22. Jahrgang | Nummer 16 | 5. August 2019

Bemerkungen

Eva Kaufmann zum Gedenken

Am 18. Juli 2019 ist Eva Kaufmann gestorben. Sie war eines unserer aktivsten Mitglieder der Brigitte-Reimann-Gesellschaft (BRG) und von Anfang an dabei, in den mit dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik ausgelösten Debatten über das Bleibende, geschichtlichen Erfahrungen mit intellektuellem Sachverstand klar und unmissverständlich eine Stimme zu geben. Zu ihrem 70.Geburtstag im Jahr 2000 wurde vom Literaturzentrum Neubrandenburg e.V. der Band „Aussichtsreiche Randfiguren. Aufsätze“ mit Radierungen von Nuria Quevedo herausgegeben. Dafür wählte sie ein Gedicht von Brigitte Struzyk als Motto:

Schlucks runter und
Kopf hoch!
Noch ist der Mond
Gespannt auf
Unsere Bahn.

In dem mit Carola Opitz-Wiemers für diesen Band geführten Gespräch fasste sie ihren eigenen Bildungsweg zusammen: vom Beginn als eine der ersten Absolventinnen der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät 1949 über ihre Überlegungen, Dolmetscherin zu werden bis zum Abschluss des Germanistik-Studiums 1955 und schließlich zur Professorin an der Humboldt-Universität Berlin: „1965 Promotion mit einer Dissertation über Arnold Zweig. Nach 13 Jahren Assistenz bekam ich 1968 eine Oberassistentenstelle; 1973 Promotion B bzw. Habilitation zur deutschen Literaturgeschichte 1917–1923. 1975 wurde ich zur Dozentin berufen und 1977 zur Ordentlichen Professorin, zunächst für Neuere Deutsche Literatur. 1979 bekam ich den neueingerichteten Lehrstuhl für Vergleichende Literaturwissenschaft. Diese Entwicklung hing nicht zuletzt damit zusammen, dass in den 70er Jahren die Frauenförderung ernst genommen wurde.“
Die Chance, die ihr auf diesem Lehrstuhl mit vergleichender Perspektive gegeben wurde, hat Eva Kaufmann mit weiten Blick auf außereuropäische Autorinnen und Autoren genutzt. Im Nachhinein fühlte sie sich bestätigt, dass Autoren, auf die sie in den Vorlesungen hingewiesen hatte, den Nobelpreis für Literatur bekamen wie Kenzaburo Oe 1994 und Wole Soynka 1986 und Rigoberta Menchu aus Guatemala den Friedensnobelpreis.
Was für uns als nachfolgende Generation von Wissenschaftlerinnen wichtig war und ist, insbesondere für unser Vorhaben, mit der BRG e.V. dazu beizutragen, dass die Literatur der schreibenden Frauen der DDR nicht verloren geht, das sind die Aufsätze, Vorträge, Vorlesungen von Eva Kaufmann zur Literatur von Schriftstellerinnen wie Irmtraud Morgner; Brigitte Reimann, Brigitte Burmeister, Christa Müller, Helga Königsdorf, Christa Wolf, Brigitte Struzyk und ihre Arbeit für Anna Seghers im Rahmen der kommentierten Werkausgabe des Aufbau-Verlages Berlin.
In dem 1997 zusammen mit Ursula Schröter und Renate Ullrich herausgegebenen Band „,Als ganzer Mensch leben’. Lebensansprüche ostdeutscher Frauen“ hatte Eva Kaufmann in der Einleitung geschrieben: „Gerade jetzt, nach dem Kollaps des Sozialismus und den frischen Erfahrungen mit einem überaus rabiaten Kapitalismus ist es aufschlußreich, einige literarische Werke von Autorinnen der DDR neu anzusehen, die [?] für die (Selbst)Verständigung vieler Frauen großes Gewicht erlangt hatten. Diese Literatur ist selbst Produkt und Agens eines bei allen Widersprüchen und Defiziten bemerkenswerten Emanzipationsschubes.“ Und Eva Kaufmann selbst war Akteurin in diesem Emanzipationsprozess.
Wir Nachfolgenden haben ihr dafür zu danken.

