17. Jahrgang | Nummer 4 | 17. Februar 2014

Antworten

Frank-Walter Steinmeier, Außenamtschef – Sie werden von Autoren dieser Blättchen-Ausgabe wegen Ihrer Aussagen zu künftigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr auf der Münchner Sicherheitskonferenz heftig kritisiert, und diese Kritik wird begründet. Sie selbst äußerten sich in den zurückliegenden Wochen auch zum Kriegsausbruch von 1914 – unter anderem folgendermaßen: „Mit der Europäischen Union haben wir einen Weg gefunden, unsere Interessenunterschiede friedlich aufzulösen. Statt des Rechts des Stärkeren gilt unter Europäern die Stärke des Rechts. Manchem ist die Kompromisssuche am gemeinsamen Verhandlungstisch in Brüssel zu mühsam, zu langwierig, zu behäbig. Die Mahnung dieses Gedenkjahres ist: uns immer wieder bewusstmachen, welche zivilisatorische Leistung darin steckt, dass kleine und große Mitgliedstaaten, Gegner zahlloser früherer Kriege auf unserem zerrissenen Kontinent, heute friedlich und zivilisiert in langen Nächten um gemeinsame Lösungen ringen.“ In diesem Punkt wollen wir Ihnen nicht widersprechen.

Joachim Gauck, Schatten & Licht-Verbreitender! – In einer Rede in Berlin fühlten Sie sich jüngst bemüßigt, für das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TAFTA) die Werbetrommel zu rühren „Die angestrebte transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft […] kann den Wohlstand auf beiden Seiten des Atlantiks mehren“, meinten Sie. Wir wollen Ihnen ja keine Vorschriften machen, aber vielleicht sollten Sie die Reden schreibende Fraktion Ihrer Entourage hin und wieder im Spiegel blättern lassen. Der fasste kürzlich zusammen, was Kritiker an TAFTA alles auszusetzen haben: „Etwa, dass die Angleichung der Standards die Errungenschaften in Bereichen wie Gesundheit, Ernährung, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte zunichtemache. Das Abkommen erleichtere es Konzernen, Profite auf Kosten der Allgemeinheit zu machen, etwa bei der Wasserversorgung, der Gesundheit und der Bildung. Es mache den Weg frei für umstrittene Technologien wie Fracking, erlaube in Europa unerwünschte Lebensmittel wie mit Wachstumshormon behandeltes Fleisch. Weit gefasste Urheberrechte erschwerten den Zugang zu Kultur, Bildung und Wissenschaft. Außerdem drohe eine umfassende Überwachung.“ Denn die Verhandler richteten sich „fast ausschließlich nach den Wünschen der Wirtschaft“. Und bevor Sie das jetzt unter Verschwörungstheorie abbuchen: Die Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) zwang die EU, „eine Liste der Gesprächspartner preiszugeben, die im Vorfeld der Vertragsverhandlungen konsultiert wurden. Das Ergebnis: 93 Prozent der Dialogpartner stammten aus der Industrie. Wirtschaftsverbände […] durften ihre Freihandelswunschliste vorlegen. Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen dagegen blieben außen vor.“ Manchmal wissen Spiegel-Leser eben tatsächlich mehr, lieber Herr Gauck.
Trotzdem sind wir guter Hoffnung: Bei Ihrem gerade absolvierten Staatsbesuch in Indien haben Sie die dort offiziell ausgeübte Todesstrafe kritisiert. Das lässt für Ihre nächste Visite in den Vereinigten Staaten einiges erwarten!

Alice Schwarzer, gehatzte Feminismusikonenkarikatur* – Über zehn Jahre rund 200.000 Euro Steuern hinterzogen (wieder eines dieser Schweizer Konten) und kürzlich per Selbstanzeige und Nachzahlung inklusive Strafzinsen zumindest steuer- und strafrechtlich wieder in Ordnung gebracht – da wollen wir jetzt nicht billig nachkarten. So in der Art, dass man den Hinweis aufs Vergehen schon dem Titel Ihrer Biographie „Alice Schwarzer. Lebenslauf“ hätte entnehmen können. Bei korrekter Interpunktion: „Alice. Schwarzer Lebenslauf“. Zu denken gibt uns jedoch Ihre Begründungseinlassung für das langjährige Delikt: „Ich habe in Deutschland versteuerte Einnahmen darauf eingezahlt in einer Zeit, in der die Hatz gegen mich solche Ausmaße annahm, dass ich ernsthaft dachte: Vielleicht muss ich ins Ausland gehen.“ So gesehen sollten die deutschen Steuerbehörden mal rasch alle ZeitgenossInnen unter die Lupe nehmen, auf die Sie in Ihrer publizistischen Laufbahn zur Hatz (mit)geblasen haben? Da hätten die Beamten dann ein schönes Weilchen zu tun.
* – Diesen Begriff entlehnten wir bei Christian Bommarius, Berliner Zeitung.

