13. Jahrgang | Nummer 15 | 2. August 2010

BEMERKUNGEN

Duisburg und die Schuld

Ein plötzlich untergetauchter Oberbürgermeister, Polizeigewerkschaft und Veranstalter im Clinch und – ach ja: 21 Tote nebst hunderten Verletzten. Das ist die makabere Bilanz der diesjährigen Loveparade in Duisburg. Die Details der Vorgänge, die zu der Massenpanik auf dem Veranstaltungsgelände führten, sind inzwischen längst bekannt: Die Todesopfer wurden schlichtweg inmitten der Menge zerdrückt, hilflos zusammengepreßt zwischen Abertausenden.

Nun, im Nachhinein, geht es um die Schuld. Auf einer ersten Pressekonferenz wollen weder Veranstalter noch Polizei falsch gehandelt haben, der Oberbürgermeister will gar überhaupt nicht in die Planung der Parade eingeweiht gewesen sein. Am Tag darauf ist er verschwunden, meidet die Öffentlichkeit, die ihm Versagen vorwirft. Sicherheitsbestimmungen seien bewußt unterwandert worden, um die Großveranstaltung in dem eigentlich dafür ungeeigneten Duisburg möglich zu machen. Kritische Stimmen seien in den Wind geschlagen worden.

Aber hier wird es plötzlich interessant: Während sich die Sündenböcke in Gestalt von Adolf Sauerland (Oberbürgermeister) und Rainer Schaller (Veranstalter) immer deutlicher aus der erhitzten Debatte herauskristallisieren, erscheint es immer kurioser, wer da nicht alles im Vorfeld gewarnt haben will! Ehemalige Polizisten aus Nachbarstädten, spätere Besucher der Loveparade und sogar Duisburger Stadträte. Aber warum haben sie sich nicht durchgesetzt? Sie, die plötzlich als klare Mehrheit gegenüber den wenigen ausgemachten Schuldigen erscheinen, gaben – zumindest stellte es eine Stadträtin in einem Fernsehinterview so dar – dem Oberbürgermeister freie Fahrt, um Druck auf Behörden und einzelne Kritiker auszuüben. Die Loveparade wurde möglich gemacht – ohne demokratisches Verhalten im Stadtrat und ohne daß die Zweifler zur Tat schritten. Stattdessen duckten sie ab und ließen es geschehen. Im Nachhinein haben sie zwar Recht behalten, aber zu welchem Preis! Die Schuld an dem tödlichen Desaster in Duisburg ist in diesen Tagen bei vielen Adressaten zu suchen, auch bei jenen, die zuvor alles besser gewusst haben wollen. Warum haben sie geschwiegen? Warum haben sie es geschehen lassen? Fragen, die nicht gestellt werden … Vielleicht, weil sie auf ein gesellschaftliches Problem hinweisen würden. Und es ist doch viel einfacher, einen konkreten Namen zu nennen.

Bernhard Spring

 

 

¿El pueblo unido jamás será vencido?

„El pueblo unido jamás será vencido / Das vereinte Volk wird nie besiegt“: In den siebziger Jahren, als dieses Kampflied aus Chile auch in Europa zum Hit wurde, wirkte Lateinamerika wie ein Kontinent im Aufbruch – trotz der Gewalt der Militärdiktaturen. Der Song verkörperte den rebellischen Geist unterdrückter Massen. In den Neunzigern, nach dem Ende der Diktaturen, war vom Elan der Völker nicht mehr viel zu spüren; Lateinamerika verschwand aus dem Fokus unserer Aufmerksamkeit. Doch nach wie vor ist der reiche südliche Subkontinent eine Region von unfaßbarer Ungleichheit. Vierzig Prozent der Einwohner, 230 Millionen Menschen, leben an oder unter der Armutsgrenze. Und von politischer Teilhabe bleibt die Mehrheit selbst in „demokratischen“ Staaten ausgeschlossen.