Margrid Bircken

Fürstenabfindung

Im Kriege stand in Berlin ein Blinden-Lazarett, in dem lagen die unglücklichsten der Soldaten. Das besuchte von Zeit zu Zeit die Frau eines Hohenzollernprinzen, huldvoll lächelnd und stramm begrüßt von den klirrenden Stabsärzten. Die hohe Frau ging von Bett zu Bett und richtete Ansprachen an die Blinden. Gut, und was noch –? Sie verteilte. Nämlich –?
Ihre Photographie mit Unterschrift.
Verlorenes Augenlicht kann nicht wiederkommen. Aber wenn das deutsche Volk noch einen Funken Verstand hat, dann gibt es für die blinden Kameraden eine andre kleine Ansichtskarte mit Unterschrift ab: einen Stimmzettel.
Als Dank, Quittung und Anerkennung für ein taktvolles Fürstenhaus.

Ignaz Wrobel (1926)

Keiner von Vielen

Was vor gut zwanzig Jahren als ein Ein-Mann-Musik-Projekt, quasi die kreative Nebentätigkeit eines Zivildienstleistenden, begann, hat sich zwischenzeitlich zu einem formidablen professionellen Musikband-Projekt gemausert. Die Allgäuer Band um den Namensgeber Rainer von Vielen hat sozusagen aus zwei Heimspielen (Live-Konzerte in Kempten und Stuttgart) eine akustische Werkschau besonderer Art auf CD geb(r)annt.
Mit dem Gastmusiker Michael Engel am Cello bekommen ihre Songs mehr Tiefenwirkung. Die akustische Fokussierung geben den ausgewählten Liedern einen kammermusikalischen Charakter. Während die E-Gitarre ausgestöpselt ist, bekommen Mundharmonika, Kontrabass, Cello und Klavier eine tragende Rolle und die Texte gewinnen an Ernsthaftigkeit und Eindringlichkeit. Es sind keine akademischen Gedankenkinos, vielmehr Texte, die zwischen melancholisch und albern, tiefschürfend und spontan wechseln. Das einzig bisher unveröffentlichte Lied des Albums ist übrigens ein von RVV vertontes Werk von Bertolt Brecht: „Gegen Verführung“. Die Widerborstigkeit gegen die zeitgeistige Engstirnigkeit wird nicht nur mit Ernst und Tiefenschwere begegnet; die so oft beschworene Metapher „Die Seele baumeln lassen“ wird beispielsweise sprachspielerisch karikiert.
Insofern mag dann der schlussendliche Kalauer erlaubt sein: Die Band „Rainer von Vielen“ ist keiner von vielen!

Thomas Rüger

Rainer von Vielen: Alles mit Allem. CD, Ebenso Musik / Broken Silence 2019, 16,00 Euro.

Lärm

Die neue Ausgabe der Wiener Streifzüge beschäftigt sich mit Lärm. Maria Wölfingseder führt das Thema ein mit einem Zitat von Robert Koch: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest.“
Sie stellt fest, dass sich seit der vorletzten Jahrhundertwende der Lärm zwar stark verändert habe, aber uns immer noch beschäftige. Hingen wir in den 1950er Jahren an einer „akustischen Leine“ (Günther Anders), so sei in Zeiten von Handy, Bluetooth-Box und flächendeckendem Gedudel geradezu ein akustischer Käfig geworden. Was hat es mit der „akustischen Freiheitsberaubung“, die Anders feststellte, auf sich? Inwiefern hat Hören eine „Dimension der Unfreiheit“, die zu Konformismus und Selbstversklavung führe?
Wölflingseder fragt warum die massenhafte Gesundheitsgefährdung durch Zwangsbeschallung aller Art nicht einmal problematisiert – und warum lassen wir uns das gefallen? Verschiedene Autoren gehen diesen Fragen nach, so Götz Eisenberg mit „Vom Recht auf Stille“, Franz Schandl „Im Kontinuum des Lärms“ und Maria Wölflingseder schreibt „Wider die akustische Hörigkeit“ an.

mvh

Die Artikel können online über die Website der Streifzüge sowie per Abonnement in gedruckter Form gelesen werden.

