Am 14. Januar 2022 tickerte CNN: „Den USA liegen Informationen vor, die darauf hindeuten, dass Russland eine Gruppe von Agenten für eine Operation unter falscher Flagge in der Ostukraine vorbereitet hat, so ein US-Beamter am Freitag gegenüber CNN, um einen Vorwand für eine Invasion zu schaffen. Der Beamte sagte, die USA hätten Beweise dafür, dass die Agenten in urbaner Kriegsführung und im Umgang mit Sprengstoff geschult seien, um Sabotageakte […] durchzuführen. Pentagon-Pressesprecher John Kirby sagte, das Verteidigungsministerium verfüge über glaubwürdige Informationen, die darauf hinweisen, dass Russland ‚eine Gruppe von Agenten‘ in Stellung gebracht habe, um ‚eine Operation durchzuführen, die wie ein Angriff auf […] russischsprachige Menschen in der Ukraine aussehen soll‘, um einen Grund für eine mögliche Invasion zu schaffen.“
Irgendwelche Beweise für diese „glaubwürdige[n] Informationen“ wurden seitens der US-Behörden nicht vorgelegt, doch das war auch gar nicht nötig. Denn wer wüsste besser als Washington und seine Dienste, wie man „einen Grund für eine mögliche Invasion“ schafft?
Havanna 1898: Unter nie restlos geklärten Umständen explodierte im Hafen der kubanischen Hauptstadt das US-Kriegsschiff „Maine“, was Washington zum Anlass nahm, gegen die Kolonialmacht Spanien loszuschlagen, und zwar nicht nur auf Kuba, sondern auch auf den Philippinen. Beide Länder gerieten in der Folge unter jahrzehntelange US-Vorherrschaft.
Überliefert ist, dass der US-Pressetycoon William Randolph Hearst, einer der Erfinder der Yellow Press, in Erwartung eines Krieges einen Korrespondenten nach Havanna entsandt hatte. Der kabelte nach einiger Zeit, offenbar gelangweilt: „There is no trouble here. There will be no war. I wish to return.“ („Hier gibt es keinen Ärger. Es wird keinen Krieg geben. Ich möchte zurückkehren.“) Hearsts Antwort: „Please remain. You furnish the picture, and I’ll furnish the war.“ („Bitte bleiben Sie. Sie liefern das Bild, und ich werde den Krieg liefern.“) Der Zwischenfall mit der „Maine“ gerann in der Hearst-Presse zur Schlagzeile: „Remember the Maine, to hell with Spain“ („Erinnert euch an die Maine, zum Teufel mit Spanien“).
Golf von Tonking, 1964: Dass die USA immer direkter in den seit 1956 laufenden Vietnamkrieg verstrickt waren, pfiffen in jenem Jahr nicht nur in Washington die Spatzen längst von den Dächern. Da passte es gut, dass am 2. und 4. August im Golf von Tonking nordvietnamesische Schnellboote „ohne Anlass“ US-Kriegsschiffe attackierten. Drei Tage später verabschiedete der US-Senat die sogenannte Tonking-Resolution und bevollmächtigte den damaligen US-Präsidenten Johnson zum offiziellen Kriegseintritt gegen Nordvietnam. Johnsons Verteidigungsminister, Robert McNamara, gestand später in seinen Memoiren: der Tonking-Zwischenfall war gefakt.
Washington, 1990: Nach der Eroberung Kuwaits durch irakische Truppen gab eine kuwaitische Hilfskrankenschwester bei einer Anhörung im US-Kongress zu Protokoll: „Ich habe gesehen, wie die irakischen Soldaten mit Gewehren in das Krankenhaus kamen […], die Säuglinge aus den Brutkästen nahmen, die Brutkästen mitnahmen und die Kinder auf dem kalten Boden liegen ließen, wo sie starben.“ Hernach zitierte der damalige US-Präsident und vormalige CIA-Chef George H. W. Bush diese Begebenheit um die zehn Mal, was die von ihm befohlene Rückeroberung Kuwaits durch US-Truppen in ein entsprechendes Licht rückte. Inzwischen ist bekannt, dass die „kuwaitische Hilfskrankenschwester“ eine Tochter des damaligen kuwaitischen Botschafters in den USA und Kanada war und die ganze Geschichte ein Coup der PR-Agentur Hill & Knowlton. Indizien legen überdies den Verdacht nahe, dass die Strippen bei dieser Aktion direkt aus dem Weißen Haus gezogen wurden.
New York, 2003: Im Februar legte US-Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat Beweise für die Produktion chemischer Massenvernichtungsmittel im Irak vor, um ein UN-Mandat für einen weiteren Krieg unter US-Führung gegen das Land zu erwirken. Dieser Coup schlug fehl, doch der damit völkerrechtswidrige Angriff der USA und ihrer Koalition der Willigen fand trotzdem statt. Chemische Massenvernichtungsmittel wurden bekanntlich nicht gefunden, weil sie nie existiert hatten, was im Westen – so etwa auch der damaligen Bundesregierung – bekannt war. Colin Powell nannte seinen UN-Auftritt später den „Schandfleck meiner Karriere“.
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