15. Jahrgang | Nummer 1 | 9. Januar 2012

Antworten

Max Uthoff, Kabarettist – Sie resümierten kürzlich: „Helmut Kohl hat sich im Zuge der Finanzkrise auch wieder zu Wort gemeldet. Das ist das Bizarre an der Euro-Krise, dass ihr Schrecken alleine noch nicht ausreicht, nein, sie provoziert auch ständig Wortmeldungen von ewig wiederkehrenden Polit-Zombies wie Erwin Teufel, Friedrich Merz, Günther Oettinger – Männer, die in einem den Wunsch erwecken, das Ganze mal mit einem Holzpflock in einer Vollmondnacht zu Ende zu bringen.“ Wir benutzen diese Gelegenheit nachzutragen, dass Sie den Förderpreis des Deutschen Kabarettpreises 2012 und den Deutschen Kleinkunstpreis 2012 in der Sparte Kabarett gewonnen haben. Mehr geht nicht. Chapeau!

Hilmar Kopper, Ex-Chef der Deutschen Bank – Den Weg vom Saulus zum Paulus hat ja schon mancher ehemalige Verantwortungsträger – besonders gern jenseits von gut und böse, also im Pensionärsstande, – angetreten. Unvergessen das Beispiel des US-Admirals Hyman Rickover, des Vaters der nuklearen U-Boot-Flotte der USA, der zugleich der am längsten aktiv dienende US-Soldat war, von 1918 bis 1982 (!), und der nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden mit 82 Jahren als Kritiker seines Lebenswerkes in Erscheinung trat. Vor einem Ausschuss des US-Senats erklärte er: „Ich würde sie (die Atom-U-Boote – die Red.) alle versenken“, und zwar wegen des Risikos eines Nuklearkrieges. Nun scheinen auch Sie sich auf den Weg gemacht zu haben. Nicht genug damit, dass Sie jüngst freimütig bekannten: „Geld, Geiz, Gier – das sind die drei großen Konstanten.“ Und beichteten: „Moral ist überall hinderlich, wo es um Wettbewerb und Erfolg geht.“ Und auf die Frage, ob Geld die Welt regiere, entgegneten: „Je älter ich werde, umso sicherer bin ich, dass das stimmt“, und das sei „eher abscheulich“. Und zu der Redensart, dass Geld nicht stinke, noch eins drauf setzten: „Falsch, Geld kann schon ganz schön stinken.“ Nein nicht genug damit! Zum kürzlichen Zugang einer Briefbombe bei Ihrem Nach-Nachfolger Joseph Ackermann klagten Sie darüber hinaus, dass bei solchen Aktionen „die Drahtzieher offenbar bereit sind, immer die ‚Falschen’ zu opfern: Sekretärinnen, Boten, Postler“. Alle Achtung, Sie wissen nun also auch, wer die „Richtigen“ sind …

Johano Strasser, Präsident des deutschen PEN – „Die inszenierte Konkurrenz um öffentliche Aufmerksamkeit ist ein reines Affentheater. Das hat mit dem notwendigen Gespräch über Literatur nichts zu tun“, haben Sie kürzlich Ihrer Verbitterung darüber Ausdruck gegeben, wie in einer „Komplizenschaft zwischen den Verlagen und dem Feuilleton“ Romane ohne sprachliche Kompetenz und Gedankentiefe „hochgejubelt“ werden. Mit Blick auf Bücher etwa von Charlotte Roche sprachen Sie von einer „vom Feuilleton geförderte(n) Emanzipation des Banausentums“. Womit Sie es treffender nicht haben sagen können.

Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Gruppe – „Wenn ich Ihnen die Frage gestellt hätte, und Sie wären ich, dann würden Sie auch die Frage nicht so beantworten, wie Ihre Frage tendenziell vermuten lässt, dass Sie gern hätten, dass ich sie beantworten würde“, haben Sie die mediale Frage, ob Sie den rund zwei Wochen später zurückgetretenen italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi für fähig hielten, die Krise in seinem Land zu lösen, in jeder Hinsicht vollendet beantwortet, was uns nicht zuletzt grammatikalischen Respekt abnötigt.

