20. Jahrgang | Nummer 20 | 25. September 2017

Antworten

Stanislaw Petrow, vermutlicher Weltenretter – als Sie als leitender Offizier der Kommandozentrale der sowjetischen Satellitenüberwachung am 26. September 1983 den Anflug von fünf amerikanischen Atomraketen auf Russland registrierten, hätte es Ihnen oblegen, durch die Weiterleitung dieses Alarms einen Gegenschlag auszulösen – was ganz sicher zum 3. Welt- und diesmal sogar Nuklearkrieg geführt hätte. Instinktiv haben Sie diese Bildschirmanmutung als das eingeordnet, was sie zum Glück auch war: eine technische Täuschung und also ein Fehlalarm. Was allerdings auch deutlich gemacht hat, dass jene Elektronik, von der wir uns alle immer abhängiger machen, genau jene Gefahrensituationen zu produzieren in der Lage ist, die sie eigentlich verhindern soll. Erst mit großem Zeitverzug für Ihre mutige Tat hochdekoriert, sind Sie nun in Moskau verstorben.

Günter Wallraff, Wahrheitssucher – In Deutschland hat investigativer Journalismus einen bekannten Namen – Ihren. Sie haben sich auf der Suche nach Wahrheit in viele unbequeme Situationen begeben. Man denke nur an Ihre zweijährige Tätigkeit „ganz unten“ als türkischer „Fremdarbeiter“ Ali oder an Ihre Kämpfe mit dem Springerkonzern, der Sie mit Verleumdungen und Prozessen überzog. Mit vielen Fakten aus eigener Rechercheerfahrung haben Sie zahlreiche Missstände in Deutschland und anderswo ans Tageslicht gebracht, eine Diskussion zu ihrer Beseitigung angestoßen. Und nicht zuletzt haben Sie sich solidarisiert mit Menschen in Not.
Wir gratulieren mit größter Hochachtung vor diesen Leistungen zum 75. Geburtstag und hoffen auf Nachahmer!

Heiner Geißler, streitbarer Denker – Über Jahrzehnte hinweg haben Sie in und mit der CDU einen unmittelbaren Einfluss auf deutsche Belange genommen. Der christliche Wertekanon, auf dessen Grundlage Sie ausdrücklich agierten, mag sich nach rabulistischen Ausfällen als Generalsekretär der CDU unter Kohl (dem Sie dann allerdings die weitere Treue als „his master’s voice“ versagten) wohl erst vollständig ausgeprägt haben, als Alter und Weisheit zur Einheit Ihrer Weltsicht geworden sind – Respekt verdient hat Ihr ganz eigenständiges und streitbares Denken und Handeln allemal. Wir werden Sie vermissen.

Boris Johnson, britischer Wiedergänger Trumps – Sie sagen Großbritannien für die Zeit nach EU, Binnenmarkt und Zollunion eine „glorreiche Zukunft” voraus und düpieren Ihre Noch-Chefin May, indem Sie großmütige Versprechen aus den Tagen der Referendums-Agitation für den Brexit wiederholen, die diese gerade jetzt eigentlich nicht mehr hören möchte. Darauf angesprochen, wusste Theresa May süffisant zu werten: „Boris is Boris.“ Kann sein, dass es mit diesem Vornamen zu tun hat, denn genauso lautete einst der zurückhaltendste aller Kommentare zu Jelzins beklopptem politischen Agieren.

Frank-Walter Steinmeier, Leisetreter – Sie haben aggressive Proteste mit Trillerpfeifen und Tomatenwürfen im Wahlkampf kritisiert. Wer zornig und anderer Meinung sei, solle „selbst das Wort ergreifen, statt andere zum Schweigen bringen zu wollen“, fordern Sie völlig zu Recht. Es ist nur seltsam und überraschend, dass dies zu vernehmbaren Äußerungen Ihrerseits gehört, deren Zahl und inhaltliche Tragweite denn doch ziemlich übersichtlich sind, seit Sie das höchste Amt der Bundesrepublik betreiben. Kann es sein, dass Sie noch immer nicht den Übergang vom Modus des oft außerhalb der Öffentlichkeit wirkenden Chefdiplomaten zum Bundespräsidenten gefunden haben?

Tom Buhrow, Intendant des WDR – Sie haben Ihr Jahresgehalt von 399.000 Euro gegen Kritiker verteidigt. „Man kann das immer weiter treiben mit dem Neid“, haben Sie soeben alle jene wissen lassen, die keine Ahnung von der globalen Verantwortungslast Ihres Jobs haben. Dass diese deutlich größer ist und schwerer wiegt als die einer popligen Staatslenkerin wie der unseren, muss sich natürlich – was denn sonst – auch in der Vergütung beider Tätigkeiten niederschlagen, Frau Merkel liegt immerhin nur ein klitzekleines Bisschen hinter Ihnen. Dass man das mit dem Neid auch dadurch immer weiter treiben kann, dass man die Gehälter öffentlich-rechtlicher Amtsinhaber immer weiter treibt, scheidet für Sie als dem ehemaligen Welterklärer der Tagesthemen offenkundig aus. Es stimmt schon: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.

Felix Bastians und Steffen Wohlfarth, seltenheitswertige Fair-Player – Bastians: Obwohl Ihr Klub zu diesem Zeitpunkt mit 0:1 zurücklag, haben Sie als Bochums Zweitliga-Kapitän mit einer Intervention gegenüber dem Schiedsrichter bewirkt, dass dieser einen Elfmeter zugunsten Ihrer Mannschaft (!) revidierte. Das vom Referee vermutetes Foul hatte es, wie Sie ihn aufklärten, nicht gegeben.
Wohlfahrt: Ihr Oberligaklub Ravensburg führte nur knapp 1:0, als Sie einen Elfmeter absichtlich neben das gegnerische Tor schossen, da der Schiedsrichter den wahren Grund eines Handspiels nicht hatte erkennen können: Dem Ball, den der Verteidiger von Bissingen in die Hand genommen hatte, war nämlich die Luft ausgegangen. Aus dieser Situation wollten Sie einfach keinen Vorteil ziehen.
Mein Gott, erstaunlich dass es Fußball-Kickern auch mal nicht nur ums Geld geht sondern um den Sport, zu dem Fairplay eigentlich allweil gehören sollte. Sollte. Die Reaktion des Bochumer Trainers war da viel zeitgeistiger: „Ganz ehrlich: In dem Moment habe ich mich gefragt, ob er (Bastians – d.Red.) einen an der Waffel hat.“