Debatten zwischen Ost- und Westfrauen haben Konjunktur (Männer scheinen weniger Gesprächsbedarf zu haben). Maren Wurster stammt aus dem Schwabenland und studierte Philosophie, Literatur- und Filmwissenschaften, Franziska Hauser wurde in Berlin-Pankow geboren und studierte an der Kunsthochschule Weißensee. Als Herausgeberinnen leiten sie die Texte von 18 Autorinnen (und Autoren) – darunter Daniela Dahn, Kerstin Hensel und Sabine Rennefanz – mit einem spontanen Dialog darüber ein, ob sich die Unterscheidung von Ost und West nicht überholt habe. Wie die Beiträge zeigen: keineswegs. Und auch sie selbst mussten sich eingestehen, dass ihnen spontan jeweils mehr Autoren aus dem eigenen Herkunftsbereich einfallen. Genauso typisch: Für die Ostfrau war klar, dass auch Männer zu einem solchen Dialog gehören, für die Westfrau stand fest, dass sie keinen Mann fragen würde …
Bei allen Vergleichen zwischen Frauenleben in Ost und West waren sich die Herausgeberinnen jedoch darin einig, dass die spezifische gesellschaftliche Stellung der Frau in beiden Staaten politisch gewollt war und die Gesetze und Voraussetzungen fast ausschließlich von Männern gemacht worden waren. Vielfach wird festgestellt, dass sich nach dem Anschluss der DDR an die BRD andere Gruppen gegenseitig kaum derart fremd, ja feindselig wahrgenommen hätten wie Ost- und Westfrauen. Das widerspiegelt sich auch im Sprachgebrauch: Ostfrauen sind berufstätig, Westfrauen erwerbstätig. Im Westen haben 33 Prozent der Frauen zugunsten ihrer Karriere bewusst auf Kinder verzichtet, im Osten nur 0,5 Prozent. Und: „Wegen ungünstiger Witterung ist die westdeutsche Frauen-Emanzipation in die Grammatik verlegt worden“.
Ausführlich äußern sich die Beteiligten zu ihren Erfahrungen als Kind und als Mutter zu Kinderkrippen und Kindergärten und anderen Kindheitserfahrungen. Charlotte Gneuß geht auf die Reaktionen auf ihren ersten Roman ein, den sie als Westdeutsche über das Leben im Osten geschrieben hat, und begibt sich damit erneut auf das weite Feld der Deutungshoheit über gelebte Geschichte. Nadége Kusanika vergleicht das Leben in Deutschland mit dem Frausein in der Demokratischen Republik Kongo und erweitert damit den Horizont beträchtlich.
Es sind nicht nur die unterschiedlichen Erzählungen, die die Spannung dieses Buches ausmachen und zur Diskussion anregen, sondern auch Sätze wie dieser: „Klauen im Osten kommt mir unmoralischer vor als Klauen im Westen.“ Oder: Das Spießertum habe sich nach der Wende in Berlin ungebremst entfaltet.
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Annette Schuhmann, Mitarbeiterin am Leibniz-Zentrum für zeithistorische Forschungen in Potsdam, hat 13 Frauen interviewt und erzählt diese Interviews mit sparsamen Kommentaren nach. Dadurch bleiben die originalen Stimmen erhalten, ohne dass der Lesefluss durch eingeschobene Fragen unterbrochen wird. Ziel ist es auch hier zu zeigen, dass es „die Ostfrau“ nicht gibt, jedoch jede Menge spannende Biografien, Selbsteinschätzungen und Wertungen der Entwicklung bis heute. Deshalb nennt es die Autorin auch ein „Buch der Begegnungen“ mit Eigenwilligen und Eigensinnigen. Es bildet nicht nur verschiedene Geburtsjahrgänge und Regionen ab, sondern vor allem Frauen aus unterschiedlichen Landschaften. Insofern spielt deren Verständnis von Heimat ebenso eine zentrale Rolle wie der Bruch in den Biografien 1989.
Selbstverständlich geht es auch um Unterschiede. Während Frauen mit westdeutschem Hintergrund etwa ihre Kinderlosigkeit als Scheitern bezeichnen würden, sei das Nichtvorhandensein von Kindern und Familie für ostdeutsche Frauen gar kein Thema. Auch äußerten sich Westlerinnen und Westler selten offen zu (insbesondere privaten) Problemen und Schwierigkeiten, auch wenn man sich lange kenne, dies sei unter Ostlern nach wie vor anders.
Immer wieder werden Gleichberechtigung – inklusive einfacherer Scheidungsmodalitäten – und größerer Zusammenhalt zu DDR-Zeiten thematisiert und in ihrer Pauschalität ins Reich der Legenden verwiesen.
Neu war für mich die Thematisierung von Essensunterschieden, nicht nur hinsichtlich dessen, was es zu essen gab, sondern auch, wo man speiste (im Westen häufiger im Restaurant). In der DDR sei es außerdem selbstverständlich gewesen, Personen die zu Essenszeiten zu Besuch kamen, spontan auch zur Mahlzeit einzuladen.
Beide Bücher beschreiben die DDR-Wirklichkeit jenseits aller Klischees.
Franziska Hauser, Maren Wurster (Hrsg.): Ost* West* frau*: Wie wir wurden, wer wir sind. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt a.M. 2025, 253 Seiten, 22,00 Euro.
Annette Schuhmann: Wir sind anders! Wie die DDR Frauen bis heute prägt. Hoffmann und Campe, Hamburg 2025, 363 Seiten, 28,00 Euro.
Schlagwörter: Annette Schuhmann, BRD, DDR, Franziska Hauser, Frauen, Maren Wurster, Viola Schubert-Lehnhardt


