27. Jahrgang | Nummer 24 | 18. November 2024

Antworten

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), glückloser Bundeswirtschaftsminister und Visionär von hohen Graden – Viermal hat Ihre Partei dieses Jahr versucht, bei Wahlen aus ihrem Tief zu kommen, und viermal ging das gründlicher schief, als selbst Pessimisten befürchtet hatten: Bei der Europawahl im Juni halbierte sich das Ergebnis fast, von vormals mehr als 20 auf nur noch 11,9 Prozent. Es folgten Landtagswahlen im Doppelpack. In Sachsen reichte es mit gerade mal 5,1 Prozent gerade so für den Wiedereinzug in den Landtag. In Thüringen allerdings verharrte der Balken am Ende des Abends bei 3,2 Prozent, und in Brandenburg stürzten die Grünen von elf auf vier Prozent ab. Zweimal Rauswurf aus dem Landtag. Und Ihre dreijährige Bilanz als Bundeswirtschaftsminister lässt sich ohne besondere Häme auf den Dreiklang bringen: Pleiten, Pech und Pannen. Doch all dies ficht Sie offenbar nicht an, denn nun haben Sie die Pulloverärmel hochgeschoben, sich bei Freunden an den Küchentisch gesetzt und dem staunenden Publikum per Video Ihre ungebrochenen Ambitionen aufs Kanzleramt verkündet.

Weil Sie erkannt haben: Friedrich Merz tut es, Olaf Scholz tut es, Alice Weidel tut es. Sie nun also auch. Glückwunsch! Das wird eine Bundestagswahl!! Nämlich die mit den meisten Kanzlerkandidaten ever. Wann ziehen Sahra Wagenknecht und Hubert Aiwanger endlich nach, fragen wir uns. Und wo bleibt Christian Lindner als vermutlich erster außerparlamentarischer Kanzlerkandidat?

Wir kalauern üblicher Weise zwar nicht, doch hierzu fällt uns wirklich bloß noch Shakespeare ein: „Ist’s Wahnsinn auch, so hat es doch Methode.“

 

Henry Louis Mencken, us-amerikanischer Publizist mit deutschen Wurzeln – vor über 100 Jahren schrieben Sie für The Evening Sun in Baltimore am Ende einer politischen Glosse zu Wahlen satirisch überspitzt: „Alle Chancen liegen bei dem Mann, der eigentlich der abwegigste und mittelmäßigste ist – der die Ahnung, dass sein Geist ein virtuelles Vakuum ist, am geschicktesten zerstreuen kann. Das Präsidentenamt neigt Jahr um Jahr mehr zu solchen Männern. Mit der Vervollkommnung der Demokratie widerspiegelt dieses Amt mehr und mehr die innere Seele des Volkes. Wir nähern uns einem erhabenen Ideal. Eines großen und glorreichen Tages wird sich der Herzenswunsch der einfachen Leute des Landes letztendlich erfüllen und das Weiße Haus mit einem wahren Debilen [im Original: moron, d. Red.] geschmückt sein.“

Wir können Ihnen post mortem fast prophetische Fähigkeiten unterstellen, auch in Kombination mit einem weiteren Zitat von Ihnen: „Die Wahrheit, die überlebt, ist lediglich die Lüge, die am angenehmsten zu glauben ist.“

 

Katja Hoyer, (geschätzte) Historikerin und Kolumnistin der Berliner Zeitung – In einer geharnischten Philippika gegen die friedenspolitischen Positionen des BSW, das die Stationierung von US-Langstreckenraketen gegen Russland in Deutschland, die ab 2026 erfolgen soll, strikt ablehnt, ziehen Sie vom Leder: „[…] die Idee, dass ein ‚dauerhafter Frieden‘ […] in einzelnen deutschen Bundesländern herbeigeredet werden kann, ist absurd und nichts anderes als die Ausnutzung der Sorgen der Menschen für Wagenknechts politischen Machtkampf, vor allem mit Blick auf die Bundestagswahl. […] Die amerikanischen Raketen dürfen laut dem Zwei-plus-Vier-Vertrag ohnehin nicht in Ostdeutschland stationiert werden.“

Ist Ihnen da möglicherweise die regierungsamtliche deutsche Flexibilität im Hinblick auf den 2+4-Vertrag entgangen? Mitte Oktober 2024 informierten nämlich deutsche und ausländische Medien über eine neue maritime Kommandozentrale – „NATO koordiniert Einsätze auf der Ostsee von Rostock aus“ (NDR); die NATO-Pressestelle fasste sich kürzer: „NATO establishes Commander“. Chef ist aktuell ein deutscher Admiral, sein Stellvertreter ein polnischer Offizier, sein Stabschef ein Schwede. Letztere dürften allerdings „ohnehin nicht in Ostdeutschland stationiert werden“, denn in Artikel 5, Absatz 3 des 2+4-Vertrages heißt es: „Ausländische Streitkräfte […] werden in diesem Teil Deutschlands [gemeint ist das Gebiet der Ex-DDR – die Redaktion] weder stationiert noch dorthin verlegt.“ 