Friedrich Schneider, Ökonom und Experte für das Thema SteuerhinterziehungSpiegel-Online fragte Sie jüngst, ob es denn stimme, dass normalverdienende Steuerbetrüger härter bestraft werden als die Promis dieser Welt. Ihre Antwort: „Ja. Bei kleinen Steuervergehen werden viele sofort relativ streng bestraft. Dabei kann der kleine Handwerker wegen des komplizierten Systems auch aus Versehen zum Steuerhinterzieher werden. Reiche Leute dagegen haben meist gute Steuerberater. Zwischen legale Vermeidung und illegale Hinterziehung passt bei denen oft kein Blatt Papier.“ Das verwundert natürlich nicht, denn die Kleinen hat man ja schon immer gehängt …

Klaus Wowereit, hauptstädtischer Amigo – Dass Sie schon lange von den finanziellen Verfehlungen Ihres Kulturstaatssekretärs Schmitz wussten, diese Kenntnis aber für sich behielten, dürfte dem Lieblingsregularium von Politikern zuzuordnen sein, Unerfreulichkeiten möglichst „intern“ zu regeln und die lästige Öffentlichkeit außen vor zu lassen. So hatte das auch KPD-Chef Thälmann gehalten, als 1928 sein Hamburger Intimus John Wittorf zu eigenem Vorteil tief in die Parteikasse gegriffen und Wahlkampfgelder unterschlagen hatte.
Die Konsequenz für Thälmann war damals übrigens die Beurlaubung von seinem Parteiamt durch seine eigenen Genossen; es bedurfte erst des Stalinschen Vetos samt Wiedereinsetzung des deutschen Parteiführers, um so viel innerparteilicher Demokratie ein Ende zu bereiten. In Ihrem Falle, Klaus Wowereit wollen nun andere Ihren Rücktritt bewirken, per Volksbegehren und – im Erfolgsfalle – Volksentscheid. Wir sind gespannt, was Ihnen dazu Launiges einfallen wird.

Frank Hoffmann, RTL-Programmchef – In einem Interview nach der Relevanz einer Ihrer Meinung nach relevanten RTL-Sendung namens „Guten Morgen Deutschland“ befragt, in der es – pars pro toto – um Blitzeis, einen PR-Termin der Obamas, den Tag der Jogginghose und das Dschungelcamp ging, meinten Sie, dass dies Themen seien, über die Deutschland spräche. Und haben aufschlussreicher Weise hinzugefügt: „Außerdem gibt es in der ‚Guten Morgen‘-Sendung auch Nachrichten, mit denen wir unsere Chronistenpflicht voll abdecken. Ein anderes Beispiel ist ‚Wer wird Millionär?‘, das ist auch eine Art Bildungsfernsehen […]“ Sie haben damit Befürchtungen, die wir schon länger hegen, voll bestätigt.

Michael Moore, cineastischer Rabiatdokumentarist – In Ihrem „Bowling for Columbine“ von 2002, mit dem Sie die amerikanischen Schusswaffenindustrie und ihre politische Lobby demaskierten, hatten Sie sich auch vor dem Washingtoner Kongress aufgebaut und dort eintreffende Parlamentarier danach befragt, welche ihrer Söhne derzeit in Afghanistan für freedom und democracy ihr Leben einsetzten. Verbale Antworten gab es zwar kaum, doch die nonverbalen, die sich in den Gesichtern wahlweise als Peinlichkeit oder Aggressivität ausdrückten, waren Antwort genug. Es sollte für ein deutsches TV-Team eigentlich reizvoll sein, gleiches vor dem Bundestag zu erkunden. Wetten, dass sich aus den Kindern unserer Volksvertreter auch nicht die kleinstmögliche militärische Struktureinheit für Afghanistan aufstellen ließe? Obwohl: Allein Ursula von der Leyens sieben Kindern sind mehrheitlich im wehrfähigen Alter …