17. Jahrgang | Nummer 16 | 4. August 2014

Antworten

Meinfried V., Leserbriefschreiber aus Auerbach im Vogtland – In Ihrer Epistel scheinen uns Zweifel nur mühsam verborgen, ob denn Das Blättchen auch außerhalb der fünf (immer noch) neuen Bundesländer gelesen werde. Wir wollen ja nicht aufschneiden, aber täten wir es, dann wie weiland Siegfried Jacobsohn für seine Schaubühne, schon lange bevor diese Weltbühne wurde: „Darf ich auf Ihre Anfrage, ob die Schaubühne auch außerhalb Berlins gelesen werde, ein bißchen prahlen? Ja, sie wird es. Wie der Chinese Lot­ten und Werther mit ängstlicher Hand auf das Glas malte, so ver­fehlt er nicht, beim Zopfwickeln das gute Papier des Blattes zu benutzen, das Sie in der Hand haben. Australneger stehen gut­tural murmelnd zusammen und sind gegen mich und für Mossen. Tscherkessen sprengen in den Steppen Asiens umher und halten links den alles erjagenden Speer, rechts ein rotes Heftchen. Die Päschärähs tun es nicht unter einem Jahresabonnement. Und nur in Neu-Ruppin kommen wir nicht recht vorwärts.“

Manuela Schwesig, SPD-Bundeskabinettsmitglied – Mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen, haben Sie in einem, Interview geäußert, dass es „Ziel Nummer 1“ sein müsse, „dass die NPD nicht in den Landtag kommt“. Das hat Ihnen seitens dieser NPD eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingebracht, da Sie nach Ansicht von NPD-Anwalt Peter Richter verfassungswidrig konkret auf den Wählerwillen eingewirkt und damit die Chancengleichheit der Parteien beeinträchtigt hätten. „Die NPD ist eine eindeutig verfassungsfeindliche Organisation“, hatte Heinz Fromm, von 2000 bis 2012 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, 2007 öffentlich festgestellt. Dass sich diese Partei nun wiederum auf die Verfassung beruft, erinnert an die Spätzwanziger und frühen 1930er Jahre, als die NSDAP sich, wenn sie es für vorteilhaft hielt, in gleicher Weise auf die Verfassung berief, um diese nach der Machtergreifung dann umgehend außer Kraft zu setzen und zu schänden.

Chalid Maschaal, Hamas-Chef – „Wir sind bereit, unser Leben zu opfern, um die Belagerung zu beenden“, haben Sie neuerlich erklärt. Nun ist die Forderung nach Beendigung der Gaza-Blockade durch die Netanjahu-Regierung mehr als legitim und verdient internationale Unterstützung. Mit welchem Recht Sie allerdings mit Ihrer Todesbereitschaft all jene palästinensischen Zivilisten außerhalb Ihrer radikalislamischen Gruppierung vereinnahmen und über die Klinge springen lassen wollen, bleibt unbeantwortet. Das Leben von Führern radikaler Bewegungen, so zeigt die Geschichte, ist gewöhnlich das letzte, das real bedroht ist.

Chen Tamir, israelische Reservistin – Sie gehören zu 50 jungen Israelis, die in einem in der Washington Post veröffentlichten Protestbrief ihre Weigerung bekundet haben, für den Krieg gegen Gaza zur Verfügung zu stehen. Sie lehnen nicht nur diese brutale Offensive der eigenen Armee ab, sondern die gesamte „Militarisierung der Gesellschaft“, in der Kämpfe die Diplomatie ersetzen. „Mit meinen Ansichten gelte ich als radikal“, haben Sie den Ihnen im eigenen Land entgegenschlagenden Hass kommentiert. „Aber ich komme mir nicht so vor. Ich habe das Gefühl, dass ich normal bin und alle anderen verrückt.“ Das klingt leider ziemlich plausibel.

Ukrainisches Justizministerium, auf dem rechten Auge … – Wir haben keine Ahnung, ob in der Kommunistischen Partei der Ukraine Vernunft obwaltet, ob diese Partei also Sympathie verdient oder nicht. Dass sie aber nun verboten werden soll, ist ein gleich doppeltes Bubenstück der Schändung der Demokratie. Einmal, weil die UKP im abtrünnigen Osten noch immer beträchtlich viele Anhänger und Wähler hat, die bei den angekündigten Neuwahlen dann keine parteipolitische Entsprechung mehr fänden und also ausgeschlossen wären. Und zum zweiten, weil neofaschistische Parteien wie „Swoboda“ von solcherart Härte nicht nur nicht betroffen sind, sondern ihnen auch noch das „Schussfeld“ freigemacht würde. Wir sind gespannt, wie der befreundete Westen auf dieses Verständnis von Demokratie reagieren wird.

