Max Uthoff, Kabarettist – Sie klärten uns kürzlich auf: „Europa war immer eine Kopfgeburt. Bedenken wir nur den mythologischen Ursprung: Europa, das war ja eine phönizische Königstochter, die von Zeus in Stiergestalt nach Kreta über-, äh, entführt und dort von ihm verführt wurde. Europa hat also viel mit dem Umstand zu tun, dass uns ein Rindvieh flachgelegt hat.“ Wir gratulieren zum Deutschen Kleinkunstpreis 2012, Sparte Kabarett!
Götz Aly, Historiker – Wie steht es eigentlich um Ihr Latein, Herr Aly? In Ihrer regelmäßigen Kolumne in der Berliner Zeitung schrieben Sie am 20. März: „Anders als zu Kaisers Zeiten dürfen Deutsche heutzutage nicht von einer Judenfrage sprechen. Deshalb sucht sich der im Verborgenen wummernde […] Antisemitismus die Auswege ‚Israel-Kritik‘ und ‚Solidarität mit den Palästinenserinnen und Palästinensern‘.“ Solchen Kritikern und Solidaritätern wie „Günter Grass, Norman Paech oder deren Schwestern und Brüder(n – Ergänzung d. Red.) im Geiste“ bescheinigen Sie in diesem Zusammenhang „Obsessionen“ – also ein Krankheitsbild, bei dem man, wenn man besonders katholisch ist, schon mal den Exorzisten zu Hilfe ruft. Ist also, der Umkehrschluss drängt sich ob Ihres Textes auf, jede Kritik an der Politik der israelischen Regierung und jede Solidarität mit Palästinensern ausschließlich Ausdruck von Antisemitismus? Dann sehen Sie wohl auch Blättchen-Autor Uri Avnery in dieser Ecke? Doch zurück zu unserer Eingangsfrage: Si tacuisses, philosophus mansisses.
Siegfried Jacobsohn, Gründer und Herausgeber der Schaubühne und der Weltbühne – Waren Sie, wenn diese despektierliche Frage gestattet ist, eigentlich hin und wieder versucht, mal eine Ausgabe ausschließlich mit Ihrem Autor Kurt Tucholsky zu bestreiten? Wir dokumentierten in der Rubrik „Vor 90 Jahren“ in der vorhergehenden Ausgabe ein Beispiel, das zumindest in diese Richtung zu deuten scheint. Und unter dem 15. Mai 1924 schrieben Sie Ihrem besten Mann: „Nach menschlichem Ermessen bringe ich in der nächsten Ausgabe: Tucholsky, Wrobel, Panter, Tiger […], Hauser. Also laß keine Pause eintreten, sondern schicke viel Vorrat.“ Und bereits drei Tage (12. Mai 1924) zuvor hatten Sie gefordert: „Übrigens könntest Du für jede Nummer ein Gedicht schicken. Es belebt das Blättchen doch mächtig.“
Mitt Romney, republikanischer Herausfordererdarsteller – Sie haben im laufenden US- Vorwahlkampf schon so viel Possierliches von sich gegeben, dass sich ein einschlägiger Almanach lohnen würde. Und: Sie wissen sich allemal noch zu steigern – dieses Mal mit der Feststellung „Russland ist ohne Frage unser geopolitischer Feind Nummer eins.“ Man könnte sich über ein Religions- und Politik-Fossil wie Sie herzlich amüsieren. Wenn wir aber bedenken, dass einem Teil Ihres Volkes durchaus zuzutrauen ist, Sie zum Präsidenten zu machen, graust es uns eher.
Charles Chaplin – „Die Habgier hat das Gute im Menschen verschüttet und Missgunst hat die Seelen vergiftet und uns im Paradeschritt zu Verderb und Blutschuld geführt. Wir haben die Geschwindigkeit entwickelt, aber innerlich sind wir stehen geblieben. Wir lassen Maschinen für uns arbeiten, und sie denken auch für uns. Die Klugheit hat uns hochmütig werden lassen und unser Wissen kalt und hart […]“, so bilanzierten Sie im legendären „Großen Diktator“ die Welt vor nun schon fast einhundert Jahren. Manche empfinden die Schlusssequenz Ihrer Film-Rede als pathetisch; wir halten dieses Resümee wiederum für das, was heute „nachhaltig“ genannt wird.
Friedrich Schneider, Johannes-Kepler-Universität Linz – Ihr wirtschaftswissenschaftlicher Berufsstand hat errechnet, dass sich der Schaden durch Bestechung und Vorteilsnahme in Deutschland auf etwa 250 Milliarden Euro beläuft. Jährlich. „Gelänge es, die Korruption wieder zurückzufahren, zum Beispiel auf den Wert des Jahres 2004, würde der Schaden, den die deutsche Wirtschaft erleidet, um 30 Milliarden Euro sinken“, so bilanzieren Sie. Abgesehen davon, dass es Groß-Korruption in aller Welt, vor allem natürlich in China und Russland, gibt, nicht aber in unserem global vorbildlich solidarischen Gemeinwesen, gleicht Ihre Empfehlung sehr dem Versuch, einem Kokainabhängigen zu raten, doch besser wieder zum Drogenniveau von Haschisch zurückzukehren
Peter Ramsauer, dem Vernehmen nach Bundesverkehrsminister – In Ihrer überbordenden Suche nach Nebenkriegsschauplätzen des deutschen Verkehrswesens haben Sie angekündigt, die berüchtigte medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) reformieren zu wollen. Das ist ebenso mutig wie vordringlich in Anbetracht schlechter Straßen und maroder öffentlicher Alternativen zum Individualverkehr. Da Sie das unglaublich heiße Eisen aber nun schon anpacken, hätten wir einen Vorschlag: Wenn Ziel Ihrer MPU-Novelle „die Sicherung von Einzelfallgerechtigkeit, Rechtsgleichheit, Qualität und Transparenz“ ist – könnten Sie dann nicht ein Verfahren gleich mitinitiieren, das mindestens Politkollegen wie Ihren CSU-Parteifreund Dobrindt zu einer mindestens jährlichen Überprüfung ihrer geistigen Verfasstheit verpflichtet?
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