Etappe fünf unserer Bodenseeumrundung per Pedelec endet am Tag darauf nach knapp 60 Kilometern in Friedrichshafen. Gleich am Beginn jedoch steht ein Besuch auf der nur wenige Kilometer von Konstanz entfernten zauberhaften Insel Mainau. Dort ist selbst Radfahren nicht gestattet, aber zu Fuß sieht man ja auch viel mehr von diesem Blumen- und Baumparadies. Bei 24 Euro Eintritt pro Person schluckt man zwar zunächst, doch man sollte sich von diesem gesalzenen Entree nicht abschrecken lassen. Jetzt, im Frühherbst, wartet die Mainau unter anderem mit großflächiger farbenprächtiger Dahlienblüte auf. Wir müssen das Areal samt Tropenhalle und Schmetterlingshaus zwar mit etlichen der jährlich 1,7 Millionen Besucher teilen, doch nicht mit übermäßig vielen. – Hernach geht es wieder per Rad weiter nach Wallhausen zur Fähre nach Überlingen. Das erspart uns knapp 40 Kilometer durch hügeliges Gelände. Zwar sehen wir dadurch den Namensgeber des Sees, den Ort Bodman, nicht, verpassen aber, unserem Reiseführer zufolge, damit nichts wirklich Weltbewegendes.
Von Überlingen aus wählen wir nicht den direkten kurzen Weg am See entlang nach Friedrichshafen, sondern radeln durchs Hinterland, um dem legendären Bildungsbabel Schloss Salem einen Besuch abzustatten. In dieses „größte und bekannteste deutsche Internatsgymnasium“ (Eigenwerbung), auch als „Deutschlands Eliteschmiede Nummer eins“ bezeichnet, mit fast 600 Schülern lagern schwer Reiche ihren Nachwuchs aus und zwischen, um ihn auf angemessene Weise auf ein späteres Eliteleben vorbereiten zu lassen. Dieser neunjährige Prozess ist, nach 1900 Euro Aufnahmegebühr, das Schulgeld – beginnend bei 46.200 Euro per annum – hoffentlich allemal wert. An einem Donnerstagnachmittag gegen 16.00 Uhr allerdings ist das Gelände völlig frei von Edelsprösslingen – es scheint noch Schulbetrieb zu herrschen, wie Knabenköpfe hinter Fenstern im ersten Obergeschoss eines Gebäudes vermuten lassen. So können wir das sehr gepflegte Gelände der ursprünglichen einstigen Reichsabtei, der dazumal bedeutendsten und wohlhabendsten des Bodenseeraumes, deren Geschichte bereits 1134 begann, in Ruhe durchstreifen. Das gotische Münster, eine dreischiffige, im Chor fünfschiffige Basilika, ebenso wie die historische Schmiede des Schlosses. Bereits 1790 war ein erstes Gymnasium errichtet worden. An Tradition ergo kein Mangel, doch was die Alumni anbetrifft, so sind in den vergangenen Jahrzehnten wenigstens nicht alle in der Wirtschaft oder Hochfinanz, beim Militär oder in der Politik gelandet, wie die Beispiele des Models und der anderweitig Boulevard affinen Ariane Sommer und des Mimen Walter Sittler zeigen.
Der letzte Tagesabschnitt nach Friedrichshafen gebietet nun endlich auch die Erwähnung des während unseres Aufenthaltes alltäglich über dem Bodensee kreuzenden Zeppelins – eines Luftfahrzeuges, dessen Name und Geschichte untrennbar mit der Bodenseestadt verbunden ist. Darüber kann man sich im örtlichen Zeppelin-Museum gründlich und kurzweilig informieren. Und die schöne Landschaft von oben ist in einem Rundflug von 45 Minuten Dauer von Friedrichshafen aus zu beschauen. Wir haben aus Geiz darauf verzichtet – weil leider schon zu alt, um den Kinderrabatt von 20 Prozent auf den Schnäppchenpreis von 430 Euro pro Person noch in Anspruch nehmen zu können.
Die Schlussetappe unserer Tour – nochmal knapp 40 Kilometer – bringt uns schließlich zurück nach Bregenz. Nicht ohne zuvor auf einer weiteren Bodenseeinsel, der kleinen Lindau, pausiert zu haben. Deren meistbesuchte Sehenswürdigkeit ist der Hafen, dessen Einfahrt von einem monumentalen, gutmütig auf den See, die an- und abfahrenden Fahrgastschiffe und Segler sowie die nicht fernen, schneebedeckten Alpengipfel blickenden monumentalen Bayerischen Löwen und einem eher zierlichen Leuchtturm flankiert wird. Beim Streifzug durch die Sträßchen des Eilands sollte man die auf das 12. Jahrhundert zurückgehende Kirche Sankt Peter nicht links liegen lassen; sie beherbergt das wertvollste Kulturgut Lindaus – eine Passion von Hans Holbein, dem Älteren.
Zurück in Bregenz ist ein Muss die Seilbahnfahrt auf den Pfänder am Rande der Stadt. Mit 1064 Metern biete er, so das ambitionierte Marketing der Pfänderbahn, einen „einzigartige[n] Rundblick über den gesamten Bodensee und 240 Alpengipfel Österreichs, Deutschlands und der Schweiz“. Wegen dunstiger Sicht können wir leider nicht nachzählen, wohingegen das unterhalb des Gipfels in einem Gehege ruhende Rotwild klar zu erkennen ist und sich bis zur unweiten Lindau nicht minder gut blicken lässt. Der auf der dieser gegenüberliegenden Bodenseeseite das Gewässer wieder verlassende Rhein ist durch Molen ähnliche Abgrenzungen gut markiert. – Am frühen Abend endet die Inanspruchnahme der örtlichen Gastronomie mit einem formidablen Flop: Da wird im Restaurant „Kornmesser“ ein „Tatar nach Art des Hauses mit Butter und Wachtelei“ dermaßen mit Gewürzgurken vermanscht und bis knapp vor Ungenießbarkeit verwürzt, dass anschließend nur ein doppelter Grappa das Schlimmste noch verhindern kann.
Die Heimfahrt am nächsten Morgen, einem Samstag, wird durch mannigfache Staus für einen nervigen Abschluss unserer Tour sorgen. Aber das ist uns ja beim abendlichen Spaziergang zurück zu unserem Bregenzer Übernachtungsdomizil noch ebenso wenig gegenwärtig wie der leidige Sachverhalt, dass das Frühstück am nächsten Morgen in einem offenbar bis unter die Dachkante ausgebuchten Hotel in komplettem Kontrast zu unserer spürbar entschleunigten Bodenseeumrundung stehen wird …
Teil I und II dieses Beitrages sind im Blättchen 21/2022 sowie 22/2022 erschienen.
Schlagwörter: Alfons Markuske, Bodensee, Fahrrad, Pedelec