Frank Appel, Oberpostillion – Als Vorstandschef der Deutschen Post haben Sie angedeutet, dass das Unternehmen neuen Mitarbeitern in Zukunft deutlich weniger Geld zahlen wird als altgedienten Angestellten. Sie sagten: „Wir zahlen heute unseren Mitarbeitern teilweise doppelt so viel wie unsere Wettbewerber.“ Auch die Alternative kam Ihnen flott von der Zunge: „Deshalb werden wir uns damit beschäftigen müssen, ob neue Mitarbeiter das gleiche Gehaltsniveau haben können wie die, die schon 30 Jahre dabei sind.“ Das ist das Schöne und Humane am Markt, dass er alles Mögliche steigert, nur eben nicht unbedingt die Einkommen derer, die das Geld der Unternehmen verdienen. Das Maß der Dinge ist dabei der sich abwärts bewegende Trend der Löhne, an dem natürlich immer die anderen Schuld sind: Arme Säue wie die Post müssen gezwungener Maßen nachziehen.

Aleksandar Vulin, serbischer Arbeitsminister – „Wenn die Großen und Mächtigen etwas von Serbien lernen können, dann, dass Serbien immer auf der Seite des Lichts und der Freiheit gewesen ist“, haben Sie dieser Tage in einer Gedenkrede zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkrieges geredet. Wer eines Völkergemetzels dergestalt gedenkt, dem muss man leider auch künftig vergleichbares „Heldentum“ zutrauen. Was das Lernen aus der Geschichte betrifft, fällt uns dazu nur Fontanes lakonisches Summa summarum ein: „Es drehte sich immer um Lirum Larum / Um Lirum Larum Löffelstiel. / Alles in allem es war nicht viel.“

Billy Johnson, Schießpädagoge – Als Lobbyist der berüchtigten National Rifle Association (NRA) haben Sie sich öffentlich für Schießunterricht an amerikanischen Schulen und Waffen für Kinder ausgesprochen. „So, wie wir sie in Lesen und Schreiben unterrichten, würden wir ihnen Schießen und kompetenten Umgang mit Schusswaffen beibringen“, haben Sie dabei die Ästhetik dieser Vision herzerwärmend ausgemalt. Dass es sich im Juni bei der – bisher – letzten tödlichen Schießerei an einer Schule in Oregon bereits um das 74. „School Shooting“ seit Ende 2012 gehandelt hat, inspiriert Waffenlobbyisten wie Sie lediglich zu der Logik, dass noch mehr Rifles und Colts bei der Hand sein müssten, um sich in solchen Fällen wehren zu können. Ihr Land ist dabei schon ganz schön weit gekommen: Erhebungen belegen, dass das Risiko für amerikanische Kinder und Jugendliche, im Alter zwischen 5 und 14 Jahren erschossen zu werden, 17-mal höher als in anderen Industriestaaten ist.

Thomas Middelhoff, tief Gefallener – Vor noch gar nicht langer Zeit galten Sie als Ex-Chef des Bertelsmann-Konzerns als einer der Top-Manager dieses Landes. Aber tempi passati: Jetzt haben Sie per Offenbarungseid in Essen Ihre private Pleite eingestehen müssen; Ansprüche von ehemaligen Geschäftspartnern – damals sicher auch Geschäftsfreunde – in Millionenhöhe werden wohl ins Leere gehen. Immerhin haben Sie noch Sinn für Komik, denn nach der besagten Vermögensauskunft sind Sie nicht vor die Kameras der wartenden Journalisten am Haupteingang des Justizgebäudes getreten, sondern aus einem Fenster an einem Regenrohr auf ein Garagendach geklettert und von da aus zweieinhalb Metern Höhe auf den Rasen gesprungen. Ihre Kinder, so ließen Sie anschließend hören, seien stolz auf Sie gewesen. Na, wenigstens darauf!

Eric Schweitzer, Präsident des DIHK und Realo – Sie beklagen namens der von Ihnen repräsentierten Unternehmerschaft, dass die deutsche Regierung mit fortlaufend weiteren Belastungen der Wirtschaft (etwa Mindestlohn, Rente mit 63) selbige zum Verzicht auf Investitionen im Inland und zum Abwandern ins Ausland motoviere. Interessant auch Ihre Replik auf den in einer Interviewfrage enthaltenen Hinweis, dass die Große Koalition doch nur tue, was sie vor der Wahl versprochen habe: „Normalerweise gewinnt nach einer Wahl der Realismus die Oberhand.“ Sind Sie wirklich so Demokratie verachtend oder ist das Vorzeigen der fiesen Fratze des Kapitalismus bloß Bestandteil Ihrer Stellenbeschreibung?