 

Birk Meinhardt, Schriftsteller (siehe Blättchen 21/2024) – Sie mokieren sich über die allgegenwärtige semantische, vor allem aber auch zerebral tief eingefressene Bigotterie einschlägiger westlicher Politiker und Medien, die zwar gern und geläufig gegen Russland vom Leder ziehen, den Balken im eigenen Auge jedoch nicht wahrhaben. (Wollen, können oder was auch immer.) „Wurde hier eigentlich je ein Krieg außer dem der Russen Angriffskrieg genannt? Der Irakkrieg? Der im Jemen? In Serbien?“ Der Westen „nennt es […] jedes Mal, wenn er irgendwo auf der Welt einmarschiert, humanitäre Intervention; wer von zwei Falschen ist im Rahmen seiner Propaganda ehrlicher, derjenige, der in seiner Umschreibung für sein todbringendes Tun das Wort humanitär zu stehen hat, oder derjenige, bei dem das Wort wenigstens militärisch lautet?“ Und: „[…] wofür sorgten die deutschen Tornado-Piloten und die anderen aus der NATO in Serbien? Für die Tötung von 2500 Zivilisten, die Zerstörung von 25.000 Wohngebäuden, 69 Schulen, 19 Krankenhäusern und von der Zentrale des Fernsehens sowieso; die Serben übergaben den Angreifern eine Liste mit den Standorten ihrer Chemiefabriken, damit, aus Gründen des Schutzes für Mensch und Natur, wenigstens die verschont blieben, und was wurde […] dann gezielt in Brand gesetzt?“

Sie leben doch inzwischen lange genug im Westen, um zu wissen, hier gilt nicht: „Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe.“ Sondern: „Selbst wenn zwei dasselbe tun, ist es noch nicht einmal das Gleiche!“

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Sprachrohr der Torheit? – Sie gelten gemeinhin ja als Kronjuwel des seriösen bürgerlich-konservativen Journalismus. Doch auch einen solchen Ruf kann man ebenso verspielen, wie er offenbar nicht vor Paranoia schützt. Jüngst ließen Sie Michael Hanfeld, den stellvertretenden Chef Ihres Feuilletons, den Teufel an die Wand malen: Demnächst könnten „Putins Truppen zum Sturm auf eine 4000 Kilometer lange NATO-Außengrenze ansetzen“.

Huch! „Putins Truppen“, die mit ihrer militärischen Sonderoperation in der Ukraine nach knapp drei Jahren Krieg im Schleichgang und unter, wie westliche Medien wiederholt vermeldet haben, horrenden Verlusten an Menschen und Material immer noch nicht zu Ende sind?

Es gab mal einen US-Verteidigungsminister namens Forrestal, der in einem Militärkrankenhaus aus dem 16. Stock gesprungen ist. Dabei soll er ausgerufen haben: „Die Russen kommen!“ Vielleicht sollten Sie die Fenster Ihrer Redaktionsräumlichkeiten besser dauerhaft geschlossen halten? Zumindest die beim Kollegen Hanfeld.

Doch stopp! Gerade fällt uns auf, dass dessen Text (online) am 11.11. (wenn auch nicht um 11:11 Uhr, sondern erst 18:08 Uhr) publiziert wurde: ein Faschingsscherz also!

Plumps! (Aufprallgeräusch des Steines der uns gerade vom Herzen …)

 

Robert Habeck, die zweite Antwort, vermutlich Bundesmeister im Anzeigengeschäft – Sie sollen seit April des vergangenen Jahres mehr als 700 Anzeigen erstattet haben, die Welt und sogar die Tagesschau berichteten, wegen Hassnachrichten und auch wegen konkreter Gewaltandrohungen.

Nach einer dieser von Ihnen persönlich gestellten Anzeigen wegen Beleidigung klingelte die Staatsmacht der Staatsanwaltschaft in Bamberg morgens um 6:15 Uhr bei der Familie eines 64-jährigen Unterfranken. Ziel des frühen Weckens: Durchsuchung und Sichern von Beweisen. Das Vergehen des Bürgers: Er hatte bei X einen Post weitergeleitet, auf dem ein Porträt von Ihnen mit der Unterschrift „Schwachkopf Professional“ zu sehen war. Dazu das ikonische Zeichen der Haarspraymarke „Schwarzkopf“. Beides zusammen erinnert im Allgemeinen ironisch an eine entsprechende Werbung (Schwarzkopf Professionell). Die Staatsanwaltschaft offenbar an Volksverhetzung.

Da fällt uns Winston Churchill ein, dem ein hier passendes Bonmot nachgesagt wird: “Wenn es morgens um 6 Uhr an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe.“ Das sehen wir auch so. Wie das der Beschuldigte inzwischen sieht, ist uns nicht bekannt.