Seit den späten Neunzigern – seit dem Ausbruch der zügellosen Globalisierung – scheint die Region nun erneut im Umbruch. Wieder melden sich organisierte Massen zu Wort, und die Unzufriedenen haben den Subkontinent bereits nachhaltig verändert: Nach Wahlen ab dem Jahr 2005 erlebten viele Länder einen Linksruck.

Der Aufschwung der Volksbewegungen hat jetzt auch deutsche Forscher beflügelt. In dem Sammelband „¿El pueblo unido?“ analysieren sie das Phänomen gemeinsam – Soziologen, Politologen, Ökonomen und Historiker, Uni-Theoretiker und Praktiker der Entwicklungshilfe. Sie schreiben über Kokabauern und Gewerkschafter, über Stadt-Guerilleros und die Madres de Plaza de Mayo, über alte und neue, friedfertige und brachiale Formen des Widerstands; sie schauen zurück (bis zum Jahr 1900) und nach vorn. Sie liefern Definitionen und diskutieren theoretische Ansätze zur Einordnung der „sozialen Bewegungen“.

Aufbau und Methodik des Buchs erleichtern das Verständnis: In 25 Texten – darunter sind elf Länderbeiträge und elf Aufsätze zu überregionalen Eigentümlichkeiten – untersuchen Fachleute die Entstehung und Entwicklung von Bewegungen, ihre Erfolge, ihre Grenzen. Nachhaltig wird die Vielfalt der Bewegungen, ihre Buntheit, herausgearbeitet. Alle Beiträge zeigen eine ähnliche Gliederung; so lassen sich die Befunde vergleichen.

Überraschend ist der kritisch-distanzierte, meist auch ideologiefreie Zugriff aufs Thema. Wir lesen von „demokratiefeindlichen Mängeln“ mancher Bewegungen, Castros Revolution heißt richtig „Staatsstreich“, und nur selten wird die Utopie einer „gerechteren Gesellschaft“ beschworen. Eindrucksvoll beschreiben die Autoren das Spannungsfeld zwischen linken Aktivisten und linken Machthabern. Es ist nur scheinbar ein Paradox: Die Mitte-Links-Regierungen der Gegenwart versuchen genau jene Bewegungen zu neutralisieren, durch die sie erst ans Ruder kamen.

Wie geht es nun weiter mit den sozialen Bewegungen? Die Forscher sind vorsichtig: Alles sei denkbar, weiterer Aufschwung oder baldiger Abschwung. Fragezeichen verstärken die Skepsis: El pueblo unido? Vom Protest zur Partizipation? Bleiben die linken Länder überhaupt regierbar? Ein Autor schreibt drastisch über das Scheitern vieler Protestversuche. Und doch, das stellt er klar, haben soziale Bewegungen viel für die politische Kultur getan. Ohne sie wären Klientelismus, Korruption und Patriarchalismus noch viel krasser.

Das Buch ist eine Pionierleistung (denn die „Bewegungsgeschichte“ liegt noch weitgehend im Dunkeln); ein nützliches Werk für Lateinamerika-Enthusiasten, mit Spannung zu lesen. Leider zeigt der Sammelband eine Schwäche, die auch anderen interdisziplinären Fachbüchern eigen ist: An Sprache und Stil wurde nicht so gefeilt wie am Inhalt. Schade.

Uwe Stolzmann

 

Jürgen Mittag, Georg Ismar (Hg.): ¿El pueblo unido? Soziale Bewegungen und politischer Protest in der Geschichte Lateinamerikas. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2009. 576 Seiten, 39,90 Euro.


Gefühl ist Privatsache

Klein, aber sehr fein, ja exquisit und nur noch bis 15. August im Berliner Kulturforum zu sehen ist die Ausstellung „Gefühl ist Privatsache. Verismus und Neue Sachlichkeit“. Die Exponate entstammen überwiegend den Beständen des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin und sind durch Leihgaben ergänzt.

