Das diesjährige, inzwischen 17. BRICS-Gipfeltreffen fand am 6. und 7. Juli 2025 in Rio de Janeiro statt. Es stand unter dem Motto: „Stärkung des Globalen Südens für eine stärker inklusive und nachhaltige Regierungsführung“. Der Präsident Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, der in diesem Jahr Vorsitzender der BRICS-Gruppe ist, forderte auf der Plenartagung zum Thema: „Frieden, Sicherheit und die Reform der Global Governance“ die Staaten der Welt auf, davon abzugehen, immer mehr Geld für militärische Zwecke auszugeben und stattdessen die „Agenda 2030“ der UNO zu unterstützen. Die hat 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung festgelegt, als ein globaler Plan zur Förderung eines wirksamen Friedens und des Wohlstands der Menschen sowie zum Schutz des Planeten. Es scheint, so Lula, „einfacher, die Militärausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen, als 0,7 Prozent für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen“. Dies sei Ausdruck eines „fehlenden politischen Willens. Es scheint stets leichter, in Krieg als in Frieden zu investieren.“
Lula unterstrich die Rolle der BRICS-Gruppe, die eine „neue multipolare Realität für das 21. Jahrhundert“ geschaffen habe. Sie trete ein für eine Reform der globalen Regierungsführung und werde immer mehr zu einer Kraft, den Frieden zu sichern sowie Konflikten vorzubeugen beziehungsweise sie beizulegen.
BRICS ist – das sei hier nochmals in Erinnerung gerufen – ursprünglich das Akronym für das Zusammengehen von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Das erste Treffen der Präsidenten Brasiliens, Russlands und Chinas sowie des Ministerpräsidenten Indiens fand im Mai 2009 in Russland, in Jekaterinburg, statt; Südafrika wurde 2011 aufgenommen. Hinzu kamen später Ägypten, Äthiopien, der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate und seit Januar 2025 Indonesien Die Gründung der BRICS-Gruppe war, wie der französische Historiker und Demograph Emmanuel Todd in seinem Buch über den „Westen im Niedergang“ betonte, eine Antwort auf die Verantwortungslosigkeit des Westens in der Weltwirtschaftskrise seit 2008. Die Globalisierung nach dem Kalten Krieg hätte sich als „Rekolonialisierung der Welt durch den Westen entpuppt“.
Mehr als 30 weitere Länder haben inzwischen ihr Interesse an einem BRICS-Beitritt bekundet. Während seiner BRICS-Präsidentschaft 2022 setzte China die Erweiterung der multilateralen Strukturen auf die politische Tagesordnung. Vereinbart wurde, die formellen Voraussetzungen für eine Erweiterung der BRICS zu schaffen und gemeinsam Verfahren zu erarbeiten, um dem international stark gewachsenen Interesse an einer Kooperation Rechnung zu tragen. Etliche dieser Länder verfügten geopolitisch in ihrer Region und im Hinblick auf globale Märkte über eigene Potenziale, mit denen die BRICS-Gruppe gestärkt würde.
Allerdings kam man in der Kerngruppe zu der Auffassung, dass eine uferlose Erweiterung die Wirksamkeit beeinträchtigen würde. Gleichwohl wurde 2024 in Kasan (Russland) die Aufnahme von neuen „assoziierten Mitgliedern“ bekannt gegeben, darunter Belarus, Bolivien, Kasachstan, Kuba, Malaysia, Nigeria, Thailand, die Türkei, Uganda, Usbekistan und Vietnam – BRICS mit diesen Erweiterungen vertritt nun beinahe die Mehrheit der Weltbevölkerung. An der jetzigen Beratung in Brasilien nahmen auch Palästina und Uruguay teil sowie UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO).
In den BRICS-Ländern leben nun – nach der Erweiterung zu „BRICS plus“ – rund 45 Prozent der Weltbevölkerung (Stand: März 2025), also über vier Mal mehr als in den G7-Staaten mit etwa zehn Prozent. Bei wesentlichen Wirtschaftsindikatoren wie dem BIP in Kaufkraftkapazität wurden die G7 bereits 2020 überholt; die BRICS liegen 2025 mit 36 Prozent des globalen BIP deutlich vor den 29 Prozent des BIP der G7.