Das Glück der Verwandlung

„Für mich verwandelte sich alles in dem Moment, wenn Professor Richter zu sprechen begann. Seine leise angenehme Stimme zog mich sofort in den Bann. [. . .] Was er sagte, versetzte mich in einen Zustand absoluten Glücks, von der Kopfhaut bis zu den Fußspitzen war mein Körper davon erfüllt.“ Diese Liebeserklärung an den 2017 verstorbenen Jenaer Hochschullehrer Hans Richter aus der Feder der Schriftstellerin Sigrid Damm findet sich zwar erst am Ende des Bandes „Ringend mit sich und seiner Zeit“, doch taucht sie das zuvor Gelesene noch einmal in ein zauberhaftes Licht. Der ehemaligen Germanistik-Studentin, die mit ihren Büchern über das Weimarer „Viergestirn“ Wieland, Herder, Goethe und Schiller selbst ein gutes Stück Literaturgeschichte geschrieben hat, gelingt eine vorzügliche Charakterstudie von jenem Anreger und Förderer, der sie geprägt und gedanklich begleitet hat. Man sieht ihn lebhaft vor sich, wenngleich seine besondere Art zu formulieren noch deutlicher aus jenen eigenen Texten spricht, die Aufnahme in das von Harald Heydrich und Ulrich Kaufmann herausgegebene Erinnerungsbuch gefunden haben.
Erinnerung findet hier auf dreierlei Art statt: Es wird an einen bedeutenden Literaturwissenschaftler erinnert, dessen Beschäftigung mit Dichtern wie Franz Fühmann, Rainer Maria Rilke und Johannes R. Becher an Selbstauseinandersetzung grenzte.
In autobiografischen Texten und eingeschobenen Interviews erinnert sich Hans Richter an seine böhmischen Wurzeln und den gesellschaftlichen Aufbruch in der DDR, der ihn lange mit Hoffnung und zuletzt mit bitterer Enttäuschung erfüllte. Und Weggefährten – darunter neben Sigrid Damm auch Armin Müller und Günter Rücker – erinnern zudem schreibend an sein Lebenswerk.
Freilich faszinieren vor allem die erstmals aus dem Nachlass publizierten Texte, in denen Richter akribisch seinen „Existenz-Gründen“ nachgeht. Die meisterhaft erzählte Kindheitsgeschichte „Mein 10. Geburtstag oder: Hitler kam, sprach und . . .“ gewinnt fast Rilkesches Format. Die Widersprüche, die den Hochschullehrer der 60er- bis 80er-Jahre umtrieben, werden in den Interviews deutlich, in Sätzen wie: „Wollte ich mit Fühmanns Strenge gegen mich vorgehen, müsste ich mich für gescheitert erklären“, denen aber sofort nachgerufen wird, dass er lieber Brechts Herrn K. parodiere: „Ich hatte viel Mühe mit der Vorbereitung und Ausführung meiner Irrtümer, möchte aber meinen, nicht alle Mühen und alle Folgen seien sinnlos oder gar vom Übel gewesen.“ Im Gegenteil, dieser zur rückhaltlosen Analyse wie auch zu heiterer Selbstironie fähige, mit sich und seiner Zeit Ringende, den zu erleben auch ich ein paar Jahre das Vergnügen hatte, hat Spuren hinterlassen – in seinen Texten über Literatur und Leben wie auch in der Germanistik. Und in diesem Lesebuch der besonderen Art.

Frank Quilitzsch

Harald Heydrich / Ulrich Kaufmann (Hg.): Ringend mit sich und seiner Zeit. Texte von und über Hans Richter, quartus-Verlag, Bucha bei Jena 2019, 252 Seiten, 19,90 Euro.