Der Expressionismus mit seinen Utopien und seinem eruptiven Gefühlsüberschwang war unter dem Grauen des ersten Weltkriegs fast im Wortsinne begraben worden, und Künstler wie Otto Dix, George Grosz, Max Beckmann, Conrad Felixmüller, Hans und Lea Grundig, Alexander Kanoldt, Franz Radziwill, Christian Schad, Rudolf Schlichter, Georg Schrimpf und andere reagierten mit einem geschärften, distanziert-sachlichen und vielfach sehr kritischen Blick auf diese Entwicklung und die gesellschaftliche Realität in Deutschland nach dem Krieg und der gescheiterten Revolution. Trotzdem trifft das auf den jungen Bertolt Brecht zurückgehende Motto der Exposition – „Gefühl ist Privatsache“ – deren Tenor nicht zur Gänze: Eine Reihe zum Teil sehr anrührender Porträts der Ausstellung etwa offenbart weniger sachliche Distanz der Künstler zu den Subjekten ihrer Darstellung denn sensible Verbundenheit mit ihnen, was sich dem Betrachter durch die nicht selten verwendete Aquarelltechnik mit besonderer Intensität vermittelt. Wer bei Verismus zu Recht zunächst an die drastischen Darstellungen von Kriegsgräueln und der dekadent-verkommenen Erscheinungsformen des Großstadtlebens der Nachkriegszeit bei Otto Dix und George Grosz denkt, wird Zeugnisse davon natürlich in dieser Ausstellung finden, aber zugleich von der Bandbreite künstlerischer Handschriften, Sujets und Aussagen aus den 20er Jahren überrascht sein.

Alfons Markuske

Sonderausstellungshallen Kulturforum, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin; Öffnungszeiten: di, mi, fr – 10 18 Uhr, do – 10 – 22 Uhr, sa, so – 11 18 Uhr; Eintritt: 6,- Euro, ermäßigt 3,- Euro. Bis 15. August 2010.

Wenigstens mal drüber reden

Die Jahre werden nicht länger
Ganz egal, was der Wettermann sagt
Und so manches hat man selbst schon gecancelt
Andres nicht einmal zu wünschen gewagt
Doch ich hab noch so viele Pläne mit dir
Grade wenn ich mal nicht bei dir bin
Aber wenigstens mal drüber zu reden
Das kriegn wir irgendwie schon noch hin

Durch einen Frühlingstag spazieren
Wenn es Fliederblüten schneit
Und Franz Kafka zu zitieren
Wenn von fern der Käfer schreit
„My Back Pages“ mit dir zu singen
in der Fassung von Roger McGuinn
Oder wenigstens mal drüber reden
Das kriegn wir irgendwie schon noch hin

Mal ein ganzes Jahr vertrödeln
Auf’m Postdampfer um die Welt
Und überall an Land zu gehen
Wo’s uns eben mal gefällt
Vielleicht beim Karneval in Trinidad
Und wir beide mittendrin
Oder wenigstens mal drüber zu reden
Das kriegn wir irgendwie schon noch hin

All die Freunde zu versammeln
Die übers Jahr mit uns gereift
Und die Mutter aller Parties feiern
Bis die Morgendrossel pfeift
Danach stundenlang mit dir zu schweigen
In die Hand gestützt das Kinn
Oder wenigstens mal drüber reden
Das kriegn wir irgendwie schon noch hin

Mal in Ruhe analysieren
Wohin dieses Ländle treibt
Und was uns zwischen Resignation
Und Rebellion noch bleibt
Und die Faust aus der Tasche zu nehmen
Das machte langsam wieder Sinn
Oder wenigstens mal drüber zu reden?
Das kriegn wir irgendwie schon noch hin

Manfred Wagenbreth

Der Song zum Text „Wenigstens mal drüber reden“ ist zu hören auf der CD: jeder weiß bescheid. Artist: Die Sieben Leben, Loewenzahn GmbH/Heideck, Labelcode: 01955, Best.-Nr: HD 20063


Kubys Aufzeichnungen

„Der Charakter der Kriegsnotizen wird mir immer deutlicher. Sie reden nicht von Schlachten, beschreiben die Kriegsmaschine kaum und doch den Krieg“, schrieb Erich Kuby, der den Zweiten Weltkrieg von Anfang an mitmachen mußte, 1943 an den Literaturkritiker W.E. Süskind. Später flossen diese Notizen in sein Buch „Mein Krieg – Aufzeichnungen aus 2129 Tagen“ ein.

