von Alfons Markuske
In den Sommermonaten pflegte Siegfried Jacobsohn seinen Herausgeberpflichten in Sachen Weltbühne von Kampen auf Sylt aus zu genügen. Unter anderem daher resultierte zu den betreffenden Zeiten ein nahezu ununterbrochener Briefwechsel zwischen ihm und seinem langjährigen Mann in Havanna, respektive Berlin – Kurt Tucholsky.
Während der Tucholskysche Part zusammen mit dem gesamten Archiv der Weltbühne schließlich der braunen Barbarei zum Opfer fiel, blieb der Jacobsohnsche im Nachlass von Kurt Tucholsky erhalten und liegt seit Jahren in einer von Richard von Soldenhoff editierten Ausgabe vor. Die ist nicht zuletzt wegen ihres sorgfältigen Anhanges zu loben, der den Nachgeborenen die in den Jacobsohns Episteln vorkommenden Personen vorstellt und erwähnte Sachverhalte und Ereignisse aufhellt, die ohne weiteren Kontext und vor allem ohne die Pendants Tucholskys unterverständlich blieben. Immer, wenn bisher, wie es auch in dieser Ausgabe wieder der Fall ist, in den Antworten des Blättchens Bezug auf Siegfried Jacobsohn genommen wurde, erfolgte das unter Rückgriff auf diese Edition. – und das wird auch fürderhin so bleiben.
Jacobsohn frotzelte oft und mit unverhülltem Vergnügen. Hin und wieder las er seinem Tucholsky in einem solchen Stile aber auch heftig die Leviten – so mit Datum vom 8. Juli 1924: „Manchmal begreif ich gar nicht, wie Du Dir in nunmehr elfjährigem Umgang mit mir dieses Maß von Dummheit hast erhalten können. Traurig, daß ich mich bei einem Wetter wie diesem mit einem Kretin, wie Du bist, abgeben muß, wo nicht mal zu hoffen ist, daß man Dich durch eine gründliche Entkräftung Deiner Vorwürfe kuriert und sich vor einer Wiederholung solcher Belästigung schützt. Also:
a) Es ist enorm, daß in dieser Sache, von der ich keine Korrektur gesehen habe, nicht der winzigste Druckfehler ist.
b) Vor ein Initial setzt man keine Gänsefüße. Es ist in diesem Fall auch gänzlich überflüssig, weil meine Leser, von denen keiner so verblödet ist wie Du, sofort, nach wenigen Zeilen, weghaben, daß sichs um die Rede einer imaginären Figur handelt.
c) Wenn Du zu schlampig bist, um einen Artikel so abzuschicken, wie Du ihn gedruckt haben willst, darfst Du keinen andern verantwortlich machen. Die zweiten Gänsefüße standen im Manuskript nicht nach dem vorletzten, sondern nach dem letzten Absatz. Ich saß davor und dachte mir: Ich hätte sie vielleicht hinter den vorletzten Absatz gesetzt. Aber da er sie hinter den letzten gesetzt hat, wird er seine Gründe gehabt haben. Die will ich, ohne sie zu kennen, respektieren. Ich kann sie auch ruhig respektieren, da es Jacke wie Hose ist, wo die Gänsefüße stehen. Denn von dem vierschrötigen Kerl, der hereinkommen und rufen soll, daß wir mal eine ordentliche Tasse Kaffee trinken wollen, kann die imaginäre Figur ganz genau so gut wie Peter Panter sagen: ‚Und da hätte er vielleicht gar nicht einmal so unrecht.‘
d) Es besteht nicht der Schatten einer Möglichkeit, daß irgendwer den Artikel in diesem Abdruck mißverstanden hat. Selbst bei der schnellsten Lektüre ist jedem auf Anhieb alles klar. Nur einer ist zu dämlich: der Autor. Aber da der es geschrieben hat, braucht ers ja nicht auch noch verstehen.“
Tucholsky schrieb aus anderem, aber womöglich ähnlichem Anlasse über Jacobsohn und die Folgen: „Er merkte alles. Tadelte unerbittlich, aber man lernte etwas dabei.“
Siegfried Jacobsohn: Briefe an Kurt Tucholsky. 1915 – 1926. „Der beste Brotherr dem schlechtesten Mitarbeiter“, herausgegeben von Richard von Soldenhoff, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 1997, 623 Seiten.
Schlagwörter: Alfons Markuske, Briefwechsel, Kurt Tucholsky, Siegfried Jacobsohn