18. Jahrgang | Nummer 1 | 5. Januar 2015

Antworten

Dr. Ian King, Erster Vorsitzender und Gründungsmitglied der Kurt-Tucholsky-Gesellschaft – In der Reihe der „Münzenberg-Lektionen“ werden Sie am 12. Januar einen Vortrag unter dem Titel „Hol dir dein Recht im Klassenkampf!“ Tucholsky, Münzenberg und die Arbeiter Illustrierte Zeitung halten. Ort der um 18.30 Uhr beginnenden Veranstaltung kurz nach Tucholskys 125. Geburtstag am 9.1. 2015 ist der Münzenberg-Saal des ND-Gebäudes am ostbahnhofnahen Franz-Mehring-Platz in Berlin; der Eintritt ist frei und Interessenten herzlich willkommen.

Claus von Wagner, der aus der Anstalt – Zur sächsischen Xenophobie-Sturzgeburt „Pegida“ (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) erläuterten Sie jüngst: „In Sachsen, da leben 2,2 Prozent Ausländer, nur ein kleiner Teil davon Muslime. Das ist, als hätten wir in Deutschland Angst vor der FDP.“
Herr Wagner, bitte etwas mehr Empathie mit den Opfern! Die Sachsen haben seit dem Dreißigjährigen in jedem Krieg auf der falschen Seite gestanden. Dort wird man als Einheimischer seit Jahrhunderten quasi mit der Arschkarte als notorischer Verlierer im Gepäck geboren. Dieser Dampf muss doch auch mal abgelassen werden können dürfen …

Christian Bommarius (Berliner Zeitung), der mit der scharfen Feder – Einmal mehr haben Sie den Finger direkt in die Wunde gelegt. Nachdem der Berg gekreißt und nun ein Mäuslein geboren hat. 15 Jahre währten die Debatten im Bundestrag um eine Karenzzeit für ausscheidende Politiker, auf dass diese nicht blitzartig in die Wirtschaft wechseln und sich ihre vorherige Arbeit für diese und ihre besten Kontakte in die Politik schamlos versilbern lassen. Pofalla (CDU), von Klaeden (CDU) und Bahr (FDP) sind nur die jüngsten Beispiele in einer schier endlosen Reihe. EU-Kommissare müssen inzwischen 18 Monate pausieren, bevor sie lukrative Nachfolgejobs in Unternehmen antreten. Lobbycontrol verlangt sogar drei Jahre. Der jetzt dem Bundestag vorgelegte Gesetzentwurf begnügt sich mit einer Regelkarenzdauer von einem Jahr. Damit werde, schreiben Sie, der in weiten Teilen der Bevölkerung bestehende Argwohn, „willfährige Amtsträger würden nachträglich für ihre Dienstleistungen im Sinne der Wirtschaft entlohnt, […] nicht nur nicht beseitigt, sondern geradezu bestätigt“. Und: „Karenzzeiten sollen Abklingbecken für Politiker sein und keine Planschbecken.“ Das mag daran liegen, dass viele Politiker oder sogar die meisten inzwischen Nichtschwimmer sind, also in ethisch-moralischer Hinsicht nicht einmal Träger des bronzenen Seepferdchens.

Marcus Eriksen, Leiter einer US-Studie in SachenVermüllung und Vergiftung der Weltmeere – 269.000 Tonnen Plastik schwimmen weltweit in den Ozeanen, haben Sie und Ihre Kollegen erforscht und errechnet. Etwa 38.000 Lastwagen ließen sich damit locker füllen. Zählt man, wie das Umweltprogramm der Vereinten Nationen dazu noch die auf den Meeresboden abgesunken Teilchen hinzu, seien eher gar 142 Millionen Tonnen zu veranschlagen. Das alles reicht zwar nicht immer, um endlich auch den Menschen mit der Fähigkeit, schadlos über das Wasser gehen auszustatten, aber die Menschheit ist auf hoffnungsvollem Wege. Nach uns die Sintflut – auch wenn diese wesentlich aus Plastikmüll bestehen wird.

