20. Jahrgang | Nummer 26 | 18. Dezember 2017

Antworten

Heinz Florian Oertel, Sportreporter mit Kultstatus – Klar mag es auch unter Ex-DDR-Einheimischen einige gegeben haben, die ein leicht verkniffenes Verhältnis zu Ihnen hatten – vielleicht, weil sie am Tage, als Waldemar Cierpinski bei den Olympischen Sommerspielen in Moskau 1980 im Marathonlauf seinen Sieg von Montreal vier Jahre zuvor wiederholte, auf den allenfalls semimodernen Vornamen des Sportlers getauft worden waren. Dank Ihrer Aufforderung beim Stadioneinlauf: „Man möchte sich an den Zeiger der Geschichte hängen, um die Uhren anzuhalten, weil die Größe dieses Augenblicks für eine Momentaufnahme viel zu schade ist […] Liebe junge Väter, haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar! Waldemar ist da!“ Vor allem aber waren Sie so beliebt, dass Sie insgesamt 17 Mal zum Fernsehliebling des Jahres gewählt wurden. Und Sie versammelten weitere Superlative auf sich: von 17 Olympischen Spielen berichteten Sie, 17 Mal waren Sie die Stimme der Friedensfahrt, acht Fußballweltmeisterschaften kommentierten Sie nach Hause und unzählige Championate im Eiskunstlauf. Ihre legendäre Interview-Sendung „Porträt per Telefon“ ging 254 Mal über den Sender … Als Sie nach der Kehre nicht mehr an Sendermikrofone gelassen wurden, reüssierten Sie als Bücherschreiber. Nun sind Sie – am 11. Dezember – 90 Jahre alt geworden. Wir gratulieren herzlich nachträglich und machen es im Übrigen wie Sie, als Sie 1976 Cierpinskis Montrealer Sieg kommentierten: „Wir springen […] auf. Solche Leistungen […] würdigt man mit größtem Respekt. Und wenn man steht, dann wird die Verbeugung tiefer.“

Christian Bommarius, Preisgekrönter – Ihre Feder in der Berliner Zeitung schätzen wir seit vielen Jahren. Sie gleicht einem gefährlich scharf geschliffenen und meisterlich treffsicher, gleichwohl stets auch höchst elegant geführten Florett. Lesern des Blättchens sind Sie als gelegentlicher Gastautor vertraut.
Jetzt hat die Akademie der Künste Sie mit der Verleihung des Heinrich-Mann-Preises, der bedeutendsten binnenländischen Literaturehrung für essayistische Publizistik, geehrt, wozu wir – heftig erfreut – herzlich gratulieren!

Jakob Augstein, scharfzüngig wie der unväterliche Spiegel-Erfinder gleichen Nachnamens – Im russophoben Medienmainstream-Lamento hierzulande sind unparanoide Stimmen in der Minderzahl. Daher zitieren wir Sie gern: „Ein Gespenst geht um. Es ist nicht sehr groß, hat offensichtlich kosmetische Operationen hinter sich und heißt mit Vornamen Wladimir. Dieses Gespenst ist für so ziemlich alles verantwortlich, was im Westen im Moment schiefläuft: die Wahl von Donald Trump, den Brexit, das katalonische Referendum, den Erfolg der AfD, Merkels Frisur – überall hat dieses Gespenst seine Finger drin. Das ist natürlich ein Scherz, für ihre Frisur ist die Kanzlerin selbst verantwortlich. Der Rest ist der volle Ernst einer größer werdenden Fraktion von Geisterjägern, die einen Schuldigen für das westliche Ungemach gefunden haben: den russischen Präsidenten.“ Die Süddeutsche Zeitung, so Sie weiter, habe unlängst eine „Prager Erklärung“ von „Sicherheitsexperten aus 22 Ländern“ mit weiteren Fälle von russischer Einmischung zitiert – darunter die niederländische Abstimmung über das Ukraine-Abkommen, das Verfassungsreferendum in Italien, die Bundestagswahl und sogar das Katalonien-Referendum. Alles „natürlich ohne Belege“.
Volkes Stimme kalauert in solchem Kontext ja gern: „Bloß weil du paranoid bist, heißt das ja noch lange nicht, dass keiner hinter dir her ist!“ Doch im Ernst: Wir sollten mal drüber reden, was wir unternehmen, wenn die Krankheit anhält oder sich gar noch weiter ausbreitet!

