16. Jahrgang | Nummer 12 | 10. Juni 2013

Antworten

Melanie G., Leserin – Dass Sie Das Blättchen ganz freiwillig zum Prüfungsthema machten, lässt uns heftig stolz werden und verpasste der Redaktion einen heftigen Schub Endorphine. Und Ihnen bringt diese gute Wahl hoffentlich richtig Glück! Toi, toi, toi…

Eckart von Klaeden (CDU) – Noch Staatsminister der Kanzlerin wechseln Sie Ende dieses Jahres als Lobbyist zur Daimler AG. Sie gehen damit einen Weg von Hochpolitik in die Chefetagen von Wirtschaft und Finanz, auf dem sich Politgrößen der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart regelrecht tummeln: Gerhard Schröder, Martin Bangemann, Wolfgang Clement, Joschka Fischer, Christine Scheel, Roland Koch. Ole van Beust und viele andere mehr. Derzeit wird dieser Seitenwechsel gelegentlich mit Kritik und/oder Häme bedacht. Wir halten es hingegen eher mit Willy Brandts Diktum: Es wächst zusammen, was zusammengehört.

Angela Merkel (CDU), höchste Hochwassertouristin der Republik – 100 Millionen Euro Soforthilfe haben Sie den Hochwasseropfern in wahrscheinlich sechs Bundesländern beim Besuch der steigenden Elbe in Pirna zugesagt. Die absolut regierungsfernen Medienanstalten wurden nicht müde, dies in einer Art Endlosschleife zu zitieren. Was (fast) immer unterschlagen wurde: Sie sprachen auch von der notwendigen Kofinanzierung durch die Bundesländer in gleichem Umfange. Und 100 Millionen? Allein in Passau werden die Schäden nach ersten Schätzungen mehr als 20 Millionen Euro betragen. Aber da die Versicherer nicht mehr versichern und die Bundesländer und der Bund sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben (Hochwasserschutz ist nach der letzten grandiosen „Föderalismus“-Reform Ländersache, das müssen nur noch die Flüsse begreifen…) bleibt am Ende wie üblich der schlammige Rest an den Menschen hängen, die nun mal da wohnen wo sie wohnen und die immer noch einigermaßen gläubig zu Amtsmenschen wie Sie aufschauen. Immerhin ein bemerkenswerter Satz entglitt Ihnen anlässlich des schockierenden Anblickes: „Wir haben für so viele Dinge Geld…“ Stimmt.

Horst Seehofer, Schlussstrichzieher – „Für mich ist dieser Teil beendet“, haben Sie sich in Sachen der neuen Amigo-Affäre Ihres blauweißen Heimatlandes vernehmen lassen. Das ist in der Tat ein probates Mittel, um sich als Partei- und Landesfürst unliebsamer Dinge zu entledigen. Schon Napoleon Bonaparte hat es für sich in Anspruch genommen, als er im November 1799 das Revolutionsdirektorium mit den Worten absetzte: „Die Revolution ist beendet.“ Zumindest langfristig ist das, wie man weiß, aber schief gegangen.

Frank-Markus Barwasser, alias Erwin Pelzig – In der jüngsten Ausgabe von „Neues aus der Anstalt“ und angesichts des lawinenartig anschwellenden Hypes von Ehren-Kodizes im Lande gaben Sie definitorische Hilfestellung: Ethik sei wie Religion ohne Weihnachten – Geschenke dürfe man keine mehr annehmen. Wir plädieren sehr dafür, diese Regelung auch in den ethisch total auf den Hund gekommenen familiären Bereich zu übernehmen. Denn es ist ja nicht besser geworden, seit Karl Kraus vermerkte: „Das Wort ,Familienbande‘ hat einen Beigeschmack von Wahrheit.“

Volker Pispers, gnadenloser Volksverhetzer – Mit sofortiger Wirkung stellen wir unsere zwar klandestine, aber nachhaltige Lobbyarbeit, Ihnen wieder Zugang zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen, den Sie sich mit Ihrer Schandschnauze verscherzt hatten, zu verschaffen, ersatzlos ein. Leuten wie Ihnen ist nicht zu helfen – Leuten, die mit Blick auf die nächste Bundestagswahl äußern: „Fragen se mal ‘nen Hartz-IV-Empfänger, was ihm lieber ist: Rot-Grün oder Schwarz-Gelb? Da sagt der: Woll’n se mir Scheiße in verschiedenen Geschmacksrichtungen anbieten?“ Allein die Wortwahl ist für Kinder und Jugendliche völlig unakzeptabel; politisch korrekt hätte es heißen müssen: „Da sagt der: Woll’n se mir unterschiedlich colorierte Verdauungsendprodukte anbieten?“

