von Wolfgang Brauer
Angelica Domröse war so etwas wie die Sex-Ikone unserer Jugendjahre. Paula natürlich und immer wieder Paula. Und jetzt kommt so ein Notenschinder daher und zertrampelt einem die Illusionen mit einem belanglos daherkommenden Interviewsatz: „ Angelica Domröse wollte er [gemeint ist der Regisseur von ‚Die Legende von Paul und Paula’ Heiner Carow – der Autor] zunächst gar nicht für die Hauptrolle haben, denn sie erschien ihm bereits zu alt.“ Nur, der Notenschinder ist kein Geringerer als Peter Michael Gotthardt – und Gotthardt verantwortete die göttliche Musik eines der ganz wenigen deutschen Kultfilme der 1970er. Der zitierte Satz stammt aus einem Interview, das der Publizist (und Blättchen-Autor) Klaus-Dieter Felsmann 2013 mit dem Komponisten führte. Gotthardt berichtet dort aus seiner sehr persönlichen Sicht über die Höhen und Tiefen in Sachen Musik im DEFA-Spielfim. Wohl gemerkt: Er zeichnet für einige „Klassiker“ verantwortlich. Felsmann nahm dieses Interview in einen von der DEFA-Stiftung herausgegebenen Band über die „Musik im DEFA-Spielfilm“ auf – neben Gotthardt kommen Peter Rabenalt, Bernd Wefelmeyer, Christian Steyer (übrigens der „Rummel-Platz-Colly“ in „Paul und Paula“), Wolfgang Thiel, André Asriel und Reiner Bredemeyer zu Wort. Neben zwei klugen Aufsätzen des Herausgebers und Wolfgang Thiels bietet der Band 16 „filmmusikalische Analysen“ (ein sperrholzartiger Begriff, aber es geht ja um Kino) quer durch 40 Jahre DEFA-Geschichte. Wer da bislang meint, ernst zu nehmende Geschichte der Filmmusik wäre nur in Kalifornien geschrieben worden, sollte dieses Buch in die Hand nehmen. Die im Band dargestellte Praxis widerspricht durchaus der von Wolfgang Thiel eingangs postulierten These des „verborgenen Leitbilds … einer von ökonomischen Zwängen und sonstigen Fremdbestimmungen befreiten Filmmusik“. Neben etlichem Murks entstand durchaus Kongeniales. Aber ist das nicht ein für das Filmgeschäft normaler Zustand?
Klaus-Dieter Felsmann (Hrsg.): Klang der Zeiten. Musik im DEFA-Spielfilm – Eine Annäherung, DEFA-Stiftung, Berlin 2013, 270 Seiten, 12,90 Euro.
* * *
Der Sozialwissenschaftler Philipp Becher hat den beachtenswerten Versuch unternommen, den Begriff „Rechtspopulismus“ auf seinen realen Kern zu untersuchen. Dabei stößt er durchaus in ein Wespennest des linken politischen Diskurses, der sich durch eine gewisse Oberflächlichkeit auszeichnet: Was irgendwie als „rechts“ (von was auch immer) verortet wird und über einen erwähnenswerten Zuspruch in der Demoskopie verfügt, wird allzu schnell als „rechtspopulistisch“ verortet – und von da ist es nur ein kleiner Schritt zur „rechtsextremen“ Rubrizierung, die einigermaßen verschämt, man will ja political correctness wahren, sich um die Klassifikation „faschistisch“ herummogelt. Becher warnt vor so plakativem Herangehen, er plädiert für ein genaueres Hinschauen. Seine vergleichenden Analysen der rassistischen Bewegung Le Pens mit Berlusconis – wohl eher eine auf die eigene Person zur Abwehr fieser juristischer Attacken determinierte Partei – „Forza Italia“, den skurrilen deutschen „Pro“-Initiativen und der us-amerikanische Tea-Party-Bewegung verdienen Beachtung. Gelegentlich fragt man sich allerdings, ob der akademische Gaul des Politikwissenschaftlers nicht doch etwas zu geschwollen daherstolziert. Eine „parlamentsfähige Massenbasis für administrativ-autoritäre Politik“ herstellen zu wollen, die irgendwie die Kurve „zwischen Partei und Sammlungsbewegung“ hinkriegt, ist ein Privileg der Rechtspopulisten. Und wenn Bechers Ansatz stimmt, dass der Rechtspopulismus einen „Anti-Egalitarismus mit einer Kritik an den Eliten“ verbinde, dann ist zum Beispiel die „Alternative für Deutschland“ keine rechtspopulistische Partei. Faschistisch, wie einige denkfaule Antifaschisten meinen, ist sie allerdings auch nicht. Was ist sie dann? Phillipp Bechers Büchlein bietet Denkanregungen und Streitstoff in Fülle.
Phillip Becher: Rechtspopulismus, PapyRossa Verlag (Basiswissen Politik/Geschichte/Ökonomie), Köln 2013, 123 Seiten, 9,90 Euro.
* * *
Es sind von Berlin nur noch gute vier Stunden Flugzeit bis zum nächsten Krieg. An die Bilder im Fernsehen haben wir uns längst gewöhnt. Der Aufschrei sowohl gegen die deutschen Rüstungsexporte als auch die zunehmend „robuster“ (welch bösartiger Euphemismus!) werdenden Auslandseinsätze der Bundeswehr hält sich erschreckenderweise in Grenzen. Umso wertvoller erscheinen mir da Bücher, die von den Erfahrungen von Menschen erzählen, die ihr Leben in den Dienst der Friedensbewegung gestellt haben. Das Bremer Kirchenvorstandsmitglied, der Studiendirektor i.R., Historiker und Publizist, von 1987 bis 2005 war er Mitherausgeber der Zeitschrift „Evangelische Theologie“, Diether Koch gehört zu diesen Tapferen. Übrigens gehörte Koch zu denjenigen, die noch im Frühjahr 1945 den Beitritt zur Waffen-SS verweigerten. Diese von Jugend an immer wieder praktizierte Geradlinigkeit bewahrte er sich bis auf den heutigen Tag: „Ich nehme auch die ‚Friedensbewegung’ von meiner Kritik nicht aus. An ihr stört mich, dass sie sich selbst zur edlen Bewegung stilisiert. Vor zwanzig Jahren bestand ihre Schwäche darin, dass in ihr Kommunisten willkommen geheißen wurden, die sich wohl gegen westliche Rüstungen aussprachen, östliche aber verteidigten und damit einer ähnlichen Denkfigur folgten wie die hiesigen Befürworter des Militärs. Heute stört es mich, dass diese Bewegung prinzipielle Gewaltlosigkeit als den Maßstab des Handelns propagiert und die Geschichte deshalb simplifiziert. Wenn jemand behauptet, Gewalt habe noch nie Positives bewirkt, denke ich an den Zweiten Weltkrieg, in dem Gewalt zuletzt der Unmenschlichkeit Grenzen setzte.“ Das stammt aus den Erinnerungen dieses „politischen Christen“, wie er sich selbst klassifiziert – es ist ein sehr ehrliches und nachdenkenswertes Buch.
Diether Koch: Auf der Suche nach Verständigung und Frieden. Erinnerungen eines politischen Christen, Donat Verlag, Bremen 2013, 360 Seiten, 19,80 Euro.
Schlagwörter: DEFA-Filmmusik, Diether Koch, Friedensbewegung, Klaus-Dieter Felsmann, Phillipp Becher, Rechtspopulismus, Wolfgang Brauer