Frank Castorf macht am Staatsschauspiel Dresden aus Georg Büchners „Dantons Tod“ und Heiner Müllers „Der Auftrag“ ein Stück Castorf-Theater – was auch sonst.
Scheiternde Revolutionen sind vor allem blutig. Für diejenigen, die davon betroffen sind. Als Opfer oder als die mit einer Freiheitsverheißung Beglückten. Aber auch für die, die sie machen. Die Revolution frisst nicht nur ihre Kinder, sondern eben auch ihre Väter. Und Mütter.
Für die Literatur und die Bühne sind Revolutionen allemal ergiebig. Vor allem als Menetekel. Georg Büchner und Heiner Müller lieferten dazu zwei exemplarische Stücke. Das Junggenie mit „Dantons Tod“ 1835 das Stück zum Revolutionsblutbad der Franzosen. Sein sehr später Nachfolger, als der (wie Kassandra) mit dialektischer Hellsichtigkeit geschlagene, ahnungsvolle Chronist des Untergangs jeder revolutionären Utopie, mit „Der Auftrag“ von 1980 ein klassisches Wer-zu-spät-kommt-Stück.
Am Staatsschauspiel Dresden hat Frank Castorf jetzt die beide Vorlagen seinem ästhetischen Universum einverleibt und etwas Eigenes, Drittes daraus gemacht. Damit kann ein weiteres Exemplar von Castorf-Theater besichtigt, bestaunt, bewundert und bejubelt oder auch ermattet, respektive wütend vor der Zeit verlassen werden. Der einstige Theaterrevoluzzer gegen die DDR-Engstirnigkeit schwebt längst über allen Bühnenmoden jeglicher Couleur. Dabei ist er sich selbst treu geblieben und treibt sein Theater in eine eigene Art von Perfektion.
Unabhängig vom Stück (außer, wenn sich der Regiegroßmeister bei seinen Operninszenierungen halbwegs an das Zeitmaß der Partituren hält) sind seine Abende mit ihrer notorischen Überlänge immer auch ein Stresstest für‘s Publikum. Wer 18.00 Uhr seinen Platz im einnimmt und bleibt, verlässt das Theater in Dresden erst eine halbe Stunde nach Mitternacht. In der einzigen Pause ist die Versorgung, die im Theater angeboten wird (oder eben auch nicht), eher Parodie; Selbstversorgung das Gebot der Stunde …
Der kongenialer Castorf-Welt-Erfinder der letzten Jahre, Aleksandar Denić, hat auch diesmal eins seiner Bühnenbilder gebaut, die zwischen Traum und induzierter Erinnerung an Wirklichkeit changieren. Castorfs assoziative, schon etwas länger währende Frankophilie passt hier bruchlos zum Stück. Natürlich wird ausgiebig in dem grandiosen Café Procope, (dessen Vorbild eines der ältesten Restaurants der Welt im Quartier Latin ist) getafelt und das Ganze perfekt auf einen Bildschirm nach außen übertragen. Gleich daneben befindet sich ein L’Objet qui Parle, ein Antiquitätenladen – in dem Fall für moderne Waffen. Ob des live filmenden Kamerateams kommt auch die Zelle für Danton mit Doppelbett und Klobecken zu Videoehren. Dank Drehbühne auch die karge Rückseite. Wenn das Ganze dann auch einmal in einem spektakulären Coup einfach untergeht (und wieder aufsteigt), gibt es einen Blick auf die Dachterrasse. Und auf den Rundhorizont mit brennenden Landschaften. Es sind naiv gemalte Dörfer, die in Flammen stehen. Es könnte Frankreich, aber auch Jamaika sein.
Die Kostüme von Adriana Braga Peretziki oszillieren zwischen einem adaptierten Ancien-Régime-Schick und nüchterner Business fashion-Gegenwart. Der Blutmessias Maximilien Robespierre trägt meist einen roten Anzug, während Danton auch schon mal sein hedonistisches Bäuchlein pur zeigt. Den raunenden Sound für diese sich vor allem verbal im Blut sielende Castorfiade liefert William Minke.
Es ist eine ganz und gar bewundernswerte Leistung, dass die elf Mimen des Staatsschauspiels in diesem optischen Overkill mit ihren meist rausgebrüllten Texten erkennbar auf Büchners Diskurs und Müllers Geschichte der gescheiterten Sklavenbefreiung zurückgreifen. Manchmal kommen sie dabei auch von der Spur ab und spielen eine Szene einfach nur, weil sie es können.
Torsten Ranft erreicht dabei Kabinettstückqualität. Neben dem kafkaesken Monolog im Aufzug (aus Müllers „Auftrag“) liefert er zwischendrin eine Castorf-Parodie, die einen Blick in den Probenverlauf gewährt, über deren hingerotzte Originalität man sich köstlich amüsiert, weil man das Original zu sehen glaubt. Das ist eine Atempause in all dem Pathos, in das sich vor allem Franz Pätzold als Robespierre und Jannik Hinsch als Danton mit hineinsteigern. Und einem das Fürchten vor dem Blutrausch des Fanatismus lehren. Oft einfach frisch von der Rampe weg ins Publikum.
Schwer vorstellbar übrigens, dass Theater dieser Art mit einem Codex der Korrektheit vor Augen zu machen wäre.
Nächste Vorstellungen am 8. und am 28. Juni 2025.
Schlagwörter: Frank Castorf, Georg Büchner, Heiner Müller, Joachim Lange, Staatsschauspiel Dresden