Der Journalist Erich Kuby, dem posthum der Kurt Tucholsky-Preis 2007 zuerkannt wurde, wäre am 28. Juni 100 Jahre alt geworden. Seine Witwe, Susanna Böhme-Kuby, und Benedikt Kuby, sein Sohn aus erster Ehe, hatten schon zum 70. Jahrestag des Kriegsbeginns die Ausstellung „AufZeichnungen 1939-1945“ in München vorgestellt. Zu Erich Kubys Geburtstag nun kam sie ins Willy-Brandt-Haus. Kuby selbst war nicht in der SPD, habe aber einmal in München zu deren Wahl aufgerufen, wie Klaus Wettig in seiner Begrüßung bemerkte. Wie lange das her ist, sagte er vorsichtshalber nicht. Kuby, der schon in der Bundesrepublik der fünfziger Jahre als linker Störenfried galt, war mit den Jahren immer weiter nach links gerückt.

In der Ausstellung, die noch bis 5. September läuft, ist Erich Kuby als verblüffend talentierter Zeichner zu entdecken. Die Zeichnungen und Aquarelle zeigen nur wenig vom Krieg, sondern sind Impressionen, hinter denen die Grausamkeiten nur zu erahnen sind. Dazu stehen Kubys Texte, die ihn als einen erstaunlich klarsichtigen Beobachter ausweisen. Der Journalist setzt sich auch mit der Rolle der Medien in der NS-Diktatur auseinander. Schon am Tag des Kriegsbeginns schreibt er nach Hause: „Hört Ihr Radio? Hört bloß nicht zu viel, das verzerrt die Verhältnisse und macht dumm. Ich höre kein Wort. Das Wichtigste ist, Neugierde auf Nachrichten zu verlieren, ich meine, auf Nachrichten unseres Rundfunks und unserer Presse. Die Nachrichten sind ja nicht dazu da, etwas mitzuteilen, sondern eine gewisse Seelenstimmung zu schaffen, die als notwendig betrachtet wird für die Fortsetzung des Krieges.“

Diese und viele andere über die Zeit hinausweisende Gedanken finden sich auch im Ausstellungskatalog, den die beiden Kuratoren zusammengestellt haben und der sehr empfehlens- und mit 13 Euro auch preiswert ist (hyperzine verlag).

F.-B. Habel

Schwimmen und kiffen

Um bei Frauen gut anzukommen, muß man sehr oft sportliche Höchstleistungen vollbringen. So ging ich mal wieder in die Schwimmhalle zum verschärften Training. 3000 Meter Brust, Freistil und Rückenschwimmen standen auf dem Programm. Da ich meine Schwimmbrille verschlampt hatte, mußte ich das ganze Training mit den blanken Augen absolvieren. Am nächsten Tag stehe ich nun mit verdammt roten Augen und noch ziemlich abgeschlafft an der Kasse eines Supermarktes, um meine tägliche Portion Vitamine zu bezahlen. Da zeigt ein altes Weib auf mich und spricht zu ihrem Enkel: „So sieht man aus, wenn man die ganze Nacht durchkifft“.

Anja Behlert

Falsche „Himmels“-Richtungen

Eine peinliche Baupanne wurde dieser Tage in Saudi-Arabien publik. Mitglieder einer kleinen islamischen Gemeinde mußten die Mitteilung hinnehmen, daß sie zehn Jahre lang in die falsche Richtung gebetet haben, denn die dafür zuständige Nische ihrer Moschee zeigte nicht gen Mekka, wie sich das in für islamische Gotteshäuser gehört. Zunächst wirft das freilich die Frage nach der Schuld der Bauausführenden und Bauherren auf, die einen solchen Kardinalfehler möglich gemacht haben. Zugleich liegt in der Entdeckung  dieses Mißstandes aber auch eine  – zumindest denkbare – Erklärung: warum nämlich die in den vergangenen zehn Jahren von dort ausgehenden Bitten an Allah, für Frieden auf Erden zu sorgen und den in der islamischen Welt Kriegführenden aller (!)Couleur das mit göttlicher Allmacht ihres mörderischen Handwerkes zu legen, nicht so recht erhört worden sind. Da dies natürlich auch für einschlägig christliche Gottesanrufungen gilt, nährt das auch in den Kirchen die zweifelnde Frage, ob man sich an die richtige Adresse wendet…