Moskau und Varna

Wenn die sogenannten Blockbuster das Sommerwetter meiden, finden kleinere Filme ihren Platz in den Spielplänen. Wann kommt schon mal ein Film aus Osteuropa in unsere Kinos? Meist sind sie nur auf Festivals zu sehen. Zwei Berlinale-Beiträge schaffen es jetzt im August ins Kino, und es lohnt sich, einen Blick auf die in unseren Medien unterrepräsentierten Welten zu werfen.
„Acid“ nennt der deutsche Verleih den russischen Film „Kislota“, zu Deutsch Säure. Es ist das Regiedebüt des jungen Schauspielers Alexander Gortschin. Mittzwanziger in Moskau üben sich im Müßiggang, versuchen sich in Kunst, experimentieren mit Drogen. Einer von ihnen stürzt sich im Drogenrausch nackt vom Balkon. Sascha (Filipp Awdejew) und Pjotr (Alexander Kusnezow) stehen im Mittelpunkt dieses Porträts einer Clique. Dass sie vaterlos aufwuchsen ist ein Sinnbild für die Orientierungslosigkeit des Lebens im neuen Jahrtausend. In einem Maleratelier nimmt Pjotr einen Schluck von einer Säureflasche und kann fortan nicht mehr sprechen – eine allzu deutliche Metapher für die Sprachlosigkeit der Gesellschaft. Seinen Debütfilm hat Gortschin erstaunlich konventionell inszeniert. Abgesehen von Meinungsverschiedenheiten in der Clique und lästigen Forderungen der Elterngeneration gibt es nichts, woran sich die jungen Leute reiben könnten. Das scheint ihr Problem zu sein. Doch auf gewagte filmische Mittel wartet der Zuschauer leider vergebens. Trotzdem ist „Acid“ ein interessantes Zeitbild aus dem heutigen Moskau.
Unspektakulärer kommt der Dokumentarfilm „Die Grube“ daher, und doch erzählt er ganz sachte viel über den Alltag und die politische Situation in Bulgarien. Die in Varna geborene und aufgewachsene Regisseurin Hristiana Raykowa hat in Deutschland Filmregie studiert (zuletzt an der Babelsberger Filmuniversität) und ist für den Film in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. Hier gibt es eine Thermalquelle mit einem Schwimmbecken, „Grube“ genannt, ein Terrain, das man bei freiem Eintritt besuchen kann. Viele wenig betuchte Bürger von Varna nehmen das gern in Anspruch, doch eine Veränderung liegt in der Luft.
Die Regisseurin porträtiert einzelne Stammbesucher der Grube liebevoll. Da ist der Musiker Alexander, der einst in vielen Ländern herumkam und manch Frauenherz brach. Der unternehmungslustige Genadi hat den ersten Streichelzoo Bulgariens ins Leben gerufen. Er soll ihm genommen werden, und Genadi ist für einen schmerzhaften Schnitt bereit und will Bulgarien verlassen. Der obdachlose Bobi gehört zur überall ungern gesehenen Minderheit der Roma, und er macht das deutsche Filmteam mit der Stricherszene bekannt, die nachts die Grube als Treffpunkt nutzt. Man hört Lebensgeschichten, erfährt von der Verbundenheit der Menschen mit der Grube, und bekommt mit, dass Drangsalierungen zum Alltag gehören. Der Film dokumentiert, will nicht werten, aber wie er das den Zuschauern überlässt, ist auch eine Wertung.

F.-B. Habel

Acid (Kislota; Säure), Regie Alexander Gortschin, Verleih Edition Salzgeber; Die Grube, Regie Hrstiana Raykowa, Vertrieb Filmuniversität Babelsberg; beide Filme ab 8.8. in ausgewählten Kinos, in Berlin im Kino Krokodil.