Gabor Steingart, immer wieder gut für eine Sottise – Dieser Tage warfen sie Ihr Auge auf eine Justizfarce am Südwestrand der Republik: „Der Schlecker-Prozess fand vor dem Landgericht Stuttgart ein überraschendes Ende. Der Drogerie-Patriarch Anton, der drei Millionen Euro vor der Pleite beiseite geschafft hatte, kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Seine beiden Kinder Lars und Meike, die sich sieben Millionen Euro aus dem Vermögen sicherten, wandern dagegen für jeweils knapp drei Jahre ins Gefängnis. Das ist zwar nicht gerecht, aber innovativ: Kinder haften für ihre Eltern. In aller Stille hat das Landgericht Stuttgart offenbar eine Seniorenkarte eingeführt, die nach dem Vorbild der BahnCard 50 funktioniert: Der Weißhaarige fährt in die gleiche Richtung wie die anderen, aber zum halben Preis.“ Unverändert jedoch gilt auch für Senioren: „Weisheit kommt im Kopf und nicht im Alter.“

Florian Graf, Berliner CDU-Fraktionschef – In der CDU-Propagandabeilage eines auflagenstarken Berliner Anzeigenblattes lautet der Kernsatz eines selbstgemachten Interviews: „Rot-Rot-Grün spaltet die Stadt.“ Und ergänzend: „Ideologie, Klientelinteressen und absoluter Stillstand, diese Jahresbilanz hat Berlin nicht verdient.“ Das lässt sich auf zweierlei Weise kommentieren: „Gut gebrüllt, Löwe“ wäre die eine; die – passendere – andere allerdings diese Tucholsky-Adaption: „Nichts ist verächtlicher, als wenn Ideologen Ideologen Ideologen nennen.“ Fan von R2G muss man dafür nicht sein.

Harald Martenstein, des gordischen Knotens lässiger Löser – Auch Sie haben sich des Kulturkampfes an der Alice Salomon Hochschule Berlin (siehe Das Blättchen 20 und 24/2017 sowie Aus anderen Quellen in dieser Ausgabe) angenommen, sind aber nicht im bloß Kontemplativen hängen geblieben, sondern haben den Blick mutig nach vorn gerichtet und einen quasi minimalinvasiven Vorschlag zur Lösung des Problems unterbreitet: „Die Studierenden schreiben, dass Frauen nicht zu ‚bewunderungswürdigen Objekten‘ degradiert werden dürfen. Frauen, die solchen, mit den Worten des Autors Christoph Hein, ‚barbarischen Schwachsinn‘ verzapfen, werden doch niemals in diese Verlegenheit kommen, oder? Interessanterweise haben Künstler, Kolumnisten oder Fußballer mit Bewunderung keinerlei Probleme, im Gegenteil. Man sollte einfach in dem Gedicht überall dort, wo ‚Frauen‘ steht, meinen Namen einfügen, das wäre mein Vorschlag, ‚Ronaldo‘ geht auch. Und wer sich über den real existierenden Sexismus informieren möchte, sollte einfach den Namen ‚Harvey Weinstein‘ googeln.“

Prinz Philipp, zäher alter Knochen – Sie haben gerade an der Seite Ihrer Angetrauten, Queen Elizabeth II., Ihren 70. Hochzeitstag begangen, die sogenannte Gnadenhochzeit. Das nötigt uns uneingeschränkte Bewunderung ab, denn seit George Bernard Shaws Tagen weiß man ja, wie die Sache läuft: Im ersten Ehejahr, so GBS, strebe der Mann die Vorherrschaft an, im zweiten kämpfe er um Gleichberechtigung – und ab dem dritten ringe er um die nackte Existenz.