17. Jahrgang | Nummer 8 | 14. April 2014

Antworten

Karlheinz Deschner, Monumentalwerker – Kurz vor Ihrem 90. Geburtstag haben Sie dieser Tage Ihre letzte Reise angetreten, und wir verneigen uns mit Hochachtung. Ihr hinterlassenes Œuvre ist ebenso zahl- wie facettenreich, aber Ihr Hauptwerk – eine zehnbändige „Kriminalgeschichte des Christentums“, vom Alten Testament bis ins 18. Jahrhundert reichend und mit aller zur Gebote stehenden Sorgfalt des antiapologetischen Historikers im Hinblick auf Fakten und Quellen verfasst, – sucht seinesgleichen vergeblich.
Darin wenig „über gloria et honor ecclesiae“ und „nichts über vermeintliche oder, ausnahmsweise, wirklich positive Folgen des Christentums“. Denn Ihr Ansatz, wie Sie in der Einleitung zum Gesamtwerk vermerkten, war ein anderer: „Ist es bei dem gigantischen Übergewicht all der verdummen­den, täuschenden, lügenden Glorifikationen (die dem Christentum in seiner 2000jährigen Geschichte widerfahren sind – d. Red.) nicht notwendig, auch das Gegenteil zu zeigen, zu lesen? Zumal dafür so viel mehr spricht? Ist eine negative Christentumsgeschichte nicht geradezu das Desiderat, nach dem alle Lobhudeleien schreien oder doch schreien machen sollten? Zumindest jeden, der auch die schlimme Seite sehen will, die eigentliche Seite der Sache?“
Sollte es den Schöpfer und allmächtigen Gott geben, dem das Christentum huldigt, so muss diesem Ihr Werk ein Wohlgefallen gewesen sein: 1970 schlossen Sie mit dem Rowohlt Verlag einen Vertrag über das Projekt; erst 1986 jedoch erschien der erste Band, und bis zum zehnten kam das Jahr 2013 auf uns – da waren Sie 89. Wenn da also einer ein Auge darauf gehabt hat, dass Gesundheit und Schaffenskraft nicht vor der Zeit schwanden, das ließe ja schon fast wieder hoffen, dass es neben der „eigentlichen Seite der Sache“ vielleicht doch noch eine andere gibt …

Christian Bommarius, von uns im Übrigen sehr geschätzte Edelfeder der Berliner Zeitung Natürlich haben Sie völlig zu Recht Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidts relativierende Einlassung zur Völkerrechtswidrigkeit der Annexion der Krim durch Russland kritisiert, die der zweifelhaften Logik folgte, „wonach die Gültigkeit ei­ner Norm mit der Anzahl ihrer Übertretun­gen schwindet“. Sie merkten, erneut zu Recht, an, dies bedeute „für die Straßenverkehrsord­nung nichts Gutes“. Und fügten – zu Recht zum Dritten – hinzu: „Zum anderen pflegt die Rechtspolitik aus der Zunahme von Rechtsverletzungen nicht auf eine ab­nehmende Wirksamkeit der Norm zu schlie­ßen, vielmehr daraus die Forderung abzu­leiten, die Sanktionen zu verschärfen. In diesem Fall müsste man sagen: Nur zu.“ Was aber soll in Fällen geschehen, wo niemand in der Lage oder auch nur willens ist, Sanktionen zu verhängen? Wie etwa bei der Bombardierung Serbiens und der Separation des Kosovo oder dem Einmarsch der USA samt Koalition der Willigen in den Irak. Da gingen die Völkerrechtsverletzungen auf westliche Konten. Könnten Sie uns vielleicht wenigstens gelegentlich auch über die Wirkung doppelter Standards für die Wirksamkeit des Rechts respektive die Rechtssicherheit im Straßen- und womöglich sogar im internationalen Verkehr aufklären?

