18. Jahrgang | Nummer 13 | 22. Juni 2015

Film ab

von Clemens Fischer

Vor etlichen Jahren flog der Rezensent nicht ausschließlich, aber auch deswegen nach New York, um sich Gustav Klimts Gemälde „Adele Bloch-Bauer I“ (1907), ein Schlüsselwerk der Wiener Sezession und des dortigen Jugendstils, in der Neuen Galerie anzusehen. Das Bild war kurz zuvor als damals teuerstes verauktioniertes Gemälde (135 Millionen Dollar) in diese Galerie gewechselt – von der Besitzerin Maria Altmann, einer Nichte der Porträtierten und letzten überlebenden Erbin des Gatten der Adele Bloch-Bauer, die bereits 1925 jung verstorben war. (Die Neue Galerie gehört Ronald Lauder, einem der Erben des gleichnamigen Kosmetikkonzerns.) Die Beschauung von „Adele Bloch-Bauer I“ fiel übrigens höchst beeindruckend aus, nicht zuletzt weil die Neue Galerie eine ganz vorzügliche Sammlung deutscher und österreichischer neuer Meister (neben Klimt Schiele, Kubin, Kokoschka, Beckmann, Dix, Kirchner und andere) vorzuweisen hat.
Was der Rezensent seinerzeit allenfalls ansatzweise und nur am Rande zur Kenntnis nahm, das war die Vorgeschichte der Neubeheimatung des Bildes auf Manhattan. Es hatte zuvor fast 70 Jahre im Schloss Belvedere in Wien gehangen und galt als Nationalikone der Alpenrepublik – auch als österreichische Mona Lisa apostrophiert. Bei „Adele Bloch-Bauer I“ handelte es sich aber, zusammen mit vier weiteren Klimt-Gemälden aus dem Besitz Bloch-Bauer um Raubgut, das dem jüdischen Eigentümer von den Nazis gestohlen worden und nach Kriegsende dem österreichischen Staat anheimgefallen war. Der gerierte sich jahrzehntelang als Eigentümer – auf der Grundlage eines Testaments von Adele Bloch-Bauer, in dem ihr Wunsch einer Weitergabe an das Belvedere fixiert war, das Dritte aber nicht offiziell einsehen durften – aus gutem Grund, wie sich später herausstellte. Die Weitergabe war an eine (nicht erfüllte) Bedingung geknüpft, und das „Testament“ war formal-juristisch im Hinblick auf die Gemälde gar kein solches.
Maria Altmann hätte allerdings, um ihren Anspruch in Österreich vor Gericht durchzufechten, millionenschwer sein müssen, da eine nach dem damaligen Verkehrswert des Bildes, der bereits mit über 100 Millionen Dollar veranschlagt wurde, festzulegende Vorauszahlung an die Wiener Justiz zu leisten gewesen wäre. Über den Betrag verfügte die alte Dame nicht, dafür aber hatte sie einen pfiffigen Anwalt, der den Fall mit einigem Geschick in den USA vor die Schranken des Gerichts brachte … Mehr soll hier nicht verraten werden, da dies alles nun im Kino ausgebreitet wird – mit einer einmal mehr grandiosen Hellen Mirren in der Hauptrolle.
Vielleicht zur Sache selbst nur noch kurz dieses, da im Film davon die Rede nicht ist: Die fünf Klimts erbrachten bei ihren späteren Versteigerungen insgesamt 328 Millionen Dollar. Der Anwalt Maria Altmanns, ein Enkel des Komponisten Arnold Schönberg, erhielt davon 40 Prozent. Allerdings hatte nicht er den Fall ins Rollen gebracht, wie die Filmhandlung behauptet, sondern der österreichische Journalist und Verleger Hubertus Czernin. Der kommt im Film zwar auch vor, aber eben nicht mit seinem realen Anteil an diesem spektakulären Restitutionsfall. Das ist nicht die einzige Abweichung des Films von der historischen Wahrheit, aber es handelt sich ja auch um einen Spiel- und nicht um einen Dokumentarfilm.

„Die Frau in Gold“, Regie: Simon Curtis; derzeit in den Kinos.