Der deutsche Titel – „Könige des Sommers“ – ist so bescheuert irreführend wie der französische – „Vingt Dieux“ („Zwanzig Götter“) – rätselhaft bleibt. Dazu offenbart ein Teil der einschlägigen einheimischen Filmkritik mal wieder ihr erschreckend flaches, also Niveau kann man es eigentlich nicht nennen: „ein raues und humorvolles Porträt der ländlichen Jugend“ (FAZ); „ein beglückender Heimatfilm im besten Sinne des Wortes“ (Radioeins); „eine Komödie über das Landleben“ (stern).
„Beglückender Heimatfilm“, Kollege Knut Elstermann? Da möchte man nicht wissen, wie Sie einst die sozialkritischen Filme von Ken Loach apostrophiert haben mögen.
Auch Lachen kommt bei dieser „Komödie“ nicht recht auf und wenn doch, bleibt es dem Zuschauer eher im Halse stecken.
Die Franche-Comté ist jene komplett an die Schweiz angrenzende Region im Osten Frankreichs, in der der auch in Deutschland von Käseliebhabern geschätzte Hartkäse Comté hergestellt wird. (Der Rezensent goutiert ihn bis zu einem Reifegrad von zwölf Monaten sehr, danach allerdings kristallisiert Salz im Käsekörper aus, was seines Geschmackes dann nicht mehr ist.) Diese Franche-Comté ist offenbar ein Landstrich von gnadenloser und ubiquitärer Tristesse vor allem für die nachwachsende Generation, gepaart mit individueller und sozialer Perspektivlosigkeit für große Teile der ländlichen Bevölkerung. Dort möchte man nicht tot überm Zaun hängen.
Wie realistisch und zugleich liebevoll allerdings – sowie frei von jeglicher Gefühlsduselei – Regisseurin Louise Courvoisier den Film mit einem Ensemble hierzulande unbekannter Schauspieler in Szene setzt, das verrät ein gerüttelt Maß an Talent und beeindruckt. Der „Prix de la Jeunesse“ bei den letztjährigen Filmfestspielen von Cannes jedenfalls hätte nicht besser vergeben werden können.
„Könige des Sommers“, Regie und Drehbuch (Mit-Autorin): Louise Courvoisier; derzeit in den Kinos.
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Man kann es kurz machen: In Sachen cineastischer Einfallsreichtum und Esprit kann Paddington III seinen beiden Vorgängern (siehe Blättchen 25/2024 und 25/2017) das Wasser nicht reichen. Zu allem Überfluss muss Oscar-Preisträgerin Olivia Coleman als Mutter Oberin in Nonnentracht noch ziemlich zu Beginn des Streifens Gitarre spielend, trällernd und tanzend eine alberne Musical-Einlage abliefern, die dramaturgisch komplett sinnfrei ist. (Der Einfall ist vielleicht der Tatsache geschuldet, dass Regisseur Dougal Wilson, der Film ist sein Erstling, ein englischer Regisseur von Werbespots und Musikvideos (Wikipedia) ist.) Gottseidank wiederholt sich dergleichen nicht.
Während Paddington III zunächst einigermaßen langatmig dahinplätschert, nimmt die Handlung dann doch noch Fahrt auf und mutiert schließlich zu einer Art Remake der frühen Indiana Jones-Streifen. Besonders originell ist das aber auch nicht.
Am Ende des Films steht Hugh Grant, der in Paddington II als Bösewicht hinter schwedischen Gardinen verschwunden war, offenbar kurz vor seiner Entlassung. Das lässt befürchten, dass der jetzige Missgriff nicht der letzte gewesen sein muss …
„Paddington in Peru“, Regie: Dougal Wilson; derzeit in den Kinos.
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Als Titel für diesen Film, der bereits 2021 Premiere hatte, auf den der Besprecher aber erst jetzt aufmerksam geworden ist, käme auch „Ziemlich beste Freunde“ infrage. Doch mehr als die Szene mit der Polizeikontrolle haben die Macher des Films aus dem tragikomischen Welthit von 2011 nicht abgekupfert. Die Grundkonstellation allerdings kommt dem Phänomen eineiiger Zwillinge zumindest recht nahe: Wieder geht es um die Frage, ob und wie man mit einer gravierenden physischen Beeinträchtigung ein lebenswertes, auch freudvolles Leben führen kann. Mit einem kleinen, aber pfiffigen Unterschied zum Blockbuster von einst – dieses Mal gibt der Behinderte den Lebenskünstler und der körperlich Unversehrte den Griesgram. Ersterer ist Alexandre Jollien, ein Schweizer Philosoph und Autor, der von Geburt an unter einer zerebralen Bewegungsstörung leidet. Ihn sah der Schauspieler Bernard Campan in einer TV-Sendung, in der Jollien über den griechischen Philosophen Diogenes sprach. Beide lernten sich kennen, wurden Freunde und wollten schließlich einen Dokumentarfilm über Jolliens Leben drehen. Geworden ist es dann ein anrührendes Roadmovie.
„Glück auf einer Skala von 1 bis 10“, Regie und Drehbuch (Mit-Autoren): Alexandre Jollien und Bernard Campan; in der ARD-Mediathek nur noch verfügbar bis 03.03.2025.
Schlagwörter: Clemens Fischer, Könige des Sommers, Paddington in Peru