Sigmar „Münchhausen“ Gabriel, Bundeswirtschaftsminister – Beim Energiegipfel zur Energiewende, den Sie am 25. März mit den 16 Ministerpräsidenten der Bundesländer abhielten, wurde beschlossen – mehr Windräder in Nord- und Ostsee, mehr Rotoren auf den Bergen in Bayern und Baden-Württemberg, weiter Boni für Biogasanlagen. Und das alles, wie Sie anschließend verkündeten, für schlappe 0,2 Cent mehr pro Kilowattstunde auf der Stromrechnung. So geht Schnäppchen!
Aber nur in dieser Legislaturperiode. Danach fallen die großen Brocken an: Das Paket vom 25. März wird die Verbraucher bis 2020 fast zehn Milliarden Euro kosten. Besagt ein Geheimpapier Ihrer Beamten. Eine „stolze Zeche für vier Stunden Sitzung“, vermerkte ein nicht unbekanntes Hamburger Nachrichtenmagazin. Schade nur, dass Lügnern keine Eselsohren und Langnasen mehr wachsen. Ihnen würden die wahrscheinlich sogar stehen …

Rainer Brüderle, tja, was eigentlich? – In der Politik ist gesetzt: Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis. Vermutlich, weil dafür noch kein passender Reim gefunden worden ist, ließe sich aber auch sagen: Wer als Politiker sonst nicht mehr auf sich aufmerksam zu machen vermag, schreibt ein Buch. „Jetzt rede ich“ ist der ungemein originelle Titel eines Druckwerkes, das Sie nun meinen, unter die Leute bringen zu müssen. Viel Inhalt scheint nicht im Spiel zu sein, denn trotz repräsentabler Schützenhilfe Gregor Gysis dauerte die Buchpremiere nur 30 Minuten und war damit die bisher kürzester ihrer Art. Wie die Journaille sogleich mit Häme nachtrat. In der Hoffnung, dass der publizistische Akt zugleich Ihren Abschied von der aktiven Politik markierte, wollen wir das Opus gleichwohl empfehlen. Ohne nochmals im Detail auf Dirndl-Gate einzugehen!

Marlis Tepe, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Sie kritisieren den massiven Anstieg der Auftritte von Bundeswehrkadern in Schulen, mit denen Kinder für eine militärische Karriere gewonnen werden sollen mit den Worten: „Nicht die Bundeswehr ist zum Politikunterricht da, sondern wir, die Lehrer.“ Fast 10.000 solche „Invasionen“ von Karriereberatern habe es 2013 gegeben, wie die Linkspartei gezählt hat. Der Erfolg scheint mäßig, obwohl die Kids doch dank boomender Computerspiele auf das Ballern schon bestens vorbereitet werden. Sind die also doch unschädlicher, als manche Kritiker behaupten?

Joachim Gauck, punktuell Mildtätiger – Ihr Auftritt vor der Finanzelite des „Deutschen Bankenverbandes“ ist kürzlich nicht ganz so gnadenlos unnachgiebig ausgefallen, wie man das von Ihren Kritiken etwa an China und Russland kennt. Im Gegenteil: „Der Bundespräsident war so zahm, dass er in Sachen Kritik von den Bankern selbst überholt wurde“, vermerkte Spiegel Online. Das muss einer erst mal schaffen: Respekt! Bis zu jener Bibelstelle, wo Jesus prophezeit, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr ginge, denn dass ein Reicher in den Himmel käme, sind Sie möglicherweise noch nicht vorgestoßen.

Christian Tretbar, Twitterer – „Nach Merkels Rede müssen die meisten (Abgeordneten – d. Red.) erst mal ihre Handyakkus aufladen, so sind sie mangels Spannung mit ihren Geräten beschäftigt“, haben Sie nach dem Auftritt der Kanzlerin in der Bundestags-Debatte über deren Etat in die weite Welt hinein verlautbart. Hoffentlich ist dem Gros des Auditoriums dabei nicht die neuerliche Bestätigung der Uckermärkerin entgangen, dass es Deutschland so gut gehe wie nie zuvor.
Nun ist „gut“ zwar auch nicht mehr, was es mal war, aber besser als „schlecht“ ist es doch allemal. Oder?

Kim Jong Un, Gesalbter – Nach Ihrem mit 100 Prozent aller Stimmen denkbar knappen Wahlsieg vor einigen Wochen haben Sie nun eine zweite Zitterpartie für sich entscheiden können: Ihr Parlament hat Sie überraschend als „Ersten Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission“ bestätigt. Wir sind solidarisch erleichtert und in froher Erwartung vieler weiterer guter Beiträge Ihrerseits für die nationale wie die Weltpolitik.