23. Jahrgang | Nummer 15 | 20. Juli 2020

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von Jan Opal, Gniezno

Staatspräsident Andrzej Duda erhält weitere fünf Jahre im Amt. Polens Wahlvolk hat so entschieden, denn auf den Amtsinhaber entfielen am 12. Juli des Jahres 10,4 Millionen Stimmen. Der liberale Herausforderer Rafał Trzaskowski erreichte glatte 10 Millionen Stimmen, auch dies eine schwindelerregende Zahl, selbst wenn sie nicht ausreichte, um Duda zu schlagen. Das Ergebnis von 51 zu 49 Prozent der abgegebenen Stimmen ist denkbar knapp, doch nur einer der beiden konnte den Platz als Sieger verlassen. Dennoch sei vermerkt, dass der Wahltag wieder einmal den Graben exemplarisch unter Beweis gestellt hat, der das Land politisch seit vielen Jahren teilt und trennt, der zudem immer tiefer zu werden scheint. Und Brücken über diesen Abgrund werden kaum noch geschlagen.

Duda holte die Stimmen auf dem Dorf, zwei Drittel standen am Ende zu Buche. Im ländlichen Raum wohnen immerhin 40 Prozent der Gesamtbevölkerung, eine Menge Wahl-Holz. Bei denjenigen, die noch aktiv in der Landwirtschaft tätig sind, das sind immerhin noch 15 Prozent aller Beschäftigten, kam Duda sogar auf einen Wert von über 80 Prozent. Zwei Drittel der Stimmen holte Duda bei den Menschen im Rentneralter. Während zu früheren Zeiten Oma und Opa häufig wählten, um vor allem den Enkelkindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen, zeigen sie sich heuer nahezu emanzipiert – sie schauten strikter auf das eigene Interesse. Das nationalkonservative Regierungslager hatte bereits im letzten Jahr den wirksamen Köder ausgeworfen und mit einer zusätzlichen Rentenauszahlung in Monatshöhe gelockt. Das hat auch diesmal funktioniert, obwohl längst noch nicht ausgemacht ist, ob wegen der Corona-Krise das Versprechen gehalten werden kann. Und Duda hat schließlich territorial dort die Nase vorne, wo die Landwirtschaft besonders kleinteilig und die katholische Kirche besonders fest verwurzelt ist – in der Mitte, im Osten und Südosten des Landes.

Dem Herausforderer gehörten die großen Städte, dort holte er nun seinerseits zwei Drittel der abgegebenen Stimmen. Auf einen ähnlich hohen Wert kam er auch bei der Wählerschaft der unter 30-jährigen. Territorial besehen schnitt er besser im Norden, Westen und Südwesten ab. Während Duda sich strikt nationalkonservativ präsentierte, also fortwährend die Souveränität des Landes beschwor und die angeblich unter Druck geratene nationale und christliche Identität verteidigen wollte, stellte Trzaskowski entschieden den in die Zukunft gerichteten Bogen heraus, ein modernes, weltoffenes und selbstbewusstes Polen, das zu einem Motor werde für jenen Prozess, der mit Integration der Europäischen Union umschrieben wird.

Bei einem ersten Blick auf die Wahlkampagne stellte Aleksander Kwaśniewski, der 1995 bei seinem Fight gegen den damaligen Amtsinhaber Lech Wałęsa wahrlich nicht wenig einstecken musste, unumwunden fest, dass er noch nie eine solche hasserfüllte Brutalität erlebt habe, wie sie in den von den Nationalkonservativen vollständig kontrollierten und beherrschten öffentlich-rechtlichen Medien gegen Trzaskowski gerichtet war. Die ab 2015 erfolgte politische Gleichschaltung der zentralen Fernseh- und Radioprogramme wurde im Kaczyński-Lager stets mit dem windigen Argument verkleistert, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk ja überall die Aufgabe habe, dem Volk die Regierungspolitik zu erklären. Nun steigerte sich die giftige Angriffswut auf die Opposition noch einmal, weil, wie schnell erklärt wurde, die Meinungspluralität im Lande gesichert werden müsse, denn schließlich würden alle anderen ihrerseits auf Duda einschlagen.

Dem Herausforderer wurde also frank und frei unterstellt, Polen vernichten zu wollen, Landesverrat zu begehen, ausländischen (vor allem deutschen) sowie jüdischen Interessen in die Hände zu spielen, die christlichen Fundamente unserer Zivilisation mutwillig zu untergraben und damit die traditionelle Familie in Polen zu gefährden. Trzaskowski stieg in der Wahlkampagne der Nationalkonservativen plötzlich auf zum personalisierten Feind Polens, löste damit Donald Tusk wirksam ab, der ja ohnehin nach „Europa“ weggelaufen sei. Und Leute, die an der Spitze der Duda-Kampagne standen, machten noch am Wahlabend dem wiedergewählten Staatspräsidenten unmissverständlich klar, wem er den Sieg zuzuschreiben habe – in erster Linie Kaczyński und den von diesem auf Vordermann gebrachten Staatsmedien.

Was Kaczyński mit diesem Sieg anfangen wird, ist noch nicht ausgemacht. In ersten Stellungnahmen faselte er etwas von der „Repolonisierung“ der privaten Medien, die nun zügig angegangen gehöre, denn die Kampagne habe gezeigt, welche gefährlichen und polenfeindlichen Parolen hier unter das Volk gebracht würden. Zugleich pochte er darauf, dass die nationalkonservative Revolution, die 2015 begonnen habe, nun zu vollenden sei. Man mag hier abwinken und verniedlichend von einem bloßen „Umbau“ des Staates sprechen, den Kaczyńskis Nationalkonservative nun weiterzutreiben suchten, doch die gewiesene Richtung sollte sehr ernst genommen werden, auch wenn viele Beobachter bereits einwerfen, dass Kaczyński sein Pulver nun verschossen habe.

Insofern sind jene 10 Millionen Stimmen für „Volksfeind“ Trzaskowski ein ermutigendes Zeichen – der Niederlage zum Trotz. Kwaśniewski meinte gar, nun habe die demokratische Opposition eine natürliche Führungsgestalt, ein Gesicht, so dass sich bereits jetzt eine neue Perspektive anbiete für die 2023 wartenden nächsten Parlamentswahlen. Andererseits gibt es warnende Stimmen, denn die hohe Mobilisierung der Wählerschaft in den zurückliegenden Wochen lasse sich kaum über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten. Tatsächlich wird das politische Leben Polens wohl wieder abgekühlter werden und zurückfluten in die alltäglichen Mäander von Parteipolitik. Das gilt übrigens für beide Seiten, denn hier wie dort könnte es in den kommenden Monaten zu größeren Veränderungen kommen. Kaczyński sprach bereits vorbauend davon, nun die Wahlsiege bis 2030 in den Blick zu nehmen. Auf sein höher werdendes Alter angesprochen, meinte er vielsagend, dass es üblich sei, den Staffelstab rechtzeitig weiterzugeben, doch gebe es besondere Situationen, in denen es wiederum ratsam scheine, den Stab doch noch eine Weile selber zu tragen.