19. Jahrgang | Nummer 18 | 29. August 2016

Schatz, wie loyal bist du?

von Pearl Ann Ziegfeld

Was ist denn das für eine Frage?
Angela Merkel will, dass jetzt alle türkischstämmigen Menschen, die schon lange hier wohnen, ein hohes Maß an Loyalität zeigen. Dann will sie sich auch bemühen, sie zu verstehen.
Ja und?
Ich will auch von der Merkel verstanden werden. Also habe ich einen Loyalitätstest gemacht. Online. Bei der Freundin.
Das ist doch Unfug.
Wieso? Ich habe prima Noten gekriegt. Loyalität zwischen 40 und 70 Prozent. Laut Testzusammenfassung bin ich gerne loyal, aber nicht, ohne zu hinterfragen. Das sei der „womöglich beste Weg, den man auf dem Pfad in Richtung Loyalität einschlagen kann.“ Stand da, wortwörtlich.
Na, ich weiß nicht. Soweit ich mich erinnere, ist Loyalität bedingungslos.
Das kann schon sein, aber das war anno dunnemals und damals ging es um den Papst. Da wurde Loyalität mit Hörigkeit verwechselt.
Schatz, mach es nicht komplizierter, als es ist. Loyalität heißt nichts anders, als sich an Recht und Gesetz zu halten.
Bei den Franzosen vielleicht – im Deutschen schwingen Vertrauen und Treue und auch eine große Liebe zum eigenen Land mit.
Das kann man gar nicht verlangen, nur geben.
Schatz, leg doch nicht alles auf die Goldwaage. Jeder weiß doch, was gemeint ist, wenn die Merkel von diesen Leuten Loyalität fordert.
Da bin ich mir ganz und gar nicht sicher. Nach muslimischem Glauben bedeutet Loyalität auch, immer das zu tun, was das Beste für den Staat ist. Da soll man zum Beispiel nicht die Leute oder die Partei wählen, die man mag, sondern – so wörtlich – „welcher Kandidat oder welche Partei der gesamten Nation zum Fortschritt verhelfen würde.“
Wer sagt denn so was?
Der Fünfte Kalif. Bei der Bundeswehr. In Aachen.
Was hat denn der Fünfte Kalif mit unseren Deutschtürken zu tun?
Wahrscheinlich nichts. Aber wir haben demnächst Wahlen und ich bin sicher, dass Mutti nach möglichst vielen Stimmen giert. Weil sie doch gut ist für das Land …
Schatz, Merkel will doch bloß, dass die Deutschtürken, die hier leben, sich Deutschland verbunden fühlen. Das ist doch das Mindeste, was man erwarten kann.
Vielleicht erwarten die auch was von uns. Dass wir aufhören, Deutschtürken zu sagen, zum Beispiel.
Vielleicht hatte die Merkel genau das im Sinn: Unsere türkischstämmigen Mitbürger zeigen viel Loyalität und im Gegenzug wird sie sich bemühen, deren Anliegen zu verstehen. Und am Ende gewinnen alle. Ist doch Spitze, oder?
Also ich möchte wissen, ab wie viel Loyalität sich die Kanzlerin um Verständnis bemühen muss. Bei mir, bei den Zugewanderten, bei jedem, der hier lebt. Das muss man schon genau regeln. Wir sind schließlich hier in Deutschland.