Die Open Air Saison im Hof des Hauses Dacheröden, in Erfurt, wurde in diesem Jahr mit einem ganz besonderen Konzert eingeläutet: Die Jazzkappelle Elb Meadow Ramblers, die 1955 auf den Dresdner Elbwiesen gegründet wurde, hat am 21. Mai ein Konzert von Louis „Satchmo“ Armstrong in allen Details nachgespielt. Es sollte damit an jene Veranstaltung erinnert werden, die am 7. April 1965 in der Thüringenhalle Erfurt über die Bühne gegangen war. Der amerikanische Jazztrompeter und Sänger kam in die Thüringer Bezirksstadt und spielte seine Hits vor ausverkauftem Haus.
Insgesamt sollten es 17 Konzerte in der DDR werden: in Berlin, Leipzig, Magdeburg, Schwerin und eben Erfurt. 1965 war ein offenes Jahr für populäre Musik, denn bei der DDR-Schallplattenfirma Amiga erschien eine Beatles-Platte, die Sputniks durften zwei Singles aufnehmen, allerdings gelangten auch eine Single von Drafi Deutscher („Marmor, Stein und Eisen bricht“) und der Sampler Amiga-Express, unter anderem mit Bert Hendrix, Bärbel Wachholz und Helga Brauer, in die Schallplattenläden der HO.
Da man sich in den realsozialistischen Ländern langsam dem Jazz und Blues zuwandte, Armstrong 1959 in Jugoslawien und Benny Goodman 1962 in der Sowjetunion gastiert hatten, sagten DDR-Zuständige dem Management von Louis Armstrong zu, dass ihr Schützling in der DDR spielen könne. Natürlich sah das Außenministerium der USA die Tournee eines prominenten Kulturbotschafters als einen Wegweiser in die westliche Welt an, der American Way of Life sollte beworben werden. Die Künstleragentur der DDR hingegen, die die Organisation übernahm und auch die Kosten selbst beglich, obwohl üblicherweise die USA diese bei Konzerten in den östlichen Ländern übernahm, sah in dem schwarzen Künstler einen Bürgerrechtler, der mit seiner Musik gegen Rassismus und Unterdrückung und insgesamt gegen die kapitalistische Gesellschaft kämpfte. Allerdings ging Louis Armstrong bei Pressekonferenzen sehr diplomatisch vor und umging politische Fragen sehr geschickt.
Wie nach den Konzerten gemunkelt wurde, hat ein Schweizer Musikunternehmer Wertobjekte, die Armstrong statt Gage in west erhielt, wie Optik vom VEB Carl Zeiss Jena, Jagdwaffen aus Suhl und Antiquitäten, weiterverkauft und den Erlös an das Armstrong-Management übergeben.
Nachdem Armstrongs Band zuvor neun Konzerte in Prag gegeben hatte, traf sie am 19. März 1965 auf dem Flughafen Berlin Schönefeld ein, wo die Jazzoptimisten aus Berlin zur Begrüßung spielten und Armstrong spontan mitsang. Nur einen Tag später ging das erste Konzert im Friedrichstadtpalast Berlin über die Bühne, wobei hier Ella Fitzgerald ebenfalls am Mikrophon stand. Den All Stars, bestehend aus Jewel Brown (voc), Billy Kyle (Piano), Tyree Glenn (Posaune), Eddie Shu (Klarinette), Arvell Shaw (Kontrabass) und Danny Barcelona (dr), wich Moderator Karlheinz Drechsel nicht von der Seite. Er half wo er konnte und sagte alle Musiker namentlich an, was Armstrong später sehr lobte. Weiter gab es vier ausverkaufte Konzerte in Berlin und anschließend vier weitere in Leipzig.
Nach dem Auftritt in einer ZDF-Fernsehshow und Konzerten in Rumänien, Jugoslawien und Bulgarien kehrten die All Stars zurück in die DDR, um noch einmal im Friedrichstadtpalast zu spielen, dann in Magdeburg, in der Erfurter Thüringenhalle und in der Sport- und Kongresshalle Schwerin. Die Bürger der nördlichen Bezirksstadt konnten allerdings mit amerikanischem Jazz offenbar nicht viel anfangen, denn ein Konzert fiel wegen mangelnder Nachfrage (sic!) aus.
Im Lauf der Jahre wurden einige unvorhergesehene Begebenheiten bekannt. So fuhren die Musiker mit einem Tourbus durch die DDR, wobei es in Genthin bei Magdeburg zu einer Panne kam. Während der Reparatur ging man in die HO-Gaststätte „Grüne Kachel“ und trank Bier. Bockwurst war leider ausverkauft. Auch brauchte Louis Armstrong in Leipzig einen Zahnarzt, dem er nach der Behandlung 50 Mark und zwei Eintrittskarten überreichte.
Nach den Konzerten erlebte die Jazzmusik in der DDR einen starken Aufschwung. In den folgenden Jahren erschienen einige wichtige Jazzplatten, Jazzmusiker des Ostens tourten durch die Welt, ab den 1970er Jahren starteten verschiedene Jazzfestivals (so in Peitz) und es gründeten sich, natürlich unter der „Obhut“ der FDJ, viele Jazzarbeitsgemeinschaften.
Neben dem Konzert mit den Jazzern aus Dresden wird Jack Cooper am 17. Juni 2025 mit einem Vortrag an den 60. Jahrestag der legendären Auftritte erinnern, in der Gedenkstätte in der Erfurter Andreasstraße. Der preisgekrönte Saxophonist, Komponist und Instrumentalist, der bereits mit den Temptations, Kenny Rogers, Tommy Dorsey, Marc Marshall und Macy Gray zusammenarbeitete, wird mit dem Posaunisten Hermann Anders auftreten, der als Teil der Jazz Optimisten für und mit Louis Armstrong musiziert hat.
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