14. Jahrgang | Nummer 5 | 7. März 2011

Antworten

Horst Seehofer, christsozialer Racheengel – Ihre Unionskollegen Norbert Lammert und Annette Schavan seien Karl-Theodor zu Guttenberg mit ihrer öffentlichen Kritik „in den Rücken gefallen“, haben Sie verlauten lassen und mit einem „Nachspiel“ gedroht. Nun kann man freilich als Politiker nicht alles kennen, daher hier eine kleine Erinnerung an das Grundgesetz, Art. 38, Abs. 1, Satz 2: Die Abgeordneten „sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Hoffentlich hat diese vorsintflutliche Einfalt für das Grundgesetz nicht auch noch ein Nachspiel.

Hans-Peter Friedrich, neubestallter Innenminister – Sie sprangen Ihrem plagiatsgeplagten Parteifreund von und zu Guttenberg mit einer fundamental-relativierenden Einlassung über die Ihrer Meinung nach offenbar ohnehin überschätzte Originalität von Gedanken bei: „Es wird nicht gelingen, einen Satz zu sprechen, der nicht irgendwann schon irgendwo geschrieben wurde.“ Nun wäre Karl-Theodor von und zu Guttenberg allerdings aus dem Gröbsten wohl schon heraus, wenn er sich denn nur versprochen hätte. So aber erinnern Sie uns zumindest an das ohnehin fast vergessene Diktum: Si tacuisses, philosophus mansisses.

Jens Böhrnsen, Bremer Bürgermeister (SPD) – Sie möchten einmal wöchentlich den weltweiten Ausstoß an CO2 reduzieren, indem Sie immer donnerstags kein Fleisch mehr essen. Das ist ein veritabler Ansatz, denn Rindvieh lässt beim Verdauen nicht wenig klimaschädliches Methan entweichen. Die Wirkung Ihres persönlichen Beitrags im Kampf dagegen könnten Sie aber durchaus noch steigern. Was hielten Sie davon, wenn Sie parallel dazu gänzlich auf den Verzehr von Hülsenfrüchten verzichteten?

Jörg Steinbach, (Berliner TU-Präsident und Zivilisationsbringer) – Sie betonten dieser Tage den „missionarischen Hintergrund“ einer Geschäftsreise der Berliner IHK mit Begleitung des Regierenden Bürgermeisters nach Saudi-Arabien. „Mittelfristig“ könnten Sie sich vorstellen, dass sogar Studierende aus dem Wüstenstaat nach Berlin kämen – „darunter auch Frauen“, wie Sie der Presse mitteilten. Berliner Studenten in Riad seine aber nicht vorstellbar, das Leben für westliche Menschen sei dort „zu schwer verdaulich“. In welcher Hölle waren Sie da auf Staatsbesuch?

Joseph Martin Fischer, Ex-Bundesaußenminister (Bündnis 90 / Die Grünen) – Sie bezeichneten dieser Tage den jahrzehntelangen wohlwollenden Umgang des Westens mit Diktatoren im Nahen und Mittleren Osten, die in jeder Sphäre außerhalb der hohen Politik als gewöhnliche Kriminelle oder Schlimmeres durchgegangen wären, als „Realpolitik“. Chapeau! Damit haben Sie noch im ersten Quartal Ihren Kandidaten für das „Unwort des Jahres“ platziert.

Dieter Zetsche, automobiler Überflieger – Visionär haben sie jüngst davon gesprochen, dass Autos in einer absehbaren Zeit auch werden fliegen können. Schön zu wissen, dass die Vehicles dann auch den Höhenflügen der ihnen zugrunde liegenden Aktien und nicht zuletzt der an Leute wie Sie ausgereichten Boni (8,7 Millionen Euro für Sie im letzten Jahr) folgen werden.

Arnold Schölzel, Chefredakteur – Mit Blick auf Geburtstagswürdigungen für Michail Gorbatschow zitieren Sie den Lyriker Peter Hacks mit den Zeilen:  „Wer war der, der vom meisten Blute troff? / Wars Churchill, Hitler oder Gorbatschow?“ Nun darf man mit der Wahl dieses Zitates durch Sie eine gewisse geistige Affinität zum Autor vermuten, die nebbich wäre, fehlte in dem Vers (vermutlich aus reimtechnischen Gründen) nicht Stalin. Eben jener „großartige Führer“ (Peter Hacks) Stalin, von dessen Regentschaft Hacks 2003 in einem Interview mit der von Ihnen geleiteten Zeitung Junge Welt zu sagen wusste: „Zu Stalins Todeszeit war Russland in keinem schlechten Zustand.“ Und: „Jeder, außer der Jungen Welt, weiß, dass der Niedergang mit Stalins Tod begann.“ (Zitate aus: Peter Hacks, Am Ende verstehen sie es. Politische Schriften 1988-2003, Eulenspiegelverlag 2005). Keine Ahnung, warum Hacks Ihrer Zeitung damals Unwissen vorwarf. Der Jungen Welt in Sachen Stalinismus Wissenszuwachs zu attestieren, fällt allerdings auch heute noch schwer.

Cora Stephan, Schriftstellerin und Merkel-Wählerin – „Ich habe ‚Angie’ gewählt, eine Frau mit einer deutlichen Sprache und einem mutigen Reformprogramm. Und habe Mutti bekommen, eine Kanzlerin, die entscheidungsschwach und matt vor sich hinregiert“, lautet die resignierende Bilanz Ihrer einstigen Hoffnung. Wir raten zur Geduld. Angela Merkel ist ein Politikertyp, dem auch eine dritte Amtszeit zuzutrauen ist – aber dann …!!!