Karl Kraus, genialer Schöpfer lästerlichster Aphorismen – Was Ihnen Ihre allseits bekannte Totalverachtung für Sigmund Freud und die Psychoanalyse in die Feder diktierte, mag zum Teil zu Recht wissenschaftlichen Widerspruch herausfordern, ergötzlich bleibt es allemal – wie zum Beispiel: „Die alte Wissenschaft versagte dem Geschlechtstrieb bei Erwachsenen ihre Anerkennung. Die neue räumt ein, daß der Säugling beim Stuhlgang schon Wollust spüre. Die alte Auffassung war besser. Denn ihr widersprachen wenigstens bestimmte Aussagen der Beteiligten.“

Min Bahadur Sherchan, gescheiterter Gipfel-Stürmer – Als 81jähriger wollten Sie Ihrem ein Jahr jüngeren Vorbild folgen, das grade erst den Mount Everest bezwungen hat und dessen Rekord brechen. Nun hat das zwar nicht geklappt, wobei allerdings keineswegs Ihr Alter, sondern das Wetter schuld war. Da Sie ja noch so herrlich jung sind, wird es aber ganz sicher noch werden; Rekorde sind schließlich dazu da, gebrochen zu werden. Wir harren des absehbaren Augenblicks, da endlich ganze Großfamilien den Berg bezwingen; mindestens aber darauf, dass eine Spätgebärende 60jährige mit Ihrem Säugling auf dem Rücken diese Tat vollbringt – es wäre ein Doppelrekord, der sich nur noch dadurch brechen ließe, dass eine 61jährige auf dem Gipfel entbindet.

„Richtige Kämpfer“, syrische – Die CIA hat es übernommen, darauf zu achten, dass die reichlichen Waffenlieferungen an die Opposition Assads nicht in die falschen Hände fallen – köstlich, dieser sublime Humor! Dass mit Saudi Arabien und Katar jene Länder besonders den militant-islamistischen Teil der Rebellen mit Geld und Kriegsgerät unterstützen, die auf der Waffenexportliste Deutschlands sehr weit oben stehen, ficht unsere Außenpolitik nicht besonders an. Business as usual, und ein zerstörtes – bislang laizistisches – Land wiederaufzubauen, nachdem man seine Zerstörung hilfreich unterstützt hat, bringt dann das nächste Geld ein.

Günther Oettinger, EU-Commisario – Sie, dessen Weiterleben wir gar nicht mehr vermuteten, haben auf der Jahreshauptversammlung der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer in Brüssel ziemlich vom Leder gezogen. Nicht nur dass sie Staaten wie Bulgarien, Rumänien und Italien als „im Grunde genommen kaum regierbar“ qualifiziert haben, Sie zeihen auch ihre schöne deutsche Heimat einer fehlerhaften Politik, da dort „mit Betreuungsgeld, Frauenquote, Mindestlohn und Nein zum Fracking die falsche Tagesordnung“ bearbeitet werde. Da es sich hierbei vorherrschend um soziale Aspekte handelt, wähnen wir Sie – wiewohl noch CDU-Mitglied – sicher nicht zu Unrecht in der Nähe einer gewissen neuen Partei. Deren Bestreben hat vor bereits langer Zeit ein anderer europäischer Politiker so definiert: „Wenn Freiheit und Egoismus miteinander ins Bett gehen, entsteht ein sozial krankes Monster“. Was die Marktwirtschaft nicht am weiteren einschlägigen Kopulieren und Zeugen hindert

Bernhard Blaszkiewitz, rüder Alpha-Rüde – Sie stehen an der Spitze der Nahrungspyramide von Zoo und Tierpark in Berlin, und lassen das Untergebene und andere Spezies auch ziemlich unverhohlen spüren. Mitarbeiterinnen haben Sie intern mit dem Kürzel „0,1“, dem zoologischen Code für Zuchtweibchen belegt. Vegetarier sind Ihnen per se suspekt: „Leute, die morgens Vogelfutter fressen“, sagten Sie einmal, täten Ihnen leid. „Wenn das der liebe Gott gewollt hätte, hätten wir einen Schnabel.“ Ein Hamburger Nachrichten-Magazin berichtete, Sie hätten als regelmäßiger Kirchgänger kritisiert, dass Angestellte Weihnachtsgeld kassierten, obwohl sie „unchristlich“ seien. Gründe für einen wiederholt geforderten Rücktritt sehen Sie gleichwohl nicht und halten Kritikern gern entgegen: „Die Belegschaft steht hinter mir.“ Jetzt sickerte durch, dass eine vom Aufsichtsrat der Zoo AG beauftragte Kanzlei bei einer Befragung der Belegschaft unter anderem darüber, was innerbetrieblich verbessert werden könnte, besonders oft die Antwort erhalten hätte: „Doktor Blaszkiewitz muss weg.“

Peer Steinbrück (SPD), da war doch mal was… – Unser rigides Redaktionsstatut verordnete dem Blättchen bis zum Zeitpunkt Ihres überwältigenden Wahlsieges in jeder Ausgabe eine Antwort an Sie, um dem Wahlvolk klarzumachen, dass Ihre Kanzlerschaft vollkommen alternativlos ist. Nur: Uns fällt nichts mehr ein, weil uns nichts mehr auffällt. Sind Sie eigentlich noch Kandidat?