Die „Deklaration von Rio de Janeiro“ der BRICS-Staaten enthält wesentliche Positionierungen zu Kernfragen von Frieden und Zusammenarbeit. Sie verurteilen die Militärschläge gegen den Iran nach dem 13. Juni, die eine „Verletzung des Völkerrechts und der UNO-Charta darstellen“, und verwiesen auf die drohende Verschärfung der Lage im Mittleren Osten. Sie wiederholen ihre große Sorge angesichts der Lage in den besetzten palästinensischen Gebieten und der anhaltenden Angriffe Israels gegen Gaza, der Verletzung des Völkerrechts und insbesondere des israelischen Vorgehens, Hunger als Methode der Kriegsführung einzusetzen. In Bezug auf den Ukraine-Konflikt verweisen die Staaten auf ihre jeweiligen nationalen Positionen, die sie bereits früher im UNO-Sicherheitsrat und in der Vollversammlung dargestellt haben.
Ausführlich wird in der Deklaration auch auf Fragen des internationalen Handels eingegangen. Das Welthandelssystem stehe an einer Weggabelung. Die Fortsetzung restriktiver Maßnahmen gegen den Handel in Gestalt von diskriminierenden Zöllen oder nicht-tarifären Maßnahmen, von Protektionismus oder unter Verweis auf Umweltschutzmaßnahmen gefährdeten den Welthandel. Die BRICS treten für einen Handel nach WTO-Regeln ein, für ein transparentes, faires, inklusives, nicht-diskriminierendes und konsensbasiertes multilaterales Handelssystem.
Hinsichtlich der Ergebnisse und der angenommenen Dokumente waren sich die BRICS-Staaten einig, dass es unmöglich ist, die Herausforderungen der Gegenwart effektiv zu lösen, ohne die Positionen der Länder des globalen Südens und Ostens, also der globalen Mehrheit, zu berücksichtigen. Insofern erwies sich BRICS erneut als Plattform zur Abstimmung der Interessen der beteiligten Staaten, eben der globalen Mehrheit, und als eine der tragenden Säulen einer multipolaren Weltordnung, die das bisherige System der Globalisierung ersetzt.
Die westlichen Mainstream-Medien haben sich wieder nahezu ausschließlich abfällig zu dem BRICS-Gipfel geäußert. Ein eigenständiges Finanzsystem, das den US-Dollar als „Weltwährung“ ersetze, sei nicht zustande gekommen. Erneut wurde versucht, dem BRICS-Verbund das Etikett westliche Demokratien gegen einen Zusammenschluss von Autokratien anzuheften. Während sich dies aus Sicht westlicher Propaganda in Bezug auf China, Russland und den Iran in gewissem Sinne behaupten ließe, sind Indien, Südafrika und Brasilien selbst nach westlichen Kriterien Demokratien. Das Scheinargument verfängt nicht.
Abwertend wurde zudem betont, es hätten weder Russlands Präsident Wladimir Putin noch Chinas Xi Jinping teilgenommen. Damit schwinde „die Illusion, dass die BRICS ein organisiertes Gegengewicht zur westlichen Welt bilden können“, meinte das bulgarische Onlineportal e-vestnik. Die deutsche taz dagegen unterstrich: „BRICS stellt für viele Länder eine reale Alternative zu den USA und Europa dar. […] Die großen Projekte einer alternativen Weltbank und einer eigenen Leitwährung, um den Dollar abzulösen, entwickeln sich zwar nur langsam, die Handelsbeziehungen und Investitionen aber wachsen stetig. Und BRICS knüpft sie nicht an moralische Standards. Der westliche Anspruch an eine regelbasierte Weltordnung gilt längst als scheinheilig – jüngst zeigt das der Umgang mit Israel, das sich nicht um das Völkerrecht in Gaza schert. Die Frage bleibt noch, ob Europa die Zeitenwende verstanden hat.“
Feindliche Lesart des Westens war es erneut, in BRICS ein „anti-westliches Bündnis“ zu sehen. Die BRICS+ dagegen verstehen sich als „nicht-westliches Bündnis“.
US-Präsident Donald Trump hatte angesichts des jetzigen Gipfels gedroht: „Jedes Land, das sich der antiamerikanischen Politik der BRICS anschließt, wird mit einem zusätzlichen Zoll von zehn Prozent belegt.“ Lula meinte, Trump führe sich auf wie ein „Kaiser“. Brasilien lasse sich von dem „Gringo“ jedoch keine Befehle erteilen.
Schlagwörter: BRICS, Erhard Crome, Globalisierung, Westen


