20. Jahrgang | Nummer 14 | 3. Juli 2017

Einige Nachbemerkungen

von Waldemar Landsberger

In der vorigen Ausgabe hat Erhard Crome einen interessanten Text zu Manfred Lauermann und seiner jüngsten Exkommunikation durch die Linkspartei veröffentlicht. Dabei kam er folgerichtig auch auf Volkmar Wölk. Sucht man im Internet nach dessen aktuellem Hintergrund, so findet man, dass er nicht nur Interviews über rechte Organisationen und Netzwerke gibt und Vorträge zu diesem Thema hält, sondern auch in Grimma im Einsatz ist. Die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz von der Linken präsentiert ihn auf ihrer Webseite als ihren Mitarbeiter im örtlichen Abgeordnetenbüro und Ortsvorsitzenden der Linken in Grimma. Ein wohlmeinender Autor namens Andreas Debski fügte auf Indymedia hinzu, dass beide seit 2000 ein Paar sind, seit 2014 verheiratet und beide zusammen „Herz und Hirn des informiert-aufgeklärten Antifaschismus in Sachsen“ seien.
Nun hat sich Köditz gewiss große Verdienste in den beiden NSU-Untersuchungsausschüssen des Sächsischen Landtages erworben. Sie ist Sprecherin der Fraktion für antifaschistische Politik und nervt die Landesregierung mit Dutzenden, ja Hunderten Kleiner Anfragen. Debski hat seinen Artikel überschrieben mit: „Besser als der Verfassungsschutz“ und nennt sie – Köditz und Wölk zusammen – auch „die Nazi-Jäger von Sachsen“. Da wird einfühlend beschrieben, wie beide „in einem geduckten Grimmaer Fachwerkhaus, eingerahmt von einem Archiv aus fast 5.000 Büchern zum Thema Rechtsextremismus,“ leben und alle möglichen Zeitschriften und Flugschriften der Rechten sammeln und lesen. Das in einer Atmosphäre, zu der auch Aschenbecher, Schwarzer Kaffee und geliebte Hauskatzen gehören.
Man kann sich das lebendig vorstellen. Nur, wenn jemand das über zwanzig Jahre lang macht, entsteht leicht so etwas wie ein Freud’scher Komplex: Nachdem der berühmte Arzt jahrzehntelang Tag für Tag zahlreiche psychisch Kranke oder zumindest nach der Hilfe des Psychiaters Heischende auf der Couch hatte, dachte er, es hätten alle eine Macke, nur bei manchen sei sie größer, bei anderen kleiner. Das „Nazi-Jäger“-Problem ist analog: Wenn man lange genug sucht, sieht man am Ende nur noch Nazis. Nun also auch – Stichwort: Lauermann – innerhalb der Strukturen der Linkspartei. Jedenfalls hat, wie man hört, Kerstin Köditz allein (ohne Wölks Assistenz) die Anklageposition gegen den Delinquenten Lauermann im Parteivorstand der Linken vertreten und zwar so lange, bis die Mehrheit einknickte.
Es gibt aber noch einen anderen Hintergrund. Nennen wir ihn das „sächsische Problem“. Bekanntermaßen ließ sich das Pegida-Phänomen von Dresden aus nicht in andere Gegenden Deutschlands verpflanzen, in Sachsen aber wiederum nicht ausrotten. Sachsen galt einst als ziemlich „rot“. August Bebel hatte von 1867 bis 1881 seinen Wahlkreis in Sachsen. In der Nazi-Zeit allerdings war Sachsen sehr „braun“, in der DDR wieder sehr „rot“. Ältere Leute in Berlin redeten gern von Sachsen als der „fünften Besatzungsmacht“, weil Berliner auf Ämtern und Behörden der DDR häufig auf Menschen mit sächsischem Dialekt trafen. In der Wendezeit sind die Losungen „Wir sind das Volk“ und „Wir sind ein Volk“ nicht zufällig in Sachsen skandiert worden, die erstere in der „Heldenstadt“ Leipzig, die andere in Dresden zum Kohl-Besuch im Dezember 1989. Seither ist Sachsen eine Hochburg der „Schwarzen“, aber mit offensichtlich fortbestehend starken Formationen der „Braunen“ und der „Roten“. Die sich nun vor allem aneinander abarbeiten, während die „Schwarzen“ regieren. Wahrscheinlich versteht man Köditz nur, wenn man das sächsische Biotop berücksichtigt.
