von Georg Schramm
Das erste, was im Krieg stirbt, ist die Wahrheit. Lassen Sie uns deshalb den Krieg draußen halten, und bleiben wir bei der Wahrheit. Der Tod ist der denkbare Abschluß eines soldatischen Arbeitstages. Diese Männer sind in Ausübung ihres Berufes gestorben, und der Tod ist die logische Konsequenz soldatischen Handelns. Auch wenn wir das gerne verdrängen und zur Tarnung Namen erfinden wie: gefallen, verloren. Letztlich wird in der Fachliteratur alles gleich behandelt, unter der Rubrik: Weichzielverlust.
Wir hier versuchen, dem Tod des Einzelnen einen Sinn zu geben. Aber geben wir der Wahrheit die Ehre: ein sterbenswerter Sinn für das, was wir in Afghanistan tun, ist nicht mehr erkennbar. Die Kinder winken nicht mehr, wenn wir auf Patrouille gehen. Für jeden erschossenen Zivilisten melden sich zehn Freiwillige bei den Taliban, die mittlerweile als das kleinere Übel gelten. Selbst der von uns gekaufte Präsident Karsai sieht unseren Abzug lieber heute als morgen. Wir sind nur noch dort und kämpfen, weil wir nicht den Mut haben zuzugeben, daß wir gescheitert sind. Eine Kultur des Scheiterns ist in unserem westlichen moralischen Wertekatalog nicht mehr vorgesehen. Vielleicht hat Clausewitz deshalb geschrieben: Nichts ist schwerer als der Rückzug aus einer unhaltbaren Position. Deshalb lassen Sie uns mutig sein und das Schwere tun. Lassen Sie uns das Kühne wagen. Lassen Sie uns das Scheitern eingestehen. Denn nur wer das Scheitern eingesteht, ist der wirklich Starke. Und wenn wir dann nach draußen gehen mit diesem Gedanken – dann hat der Tod dieser Männer vielleicht doch noch einen Sinn gehabt.
Auszug aus der Trauerrede vom 13. April, gehalten von Georg Schramms Bühnenfigur Oberstleutnant Sanftleben in „Neues aus der Anstalt“ vom 13. April 2010. Mit freundlicher Erlaubnis des Autors; kein Abdruck oder unautorisierte Weiterverwendung!
Schlagwörter: Georg Schramm, Krieg, Tod