16. Jahrgang | Nummer 26 | 23. Dezember 2013

Antworten

Verbrecher-Verlag, Ausgezeichneter – Es gibt Preise, die sind langweilig, auch wenn sie recht gut dotiert sind. Mit dem Kurt-Wolff-Preis ist das anders, der ist immer wieder für eine Überraschung gut. Diesmal hat’s den Verbrecher Verlag erwischt – und wir finden, es traf den Richtigen. Wer sich so tollkühn auf das Wagnis der Mühsam-Tagebücher einlässt („Mühsams Tagebücher“ in Das Blättchen 22/2011), so sensibel um das Gesamtwerk von Gisela Elsner kümmert und überhaupt die anarchistische und sozialistische Tradition der deutschen Literatur lebendig erhält, der hat diesen Preis verdient. Gratulation Jörg Sundermeier und seinem Team – und Glückwunsch der Kurt-Wolff-Stiftung für die gute Wahl!

Karl Simlinger, Klartextsprecher – Als der Stadtrat des niederösterreichischen Ortes Gföhl unlängst über ein geplantes Asylbeweberheim debattierte, haben Sie als Bürgermeister die Gemengelage in einen Satz unvergleichlicher Aussagedichte gepackt, indem Sie äußerten: „Mir gehen die Scheiß-Asylanten sowieso am Oasch, aber schuld sind die Pressefritzen, die gehören aufgehängt, de san wia de Juden. “ Man kann nur hoffen, dass Sie nicht auch die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben, um dann hierzulande ähnlich zu reüssieren wie ein zu Recht verblichener, nicht aber vergessener Landsmann und Geistesgefährte von Ihnen.

Franziskus, Pontifex Maximus – obgleich bereits selbst schon im gehobenen Alter, darf man Sie derweil ja wohl als „Jungen Wilden der Katholiken“ bezeichnen. Von bereits vorausgegangenen Zeugnissen Ihrer realitätsbezogenen Weltsicht abgesehen, stelle man sich nur mal vor, ein Landesvater etwa käme Ihnen gleich auf die Idee, zu besonders drängenden und komplizierten Fragen per Umfrage Volkes Meinung einzuholen. Gut, die SPD hat das grade erst praktiziert, der fehlt aber auch jenes Unfehlbarkeitsetikett, das Sie als Papst gut und gerne hätten nutzen können, um auf all diesen demokratischen Firlefanz ebenso zu verzichten, wie dies ihren Vorgängern eigen war.

Uschi Glas, „Zur-Sache-Schätzchen“ – Der flächendeckende Mindestlohne könne schon deshalb nicht kommen, „weil wir ja das Problem haben, dass wir vor allem in den neuen Bundesländern wirklich nicht gut qualifizierte Menschen haben. “ Nachdem Sie diese Expertise televisionär kundgetan hatten, muss ein Promotor Sie wohl auf Ihren Schwachsinn hingewiesen haben, auf dass Sie sich nun via „Thüringer Allgemeine“ für die missverständliche und prompt auch missverstandene Äußerung entschuldigen. Als wenn man sich für Dummheit entschuldigen müsste – man hat sie oder hat sie nicht.

Horst Heizenröther, deutschsprechender Leser der Berliner Zeitung – In einem Brief an Ihr Hausblatt nehmen Sie Bezug auf eine von deren Meldungen und schreiben, was wir hier, wenngleich ohne große Hoffnung, gern wiedergeben: „Undistanziert und ohne Hohn verkündet die Berlin-Redaktion, dass die Verkehrsbetriebe eine Sorte Fahrkarten jetzt Fahrcards nennen. Somit muss der Leser selbst erkennen, dass hier ein Büro-Brain am Schreibtable von Findersesire gepackt, den Sprachproof dafür erzeugt hat, sich bereits völlig im Denglish-Using hineingefühlt zu haben. Wenn das Schule in der EU machen sollte, werden die Engländer bald mit einer Railway-Karte oder einem Drive-Ausweis dagegenhalten.“ Da erst kürzlich ein Sprachstatist nachgewiesen hat, dass das Englische keineswegs zunehmend in die deutsche Sprache eindringt, dürfte es so sein wie mit dem statistisch immer wiederlegten Empfinden der Mehrheitsdeutschen, mit der Einführung des Euro in vielerlei Hinsicht über den Tisch gezogen worden zu sein.