In den vergangenen Tagen habe ich versucht herauszufinden, was Volkmar Wölk früher so alles gemacht hat, bevor er „Herz und Hirn“ des sächsischen Antifaschismus wurde. Der Unrast-Verlag teilt mit, dass er 1957 geboren wurde, aber nicht wo. Eine eigenständige Publikation von Wölk gibt es unter dem Titel: „Natur und Mythos: Ökologiekonzeptionen der ‚Neuen‘ Rechten im Spannungsfeld zwischen Blut und Boden und New Age“. Die stammt aus dem Jahre 1992, hat 76 Seiten und erschien in der Schriftenreihe des „DISS – Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“. In einer älteren Publikation der Konrad-Adenauer-Stiftung erscheint er als Referenz mit einer Publikation von 1991 zum Thema: „Neue Trends im ökofaschistischen Netzwerk. Am Beispiel der Anthroposophen, dem Weltbund zum Schutz des Lebens und der ÖDP“. Zuweilen wird er im Internet als einer derer identifiziert, die Rudolf Steiner, die Antroposophie und die Waldorf-Pädagogik als „rechts“ und „strukturell rassistisch“ entlarvt haben.
Der Berlin-Brandenburgische Rundfunk (rbb) brachte am 19. Mai 2017 eine Meldung, wonach der Verfassungsschutz wegen der Verbindungen der „rechtsextremen Identitären und der AfD“ AfD-Funktionäre beobachten solle. Die Meldung konnte kommentiert werden. Ein Ulrich Behrenz aus Hamburg schrieb am 20.05., dass eine solche Beobachtung völlig übertrieben sei. „Für die eigene kulturelle Identität zu sein, ist nicht nur normal, sondern auch ein Recht.“ Darauf schrieb Volkmar Wölk aus Grimma am 21.05.: „Lieber Uli, so naiv bist du doch gar nicht. ‚Kulturelle Identität‘? Für welche stehen denn die ‚Identitären‘? Für die eines Punks…? Nein, gemeint ist eine andere Konstruktion: die ‚deutsche‘ Identität… Eine ‚neu‘rechte Einheitsfront.“ Und Behrenz anwortete noch einmal am 22.05.: „Lieber Volkmar, ich dachte immer, Du persönlich bist selbst als alter Linker fern von ‚Pawlowschen Reflexen‘… Ich dachte, dass wir da gewisse gemeinsame Schnittmengen hätten.“
Nun war der „Liebe Uli“ Angehöriger der „Solidaristischen Volksbewegung“, die in den 1970er Jahren als „linke“ nationalistische Abspaltung der NPD entstanden war und sich ab 1980 „Bund Deutscher Solidaristen“ nannte. Er sollte „Ökofreaks und Friedensbewegte“ für die nationale Sache einsammeln. Aus diesem Umfeld ging dann wiederum eine „Deutsch-Europäische Studiengesellschaft“ hervor mit gleichnamigem Verlag, unter dessen Gesellschaftern auf einer nadir.org-Antifaschismus-Webseite auch Ulrich Behrenz aufgeführt wird. Auf der Antifa-Seite Angelfire wird darauf hingewiesen, dass Behrenz 1995 für die „Junge Freiheit“ ein Interview gemacht hat.
Da erhebt sich natürlich die Frage, weshalb der liebe Uli und der liebe Volkmar 2017 so freundschaftlich und bezogen auf alte Gemeinsamkeiten miteinander kommunizieren. Zumindest scheint das nicht zu der Rolle Wölks als Hexenverfolger und „Nazi-Jäger“ zu passen. Es sei denn, der eine war oder ist Informant des anderen. Oder beide verbindet noch etwas ganz anderes. Wer als kundiger Kenner der „rechten Szene“ durch das Land reist, vermag die Angehörigen der „linken Szene“ stets auf die rechte Fährte zu schicken. Zugleich weiß er natürlich über die linke beziehungsweise Antifa-Szene und ihre Netzwerke mindestens ebenso viel, wie über die rechte.
Wenn man sich das mal, rein spekulativ, unter einer geheimdienstlichen Perspektive denkt: Eine bessere Legende, als von der Parteilinken oder einer ihrer Organisationen zu kommen und mit einem besonders scharfen antirechten Ticket in der Antifa-Szene zu agieren, kann es nicht geben. Man schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe: Man stellt der Antifa Analysen über die Rechten zur Verfügung und beobachtet sie dabei selbst. Und kann Unruhe in ihr stiften. Wer sagt uns denn eigentlich, dass in der linken Szene weniger V-Leute des Verfassungsschutzes deponiert sind als in der rechten? Wenn man sich die heutige BRD als Klassenstaat denkt und den Antikommunismus als Grundausrichtung aller Polizeibehörden und Geheimdienste seit deren Gründung, liegt es nahe, dass unter den Linken die Dichte der V-Leute höher sein müsste als unter Rechten.
Und wer solche Überlegungen gleich wieder in die verschwörungstheoretische Ecke stellt, dem sei zur Lektüre empfohlen, wie der Verfassungsschutz einst den Maoismus in der Bundesrepublik installierte – nachzulesen bei Günther Nollau („Das Amt“) oder jüngst in der ZEIT.