Jeb Bush, am überseeischen Firmament dräuende Drohung – In der Nachfolge Ihres Vaters George H.W. und Ihres Bruders George W. drohen Sie, Obama als Präsidenten ablösen zu wollen. Nun sollte man das allein ob des übel beleumdeten Rufes Ihres Bruders für aussichtlos halten; allein, Sie wollen ja in den USA kandidieren, und die verdienen allemal noch immer den Ruf eines Landes der unbegrenzten Möglichkeiten. Der Rest der Welt sollte sich besser schon mal mit der Gültigkeit der alten Erfahrung vertraut machen: Immer wenn Du denkst, es geht nicht schlimmer, geht es doch.

Papst Franziskus, der mit der vatikanischen Geißel – Grabesstill soll es gewesen sein, als Sie ihre Weihnachtsansprache beendet hatten; viele Kardinäle und Bischöfe hätten Lots Weib geglichen – so der Tenor von Medienberichten. Dem war Unglaubliches vorausgegangen: Statt des protokollarisch üblichen Austausches von netten Weihnachtsglückwünschen mit der vatikanischen Kirchenführung hatten Sie die „15 Krankheiten der Kurie“ angeprangert, darunter „spirituelles Alzheimer“ („das Vergessen der persönlichen Geschichte mit dem Herrn“), „mentale Erstarrung“, „Terrorismus des Geschwätzes“ („Krankheit der feigen Menschen, die nicht den Mut haben, direkt mit jemandem zu sprechen“) und die „Krankheit der Rivalität und Eitelkeit“. Damit hat der Krieg zwischen ihnen und der Kurie – die Überschrift einer Berliner Tageszeitung lautete: „Franziskus unter den Wölfen“ – öffentliche Form angenommen. Ihre Einsamkeit an der vatikanischen Spitze soll bereits der der Johanna von Orleans in ihren letzten Tagen gleichen. Die wurde bekanntlich erst als Häretikerin stigmatisiert und dann dem dafür vorgesehenen Procedere überantwortet. Ein Autodafé haben Sie zwar sicher nicht zu befürchten, aber nicht erst seit den Borgias auf dem päpstlichen Thron weiß man, dass der Kurie auch klandestinere Mittel zur Verfügung stehen …

Kim Jong Un, Zeitbombe – Dass die Welt ziemlich übereinstimmend Sie und Ihr Regime nicht mag, Sie ansonsten aber weitgehend in Frieden lässt, beleidigt offenbar Ihr Ego. Und so senden Sie nicht nur Drohungen an Filmstudios und –verleiher, sondern gleich mal wieder an die USA in toto, wobei Sie sich im Vokabular nicht lumpen lassen, um einen „ultra-harten Reaktionskrieg“ zu avisieren. Eine von Obama angekündigte „angemessene Reaktion“ auf den ziemlich offensichtlichen Cyberangriff Pjongjangs werde „durch die härtesten Gegenaktionen auf das Weiße Haus, das Pentagon und das ganze Land bei weitem übertroffen.“ Die Streitkräfte und die Bevölkerung Nordkoreas seien „zu einer Konfrontation mit den USA in allen Kriegsbereichen einschließlich des Cyber-Kriegsraums bereit, um diese Festungen in die Luft zu sprengen“. Man könnte darüber lachen, wüsste man nicht, wozu Diktatoren in der Lage sind, die an internationalem Liebesentzug leiden.

Jochen-Martin Gutsch, geschätzter Kolumnist der Berliner ZeitungSie haben jüngst die phantasievolle Vorstellung entwickelt, man halte bei einer Pegida-Demo ein Schild mit der Aufschrift hoch „Rettet das Abendland vor dem Okzident!“ und dabei nicht ausgeschlossen, dass sich daraus Rufe wie „Keine Scharia und kein Okzident in Europa“ entwickeln würden. Wie kommt es nur, dass wir dieser Vorstellung nichts Absurdes abgewinnen kann…