Joachim Gauck, Landesvater – Sie entsagen sich also die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Sotschi, da Sie sich nicht als Claque für den Menschenrechtsverletzer Putin hergeben wollen. Den sehr persönlichen Hintergrund dafür bietet nach Ihrer Aussage das Schicksal Ihres Vaters, der aus russischer Lagerhaft wegen „antisowjetischer Hetze“ einst als gebrochener Mann zu Ihnen zurückgekehrt ist. Sieht man einmal von der höchst fragwürdigen Gleichsetzung des Putinschen mit dem Stalinschen Despotismus ab, und übersieht man auch Ihren Besuch in Israel, dem Menschenrechtsverletzungen ebenfalls nicht ganz fremd sind, so will Ihre Haltung so gar nicht zu Ihrer eben erst bekundeten Trauer um Mandela passen, war eine von dessen prägenden und derzeit weltweit gerühmten Lebensleistungen doch das Bemühen um Versöhnung. Ihre postpastorale Haltung, Verehrtester, hat damit wenig zu tun.

Barack Obama, Friedensnobelpreisträger – Es ist bereits heute absehbar, dass Ihre Regierungszeit zwar von viel gutem Willen aber eben leider auch von wenig Fortune begleitet gewesen sein wird. Immerhin haben Sie grade bei den Trauerfeierlichkeiten für Nelson Mandela in Südafrika mit der Hand Raul Castros auch eine Chance ergriffen, wenigstens in einem Punkt amerikanischer Außenpolitik für eine historische Entspannung oder gar Normalisierung zu sorgen; dann nämlich, wenn aus dem Handschlag mit Castro ein Dialog wird, der sich eben nämliche Ziele setzt. Auch dafür könnten Mandelas Bemühungen um die Versöhnung verfeindeter Parteien dann ein glücklicher Impuls gewesen sein.

François Hollande, dem Vernehmen nach Sozialist – Bewaffnete Interventionen in anderen Staaten zwecks Unterbindung dortiger Kriegsverbrechen sind ein international umstrittenes, weil höchst kompliziertes Thema. Der gegenwärtige Einsatz französischer Truppen in Zentralafrika soll im Rahmen der hier erforderlichen Kürze deshalb auch nicht bewertet werden. Wohl aber Ihre Äußerung, dass diese militärische Befriedungsaktion nach Ihrer Aussage aus einem EU-Entwicklungsfonds bezahlt werden soll. Wir erlauben uns auf die Schmählichkeit (auch) Ihres Landes hinzuweisen, das 1970 (!) von der UNO beschlossene Ziel für jeden Mitgliedsstaat, 0,7 Prozent seines jeweiligen Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe auszugeben, auch 2012 noch mit 0,45 Prozent locker unterbieten.

Jörg Asmussen (SPD), neuer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium – Für den Fall, dass Ihre neue Chefin zwar über dem größten Einzeletat des Bundeshaushaltes thront, aber im Rechnen schwächelt, wurden Sie ihr nun als Finanzgenie an die Seite gestellt. Die Genossen haben Sie dazu extra aus der Belle Etage der Europäischen Zentralbank zurück beordert. Nu ja – jede Partei hat zunächst mal das Personal, das sie verdient. Ihre jetzige Berufung wurde in den Medien jedoch als Überraschungs-Coup apostrophiert. Da sitzen offenbar verschiedentlich Blinde, die von der Farbe schwätzen. Wir jedenfalls befürchten ob ihrer bisherigen Karriere das Schlimmste. 

Arno Widmann, Edelfeder – „Der Staat, der jeden Bürger als Verdächtigen behandelt, wird es sich gefallen lassen müssen, selbst als das größte Demokratie- und Sicherheitsrisiko betrachtet zu werden“, meinten Sie dieser Tage in der Berliner Zeitung. Dem haben wir nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht die bange Frage: Da dem Staat das augenscheinlich am Allerwertesten vorbeigeht – was in drei Teufels Namen tun wir denn nun dagegen?

Keith Richards, Jubilar – Betrachtet man Ihr Antlitz, mag man gar nicht glauben, dass sich darin nur ein einziges Leben eingegraben hat, Respekt für soviel Überlebensfähigkeit. Respekt aber auch für das, was Sie, Ihr Intimfreundfeind Mick Jagger und die anderen „Jungs“ der „Rolling Stones“ unsereinem für großartige Rockmusik geschenkt haben. Passen Sie gut auf sich auf!