Siegfried Jacobsohn, Gründer und Herausgeber der Schaubühne und der Weltbühne – Natürlich beneiden wir Sie ganz unverhohlen um einen Mitarbeiter wie Kurt Tucholsky – und zwar nicht zuletzt, weil uns immer wieder Leseranfragen erreichen, warum wir so wenig Gedichte bringen. Denn wir haben niemanden, bei dem wir so wie Sie mit der Tür ins Haus fallen könnten: „Und nun schicken Sie noch regelmäßig und rechtzeitig jede Woche ein Gedicht – bis auf Wideruf […].“ (13.09.1919) Oder noch unverblümter: „Nachschub, Nachschub!“ (17.07.1922) Gefolgt von: „Und nun schick schöne Sachens jeder Art“ (02.08.1922). Auch haben wir keinen Bankangestellten* unter unseren Autoren, dem wir mit einem Produktionshinweis wie dem folgendem hilfreich zur Seite stehen könnten: „Solltest Du solche Gedichte** nicht trotz Bankarbeit ganz leicht verfassen können? Das müsste doch sogar während der Bankarbeit möglich sein.“ (21.08.1923) So in etwa stellen wir uns – zumindest in Sachen Gedichte – das verlegerische Paradies vor.

* – Am 1. März 1923 war Tucholsky – auf dem Höhepunkt der Inflation, „als ein schriftstellerischer Verdienst in Deutschland nicht möglich gewesen ist“ (Tucholsky in seiner eigenhändigen Vita), – bei der Bank Bett, Simon & Co. als Volontär eingetreten. Während dieser Zeit – bis Ende März 1924 – war seine schriftstellerische Arbeit stark rückläufig.

** – Bei dem in Rede stehenden Gedicht handelte es sich übrigens um das folgende:

An die Bonzen

von Theobald Tiger

Einmal waren wir beide gleich:
Beide Proleten im deutschen Kaiserreich.
Beide in derselben Luft,
beide in gleicher verschwitzter Kluft –
dieselb’e Werkstatt – derselbe Lohn –
derselbe Meister – dieselbe Fron –
Beide dasselbe elende Küchenloch . . .
Genosse, erinnerst du dich noch?

Aber du, Genosse, warst flinker als ich.
Dich drehen – das konntest du meisterlich.
Wir mußten leiden, ohne zu klagen,
aber du – du konntest es sagen.
Kanntest die Bücher und Broschüren,
wußtest besser die Feder zu führen.
Treue um Treue – wir glaubten dir doch!
Genosse, erinnerst du dich noch?

Aber heute ist Alles vergangen.
Man kann nur durchs Vorzimmer zu dir gelangen.
Du rauchst nach Tisch die dicken Zigarren,
du lachst über Straßenhetzer und Narren.
Weißt nichts mehr von alten Kameraden,
wirst aber überall eingeladen.
Du zuckst die Achseln beim Hennessy
und vertrittst die deutsche Sozialdemokratie.
Du hast mit der Welt deinen Frieden gemacht

Hörst du nicht manchmal in dunkler Nacht
eine leise Stimme, die mahnend· spricht:
„Genosse, schämst du dich nicht – ?“

Die Weltbühne, 36 / 1923

Max I. Joseph, einstiger König der Bajuwaren – Zwar war es ausgerechnet tiefer Winter, als Sie vor nunmehr 200 Jahren Münchner Brauern die Erlaubnis gaben, an ihren Lagerkellern einen Ausschank zu eröffnen – doch was für eine Großtat! Immerhin sind damit die Biergärten in unser aller Leben getreten; für das diese Einrichtungen eine der wenigen positiven Konstanten darstellen; jedenfalls wenn man von den allweil steigenden Bierpreisen abzusehen vermag. Nicht zu vergessen auch das unveräußerliche Recht, in den gelobten Biergärten Brotzeiten abzuhalten, also bei Bedarf Mitgebrachtes dort zu verzehren. Büchsenbier kommt allerdings nach wie vor nicht infrage, und da seien die braugewerblichen Schutzpatrone St. Florian, St. Augustinus und St. Bonifatius auch künftig vor.