Lügen, Hetze, Provokationen, Kriegsgefahr, regionale Krisen und Kriege.
Natürlich konnte man Snowden, Assange und Manning nicht völlig verschweigen. Aber das Interesse der Medien hielt sich in engen Grenzen, nachdem sich die erste Empörung gelegt hatte. Und die meisten Politiker waren und sind den Whistleblowern nicht gerade positiv gesonnen, weil sie – abgesehen vom Geheimnisverrat – gegen die US-amerikanische Staatsräson verstoßen haben und weil die US-Regierung wie auch deren Geheimdienste erpresserischen Druck auf jeden ausüben, der ihnen nicht zu Diensten ist.
Überdies paktieren nicht wenige der führenden Politiker und Journalisten ohnehin mit Organen der USA. Das ist unglaublich, wurde jedoch mehr als einmal öffentlich, zum Beispiel als das Flugzeug eines Staatsoberhauptes, nämlich des bolivianischen Präsidenten Evo Morales, zu einer Landung in Wien gezwungen wurde, weil die US-Regierung Edward Snowden an Bord vermutete – ein eklatanter Verstoß gegen internationales Recht. Doch der Aufschrei in der internationalen Öffentlichkeit, geschweige denn in der Politik, blieb aus.
Man kann gar nicht so viel Verschwörungsphantasie haben, wie die kriminellen Verschwörer der Geheimdienste und deren Agenturen an Verschwörungen realisieren. Zum Beispiel haben Wissenschaftler wie Uwe Krüger („Meinungsmacht“) und Daniele Ganser („Nato-Geheimarmeen in Europa“) recherchiert, dass viele maßgebende Politiker und Journalisten den vom US-Außenministerium und vom CIA initiierten Think Tanks nahestehen oder angehören, was gravierende Folgen für die europäische Politik und Medienberichterstattung hat.
Inzwischen kann auch als erwiesen gelten, dass die Ukraine-Krise durch die USA und EU inszeniert wurde, um des Weiteren gegen Russland vorgehen zu können. Zu Recht warf kürzlich der ehemalige Staatspräsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, den USA und der NATO vor, die europäische Sicherheitsstruktur durch die Erweiterung des westlichen Verteidigungsbündnisses zerstört zu haben. In einem Gespräch mit dem Spiegel warnte er vor einem „großen Krieg“ in Europa, der „heute wohl unweigerlich in einen Atomkrieg münden“ würde. „Wenn angesichts dieser angeheizten Stimmung einer die Nerven verliert“ sagte Gorbatschow, „werden wir die nächsten Jahre nicht überleben.“ Die deutsche Ostpolitik verurteilte er mit den Worten: „Deutschland hat im Zweiten Weltkrieg schon einmal versucht, seinen Machtbereich nach Osten zu erweitern. Welche Lektion braucht es noch?“ Und dem US-Präsidenten Obama, der Russland als Gefahr bezeichnet hatte, entgegnete er: „Es gibt heute eine große Seuche – und das sind die USA und ihr Führungsanspruch.“
In der Tat zeichnet sich mehr und mehr die Strategie der westlichen Allianz ab, Russland als Machtfaktor in der internationalen Politik auszuschalten und durch Wirtschaftssanktionen, Beeinflussung der Kapital- und Energiemärkte sowie die aufgebürdeten Kosten für Nachrüstung zu ruinieren. Ganz offensichtlich ist das Ziel, Osteuropa einschließlich Russland den westlichen Kapitalinteressen aufzuschließen und den imperialen Zielen der USA unterzuordnen. Wer sich nicht beugt, wird bekanntlich entweder bombardiert oder ruiniert.
Der polnisch-US-amerikanische Politikwissenschaftler Zbigniew Brzezinski, der 1997 in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“ die geopolitische Strategie der USA nach dem Untergang der Sowjetunion entwickelt hat, schrieb seinerzeit: „Inwieweit die USA ihre globale Vormachtstellung geltend machen können, hängt aber davon ab, wie ein weltweit engagiertes Amerika mit den komplexen Machtverhältnissen auf dem eurasischen Kontinent fertig wird – und ob es dort das Aufkommen einer dominierenden, gegnerischen Macht verhindern kann.“
Für die einzige Supermacht USA sei – so Brzezinski – Eurasien „das Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird“. In diesem Kontext ist auch die Äußerung Henry Kissingers am 2. Februar 2014 in einem CNN-Interview zu sehen, wonach der Regime Change in Kiew eine Generalprobe für das sei, „was wir in Moskau tun wollen“.
Die amtierenden Politiker Europas machen das mit. Der niederländische Publizist und Politikwissenschaftler Karel van Wolferen spricht in diesem Zusammenhang von Atlantizismus als einem „europäischen Glauben“ und „Kind des Kalten Krieges“, der es Washington ermöglicht, „unerhörte Dinge“ zu tun, ohne deswegen gemaßregelt oder womöglich in Frage gestellt zu werden. Aber natürlich spielt bei allem der sogenannte wirtschaftlich-militärische Komplex eine ausschlaggebende Rolle, es geht letztlich um Kapitalinteressen.
Warum die europäischen Medien das nicht durchschauen, bemänteln oder einfach nur dazu schweigen, bedarf keiner weiteren Erklärung. Und erfreulicherweise erkennen immer mehr Menschen, dass sie belogen und betrogen werden. Das lässt hoffen, dass eines Tages Millionen auf die Straße gehen, die nicht mehr nur gegen irgendetwas, sondern gegen die aggressive Politik und die Kriegsvorbereitungen der USA und EU protestieren. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.
Wolfgang Bittner ist Jurist und Schriftsteller und lebt in Göttingen. Zuletzt erschien von ihm: Die Eroberung Europas durch die USA, VAT Verlag André Thiele, Mainz 2014, 148 Seiten, 12,90 Euro.
Schlagwörter: EU, Medien, Ostpolitik, Russland, Ukraine-Krise, USA, Wolfgang Bittner