Die Tagesschau teilte am 11. September mit, dass das Flandrische Musikfestival Gent die Münchner Philharmoniker mit ihrem Dirigenten Lahav Shani, der in München künftig Chefdirigent werden soll, ausgeladen hatte. Begründet wurde die Absage des für den 18. September geplanten Konzerts damit, dass der in Tel Aviv geborene Shani zugleich Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist. In der Erklärung der Festival-Leitung hieß es: „Im Lichte seiner Rolle als Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestras sind wir nicht in der Lage, für die nötige Klarheit über seine Haltung dem genozidalen Regime in Tel Aviv gegenüber zu sorgen.“ Und weiter: „Aufgrund der Unmenschlichkeit der aktuellen Situation und der emotionalen Reaktionen auch in unserer Gesellschaft wollen wir das Konzert nicht stattfinden lassen.“
Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) sprach von einem „Skandal“ und meinte: „Dass die Münchner Philharmoniker ausgeladen werden, weil ein Israeli am Pult steht, ist nichts anderes als grober Antisemitismus“. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer erklärte, mit der Ausladung Shanis sei eine Grenze überschritten worden. „Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik wird hier ein Kultur-Boykott betrieben. Das ist blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur.“ Weimer nannte den Vorgang eine „Schande für Europa“.
Der künstlerische Leiter des Genter Festivas, Jan Van den Bossche, betonte, die Entscheidung sei „nach reiflicher Überlegung“ getroffen worden und „in keiner Weise von Antisemitismus eingegeben“. Das allerdings steht nicht auf der Webseite der Tagesschau, sondern auf der des Deutschen Musikinformationszentrums, das vom Deutschen Musikrat betrieben wird. Van den Bossche unterstrich: „Wir haben in der Vergangenheit, und auch im nächsten Jahr erneut, oft israelische und jüdische Musiker zu Gast.“ Die Absage hänge ausschließlich mit Shanis Rolle als Chefdirigent des Israelischen Philharmonischen Orchesters zusammen: „Dieses Orchester befindet sich heute in einer sehr grauen Zone. Wir wissen nicht, wo er in diesem Konflikt steht, und Völkermord lässt unserer Ansicht nach keinen Raum für Unklarheit.“ Man habe Shani mehrfach gebeten, seinen Standpunkt zu verdeutlichen, habe jedoch zur Antwort bekommen, es werde keine weitere Klarstellung geben.
Die Tagesschau hatte ihren Text mit dem Hinweis versehen, dass Lahav Shani in München „Nachfolger des Russen Waleri Gergijew“ werde. „Dieser musste gehen, weil er sich aus Sicht des Münchner Stadtrats nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht hinreichend von Präsident Wladimir Putin distanziert hatte.“ Letzteres hatten deutsche Kulturbehörden und Politiker nicht nur von Gergijew verlangt. Auch der hervorragenden Opernsängerin Anna Netrebko war in diesem Sinne von Medien und Politik mehrfach nachgestellt worden.
Im Kern geht es um das Problem, dass der Krieg Russlands in der Ukraine und die Kriegsführung Israels im Gaza-Streifen in Deutschland unterschiedlich behandelt werden. Von russischen Künstlern wurden deutliche Distanzierungs-Bücklinge verlangt. In Bezug auf israelische Künstler dagegen wird geltend gemacht, wie auch die Neue Zürcher Zeitung meinte, sie hätten „das Recht, sich nicht zur Politik ihres Landes zu äußern“. In Belgien dagegen werden beide Kriege vergleichbar gesehen. Und dies nicht nur dort, wie die sich ausweitende Forderung, Israel vom Eurovision Song Contest (ESC) auszuschließen, zeigt. Bisher haben sich in diesem Sinne Irland, die Niederlande und Spanien positioniert.
Der deutsche Sonderweg zeitigt praktische Konsequenzen. Mit großem organisatorischem und finanziellen Aufwand wurde kurzfristig ein Ersatzkonzert in Berlin organisiert. Es fand am 15. September im Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt. Die 1700 Plätze waren alle besetzt, die Karten waren innerhalb von Stunden über das Internet verkauft worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte Shani empfangen. Kulturstaatsminister Weimer hielt zu Beginn des Konzerts eine Grußansprache. Bildungsministerin Karin Prien war ebenfalls zugegen. Ex-Kanzler Olaf Scholz saß im Ersten Rang in der Mitte der ersten Reihe, dort, wo früher Erich Honecker saß.
An demselben 15. September, an dem in Berlin dieses Konzert stattgefunden hat, trafen sich in Doha, der Hauptstadt Katars, die Staats- und Regierungschefs von fast 60 arabischen und islamischen Staaten, um den völkerrechtswidrigen israelischen Angriff auf Ziele in dem souveränen Staat Katar am 9. September 2025 zu verurteilen. „Die Zeit ist gekommen“, sagte Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani Al Thani, „dass die internationale Gemeinschaft aufhört, mit zweierlei Maß zu messen, und Israel für all die Verbrechen bestraft, die es begangen hat.“ Israels Angriff könne nur als „Staatsterrorismus“ bezeichnet werden.
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