Krautgetöne von Ronja Räubertochter

Ist es frauenfeindlich, wenn man feststellt, dass die nicht männlichen musikalischen Spezies im Pop, Soul und vor allem im jammernden Jazzbereich anzutreffen sind? Wann schreit schon mal eine Frau ihren Weltschmerz heraus, wann krächzt und grunzt sie zu todesmutigen Melodien, zupft die Gitarre mit Mordslust im Tal der Haudrauf-Genossen oder spielt avantgardistisches Zeugs, das mit selbst gebauten und in Reihe geschalteten Instrumenten erzeugt wird? Es sind nur Wenige die es wagen, fremdartigen Beat durch die Boxen zu jagen. Zu ihnen gehört die 1988 in der nicht existierenden Stadt Bielefeld geborene Musikerin, Künstlerin, Komponistin und Sängerin Fee Ronja Kürten. Mit zahlreichen Kollaborationen und musikalischen Auftragsarbeiten fürs Theater machte sie bereits auf sich aufmerksam, bevor sie das Soloprojekt Tellavision gründete. Das ist nun auch schon wieder 12 Jahre, drei Alben und zwei EPs her. Mit ihrem vierten Werk knüpft sie nahtlos an ihren individuellen Stil an, der eigenartig, körperergreifend, maschinenhaft-motorisch ist. Sie singt über die Ängste, initiiert mit beseeltem Spiel und scharf geschnittenem Klangbildern deren Lösung: „you can`t walk on water / but you can swim in it / the coast is clear / add land from here“. Es handelt sich bis zum Schluss um einen krautigen Trip, der einzigartig durch die deutsche Musiklandschaft steuert, mit futuristischem Sound gegensteuert und Ronja Räubertochters expressionistische Stimme in den Vordergrund pumpt. Hört man da bei „Gone To Stay“ etwa die schlecht gelaunte Kate Bush, oder gar durch weitere Songs Björk randalieren? Doch nein, da ist das ultra-melodiöse Lied „Matchbox“, das sogar zu einer spontanen Party verleitet, da sich die Musik permanent aufbaut, dann zusammenfällt und schließlich zu den sanften Anfangstönen zurückkehrt.
Tellavision ist eine Klangerfinderin, die neben dem Krautgetöne Techno und Noise einfließen lässt, sich selbst im Chor begleitet und den Mut zum neuen Anfang („Hat Makers“) beschert. Das ganze Album scheint von erhaschten Stimmungen geprägt zu sein oder als würden kleine Phantomgeister mit Perkussionsinstrumenten den avantgardistischen Sound in Schutt und Asche legen, während ihnen bewusst wird, dass sie dazu die Beine und den Kopf bewegen müssen. Dreizehn Songs klingen wie ein Produkt vieler zeitgenössischer Musiker, wie Klänge von Existenzen, die aus dem Inneren der tönenden Dimension den immer noch den Markt überschwemmenden Popschlager an das Kreuz des schlechten Geschmacks nageln.

Thomas Behlert

Tellavision: Add Land, Bureau B. 2019, CD 16,90 Euro.

Blätter aktuell

Nach dem Mord an Walter Lübcke sprechen viele von einer „neuen Qualität“ rechter Gewalt. Das aber zeugt davon, wie sehr die Gefahr von rechts jahrelang unterschätzt wurde. Tatsächlich existieren schon lange militante Strukturen, wie der Journalist Martín Steinhagen am Beispiel von „Combat 18“ zeigt. Und auch der NSU-Komplex ist alles andere als restlos aufgeklärt, so der Autor Thomas Moser. Rechte Terroristen können sich daher nach wie vor auf funktionierende Netzwerke verlassen.
Der SPD gelang es einst meisterhaft, verschiedene Milieus durch große Erzählungen zu vereinen, etwa die von der Demokratisierung von Politik und Wirtschaft. Doch die Erzählungen, und damit auch eine konkrete Utopie, sind ihr abhandengekommen, konstatieren die Politikwissenschaftler Felix Butzlaff und Robert Pausch. Deswegen bleibt die SPD in einer für sie existenzbedrohenden Krise vor allem eines: sprachlos.
Noch lange Zeit nach dem Ende der Militärdiktatur 1983 herrschte in Argentinien ein Pakt des Schweigens, der eine juristische Aufarbeitung der massiven Verbrechen verhinderte. Das jedoch hat sich inzwischen gewandelt, so Daniel Rafecas, Bundesrichter am Obersten Gerichtshof Argentiniens. Er zeichnet nach, wie die Täter doch noch belangt werden konnten – und so die Ohnmacht der Gesellschaft überwunden wurde.
Dazu weitere Beiträge, unter anderem: „‚Der Osten steht auf‘: Die AfD als Führerpartei“, „Plastik global: Die große Recyclinglüge“ und „Ebola im Kongo: Die ignorierte Epidemie“.

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Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, August 2019, Einzelpreis: 9,50 Euro, Jahresabonnement: 79,80 Euro (Schüler & Studenten: 62,40 Euro). Weitere Informationen im Internet.