von Holger Politt, Warschau
Bevor Donald Tusk im Herbst 2007 zum ersten Mal Ministerpräsident wurde, versprach er entschieden, Polen werde bis 2011 den Euro als seine Währung übernehmen. Er verstand dieses Ziel als das ehrgeizigste Versprechen seiner Regierungszeit, gewissermaßen als die Krönung dieser Jahre. Wer ihm damals entschieden widersprach war Jaroslaw Kaczynski, der meinte, bei der Ablösung des Zloty solle nichts über das Knie gebrochen werden. Freilich argumentierte er bar allen Wissens über ökonomische Zusammenhänge, ihm ging es vielmehr um die große patriotische Grundlinie. Jedenfalls verlor damals der Zloty-Mann gegen den Euro-Mann, wenn auch aus ganz anderen Gründen.
Denn obwohl Polen seit vielen Jahren zu den Ländern des Kontinents zählt, in denen der Europäischen Union regelmäßig die höchsten Sympathiewerte zugebilligt werden, waren die Meinungen bezüglich der Währung mehrheitlich tatsächlich auf Seiten der Kaczynski-Brüder. In erster Linie wurde die Teuerung beklagt, die mit der Euro-Einführung überall um sich gegriffen habe. So jedenfalls damals die landläufige Meinung. Also waren die meisten froh, weiter den Zloty im Portemonnaie liegen zu wissen.
Donald Tusk aber änderte seine Meinung, als die erste Welle der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ab Herbst 2008 den Kontinent erreichte. Er wurde vorsichtiger, gab freimütig zu, dass das ehrgeizige Ziel der Währungsumstellung vielleicht doch noch länger warten müsse. Nachdem sich Ende 2009 zeigte, dass Polen in Europa fast das einzige Land ist, welches im zurückliegenden schweren Krisenjahr sogar mit einem leichten Wachstum glänzen konnte, gab der Ministerpräsident ein deutliches Kommando zurück. Denn in der öffentlichen Meinung wurde diese Tatsache gerne dem Umstand zugeschrieben, noch nicht in der Euro-Sphäre gewesen zu sein. Wieder erlebte Polens Zloty im Meinungsbild eine Konjunktur.
Nun wurde der Euro für Polen auf ungewisse Zeit vertagt. Er werde zwar kommen, doch wurde der Termin einer eventuellen Einführung schlichtweg hinter die magische Grenze der Fußball-Europameisterschaft im Sommer 2012 verlegt, was also bedeutete, dass kaum jemand sich noch für nähere terminliche Einzelheiten interessierte. Der Taxifahrerin und dem Straßenverkäufer jedenfalls war es recht, sich bei allen ohnehin vorhandenen Problemen nicht auch noch an eine neue Währung gewöhnen zu müssen. Und so bietet Polen anno 2011 ein Bild, bei dem auf der einen Seite die EU immer wichtiger wird, andererseits der Euro als Gemeinschaftswährung so unpopulär wie noch nie ist. Gäbe es eine Volksabstimmung, würde er augenblicklich mit Pauken und Trompeten durchfallen.
Das nun ruft die politisch Mächtigen auf den Plan. In seiner Rede zur Eröffnung der neuen Legislatur schrieb Staatspräsident Bronislaw Komorowski im Sejm dem alten und neuen Premier ins Stammbuch, er möge in seinem neuen Regierungsprogramm doch verbindlich erklären, in welchen Fristen Polen den Euro zu übernehmen gedenke. Das Land sei zu einem wichtigen Faktor der EU-Integration geworden und – so der Staatspräsident – dürfe auch währungspolitisch nicht im Abseits stehen bleiben. Ein Durchwurschteln wie bisher habe auf längere Sicht keinen Erfolg.
Tusk indes wird auf Zeit spielen, wird auf die aktuellen Turbulenzen im Euroland verweisen, wird der öffentlichen Meinung in dieser heiklen Frage nicht die offene Stirn bieten. Im Augenblick jedenfalls nicht. Während nämlich Polens Bürger in der Frage des Euros gerne auf die Erfahrungen in der Slowakei schauen, wo 2009 die Gemeinschaftswährung eingeführt wurde, und meistens behaupten, dort wären die Lebenshaltungskosten seit Euro-Einführung gewaltig gestiegen, darf er sich vergleichen mit Iveta Radicova, der unlängst gestürzten slowakischen Ministerpräsidentin. Der Stolperstein, über den sie politisch fiel, war der Euro, denn an der Frage des sogenannten Rettungsschirms zerrieb sich ihre konservativ-liberale Vierparteienkoalition.
Im Stillen wird er wissen, dass ihm unter Euro-Bedingungen in Polen womöglich ähnliches geblüht hätte. Und so ist aus dem entschiedenen Euro-Befürworter ein Zauderer geworden, jemand, der die Entscheidung nun bewusst und mit allen möglichen Argumenten nach hinten herauszögern wird. Allerdings ist er weit entfernt von den nationalkonservativen Argumenten, mit denen sein alter Kontrahent Jaroslaw Kaczynski seit jeher den Euro ablehnt.
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