Helge Jürgs

 

O-Töne

Es wird rund um den Krieg in Afghanistan viel zu viel nicht nur geheim gehalten, sondern auch gelogen. Die Wahrheit bleibt wieder einmal auf der Strecke.

Hans Christian Ströbele (MdB Bündnis 90 / Die Grünen)
zu den jüngsten Wikileaks-Veröffentlichungen von Pentagon-Papieren

Der Regierungssprecher – und sei er noch so talentiert – kann nichts ausrichten, wenn das Produkt, die Regierungsarbeit, kaum noch zu verkaufen ist. Der Glorienschein der Angela Merkel ist nun sehr verblasst. Da ist der Verkäufer machtlos.

Klaus Bölling
Regierungssprecher unter Bundeskanzler Helmut Schmidt

Mit den Füßen in einem fließenden Gewässer.

Steffen Seibert
designierter Regierungssprecher, auf die Frage,
wie er am besten entspannen kann

Viel Spaß auf der Titanic.

Klaus Ernst
Vorsitzender der Linken, zur Berufung
von ZDF-Moderator Steffen Seibert zum Regierungssprecher

Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter stehen.
Das deutsche Ideal: hinter einem Schalter sitzen.

Kurt Tucholsky

Ich erwarte, dass die Züge bei minus 40 Grad genauso pünktlich fahren wie bei plus 40 Grad.

Peter Ramsauer
Bundesverkehrsminister (CSU),
zu den technischen Problemen der Bahn

Was unterscheidet die Deutsche Bahn von der DDR?
Die Bahn hat nur zwei Feinde: Sommer und Winter.

Anonym

Nur Geld zu haben um des Geldes willen ist eine traurige Sache.

Nicolas Berggruen
Karstadt-Investor

Reichtum muß durch Bewegung paralysiert werden, sonst wirkt er als Totes nach chemischen Gesetzen verderblich auf den Besitzer.

Karl Immermann (1796 – 1840)
deutscher Schriftsteller, Lyriker und Dramatiker

Ich glaube …, daß ich so fühlte wie viele Menschen in der DDR: Wir waren nicht alles Republikflüchtige, die auf gepackten Koffern wohnten. Mir hat mal einer ziemlich wütend entgegengehalten, was in der DDR alles „Scheiße“ sei. Ich habe ihm recht gegeben, eine kleine Atempause gemacht und dann noch hinzugefügt: Auch Scheiße bindet!

Ursula Karusseit
Schauspielerin

In mir gibt es keine Einigung. Sobald in mir eine Meinung auf sich aufmerksam macht, leuchtet in mir ihr Gegenteil auf. Es ist wie Notwehr.

Martin Walser
Schriftsteller

Und die bleibt das Problem jeder Demokratie: Je mehr Mündigkeit und Unabhängigkeit des Individuums propagiert und durchgesetzt werden, umso schwieriger wird es, Menschen für einen Konsens zu gewinnen, dessen oberste Gebote Pietät und Demut heißen. Freiheit ist immer auch Ausbildung zum Exhibitionismus, und jeder daran Beteiligte ist letztlich geschlagen mit einem Trieb nach Resonanz, der von keiner Zentrale gedämmt werden kann.

Hans-Dieter Schütt
Journalist , zu Duisburg

Früher gab es eine Dummheit, die sich untätig verhielt und deren träge Ruhe doch eine Art Lebensklugheit verriet. Heute dagegen stößt man zusehends auf eine Dummheit, die mit nie nachlassender Energie, rastlos schuftend, alles angreift und zugrunde richtet.

Leonardo Sciascia
Schriftsteller