von Heinz W. Konrad
Mitte August wird es in Berlin eine „Veranstaltungswoche der Superlative“ geben. So jedenfalls etikettiert sie ihr Veranstalter, die Bürgerbewegung „Pro Deutschland“, seit 2008 eine jener kulturellen Zierden Deutschlands, die sich samt Chemisett als Bollwerk gegen die feindliche Übernahme unseres schönen Gemeinwesens durch den Islam stemmen. „Der Islam gehört nicht zu Europa – Islamisierung stoppen“ lautet denn auch das Motto jener Woche in Berlin, zu der die Ausstellung provozierender Karikaturen ebenso gehört wie eine „freiheitliche Stadtrundfahrt“ samt acht Kundgebungen „an politischen Brennpunkten“sowie einer Abschlussveranstaltung am Ernst-Reuter-Platz 2, „dem ersten Haus in Deutschland mit islamischem Mietvertrag“.
In Anbetracht der übersichtlichen Mitgliederzahl von wenigen Hunderten und der Wahlerfolge der „Pro Bewegung“ kann man natürlich milde lächeln über das Gebaren der Europa- und Weltenretter. Aber Achtung: Hier agieren keine Glatzen mit Springerstiefeln. Hier sind Schlipsträger am Werk, die sich mehrheitlich als Liberale bezeichnen und die sich auf die Schwarz-Rot-Goldene Fahne geschrieben haben, was Bundesgeschäftsführer Lars Seidensticker im NRW-Wahlkampf dieses Jahres auf den Punkt brachte: „Von Berlin geht ein Signal aus an die muslimische Welt: Die kulturbewahrenden Kräfte unseres Kontinents arbeiten zusammen. Wir werden die Islamisierung Europas verhindern!“ Mit „Wir“ meint der smarte Berliner keineswegs nur die paar Hundert Getreuen im abendländischen Teutonien. Schließlich weiß man sich eins mit weiteren namhaften Kulturverteidigern wie der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) – Jörg Haider lässt grüßen – der Flämischen Vlaams Belang und der Vryheidsfront plus, die in Südafrika die Interessen der Weißen vertritt. Nicht zuletzt gehört dazu die German Defence League, die das Selbstporträt ihrer merkwürdig „undeutsch“ benamten Organisation so beschreibt: „Angetreten sind wir, um unsere jüdisch-christliche, griechisch-römische Tradition zu bewahren. Wir verteidigen diese Tradition als aktive Protestler auf den Straßen und bringen uns in vielfältiger Weise ein, um der Islamisierung Deutschlands und Europas, dem Faschismus und etwa auch dem linksextremen Wahn entgegenzutreten. Wir sind Patrioten, überparteilich, freiheitlich und sehen uns als Verteidiger eines Wertegefüges, das Europa einst groß gemacht hat und das von vielen Seiten korrumpiert wird. Es wurde Zeit, dass dieses auch laut, deutlich und selbstbewusst angesprochen wird! Die German Defence League tut dies und organisiert sich im Verein mit den mittlerweile zahlreichen europäischen Defence Leagues, etwa der EDL, als Widerstand gegen Entwicklungen, die unsere Rechte und unsere Freiheit existenziell bedrohen.“
Wie gesagt – keine Glatzen, sondern Liberale, jedenfalls nach eigenem Verständnis. Jenem Lager entstammte einst auch der Historiker Heinrich von Treitschke, der 1879 dazu aufrief, der – seinerzeit jüdischen – Einwanderwelle zu trotzen, „damit nicht auf die „Jahrtausende germanischer Gesittung“ ein „Zeitalter deutsch-jüdischer Mischkultur“ folge. Und der dann jenen berüchtigten Satz von sich gab, der später das Schlagwort der Nazis und Dauerlosung ihres schlimmsten Hetzblattes Der Stürmer wurde: „Die Juden sind unser Unglück“. Wenn Pro Deutschland zudem an noch einen unseligen Vorgänger erinnert, dann an Alfred Rosenbergs Kampfbund für die deutsche Kultur, der bereits 1929, über zehn Jahre vor Beginn des Holocaust, einen „von volksfeindlichen Kräften geförderten politischen Niedergang“, beklagte, der einen „planmäßigen Kampf gegen sämtliche deutschen Kulturwerte“ beinhalte. Hitler war bei der Auftaktveranstaltung in der Münchener Universität anwesend und spendete enthusiastischen Beifall …
Nun ist die Stoßrichtung heutiger prodeutscher Kulturbewahrer – jedenfalls derzeit nicht offen, dafür hält man sich die Glatzen – nicht gegen Juden gerichtet, man hat jetzt die Muslime. Mit diesen sehen sich die Deutsch-Liberalen aber offenkundig bereits im (Abwehr-)Krieg. Noch ist es ein kalter Krieg, der allerdings das Zeug zur Hitze hat; vielleicht zieht es die Smarties ja deshalb an die „Brennpunkte“ der Stadt. Es bleibt zu hoffen, dass sich das mehrheitlich tolerante und multikulturelle Berlin gegen die Brandstifter zu wehren weiß, was sich nicht auf Muslime reduzieren sollte. Und es bleibt zu hoffen, dass dieses Veto gewaltlos abläuft. Wozu übrigens auch die Veranstalter aufrufen: Der Pro Deutschland-Chef und Ex-NPD-Kandidat für den Bundestag, Manfred Rouhs, reagierte auf den angekündigten Widerstand von Links, da damit offensichtlich „Öl ins Feuer unserer politischen Auseinandersetzung mit islamistischen und insbesondere mit linksextremen Gesetzesbrechern“ gegossen werden solle. Was immerhin die peinlich-blöde Antwort darauf beinhaltet, wo die Feuerleger und also Brandstifter zu verorten sind.
Vielleicht könnte ja dieser Tip zur Gewaltlosigkeit beitragen: In jedem Scherzartikelladen oder bei e-bay gibt es Lachsäcke zu kaufen. Das sind Pfennigartikel, kollektiv zum Einsatz gebracht mögen sie aber vielleicht mehr bewirken als Trillerpfeifen oder gar Prügel. „Der Mensch erträgt mit Pläsier, daß man über ihn weint, daß man über ihn lacht, erträgt er nicht“, so der große Erzähler Wilhelm Raabe. Oder gleich Nietzsche: „Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tötet man“. Und politisch ist den Nationalisten und Rassisten aufrichtig nicht besseres zu wünschen.
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