27. Jahrgang | Nummer 20 | 23. September 2024

Antworten

Friedrich Schorlemmer, protestantischer freier Geist – Mit großer Trauer mussten wir hören, dass Sie vor wenigen Tagen im Alter von 80 Jahren gestorben sind. Viele bewegende Würdigungen sind geschrieben und gesprochen worden, wir müssen sie nicht wiederholen. Nur an eine symbolische Handlung von Ihnen wollen wir dennoch erinnern, die bis heute ihr Gebot nicht verloren hat. Das Wort des Propheten Micha, „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen.“, liessen Sie tatsächlich umsetzen. Während des Kirchentags 1983 in Wittenberg erfolgte auf dem Lutherhof unter Ihrer Initiative und Verantwortung als Pfarrer die symbolische Umschmiedung eines Schwerts zu einer Pflugschar. Die DDR-Behörden hatten zuvor versucht, die öffentliche Benutzung des Slogans Schwerter zu Pflugscharen zu unterbinden. Diese Aktion machte Sie international bekannt und wurde zu einem Hoffnungszeichen für die Friedensbewegung nicht nur in der DDR. Ihrem pazifistischen Geist blieben Sie sich bis zuletzt im vereinten Deutschland treu. Davon zeugen Ihre Worte gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr wie gegen jegliche Aufrüstung und Kriegstümelei.

 

Florian Schroeder, ehemalig gern gehörter Satiriker – In einem „satirischem Gastbeitrag“ für den Spiegel holen Sie die ganz große Keule raus: „Dieses Rangewanze muss aufhören.“ Ihr Bezugspunkt sind die Wähler in Thüringen und Sachsen. Sie sprechen von der Verantwortung der Ossis als Wähler: „Und wenn ich dann eben Putin-Klatschvieh wie AfD und BSW die Stimme gebe, dann bedeutet das, dass ich mit dem Prinzip Freiheit offensichtlich überfordert bin.“ Weiter: „Vielleicht möchten die Wähler von Höcke und Wagenknecht ja ihre eigene (Re-)Migration nach Ungarn oder Russland in Angriff nehmen. […] Viel Spaß dort!“

Ihre unsägliche Gleichsetzung von AfD und BSW bedeutet, dass Sie mit dem Prinzip Differenzierung offensichtlich überfordert sind. Abgesehen davon sind Wähler, ergo Bürger, kein Klatschvieh, auch wenn deren Wahlverhalten nicht ins eigene politische Konzept passt. Schon mal was von Demokratie gehört, Herr Schröder? Früher hieß es im Westen gegen Linke und Grüne „Geh’ doch rüber, wenn es dir hier nicht passt!“ Nun nehmen Sie solchen Blödsinn auf. Ihr Beitrag ist nicht mehr satirisch, sondern arrogant und dumm, von einem Lörracher war vermutlich nichts besseres zu erwarten.

 

Bettina Schausten, Chefredakteurin des ZDF – Spätestens seit Anfang Januar 2012 hätte man wissen müssen, dass mit Ihnen nicht alles koscher ist. Da hatten Sie zusammen mit Ihrem damaligen Kollegen Ulrich Deppendorf den seinerzeitigen Bundespräsidenten Christian Wulff wegen einiger finanzieller Unkonventionalitäten in dessen Privatleben auf dem televisionären Grill. Während Deppendorf das 20-minütige Interview mit professioneller Abgeklärtheit absolvierte, verriet Ihr Minenspiel immer mal wieder einen Verhaltenszustand, den man vielleicht als juvenilen Jagdtrieb oder etwas vergleichbar Unabgeklärtes, vulgo journalistisch Unprofessionelles, apostrophieren könnte (zum Video hier klicken). Und dann die Sequenz (ab Minute 14:04), wo Wulff damit konfrontiert wird, bei Leuten kostenfreie Urlaubstage verbracht zu haben, die er als langjährige Freunde bezeichnet, denen er seinerseits ebenfalls keine Rechnung stelle, wenn sie ihn in Berlin besuchten. Da werfen Sie – nur schnippisch oder doch abschussgeil? – ein: „Aber da hätten Sie natürlich auch sagen können, ich gebe euch mal pro Nacht 150 Euro. Was spricht dagegen […] eigentlich?“ Wulff: „Machen Sie das bei ihren Freunden so?“ Und Sie – wie aus der Pistole geschossen: „Ja!“

OK, bei Freunden wie Ihnen sollte man das vielleicht geradezu fordern.

ZDF-Chefin wurden Sie trotzdem. Deshalb werden Sie Ihren jüngsten Kracher wohl ebenfalls unbeschadet im Amte überleben: Die Nennung der Wahlergebnisse der AfD in Thüringen und Sachsen am 1. September 2024 in einem Atemzug mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges 85 Jahre zuvor durch den deutschen Überfall auf Polen und mit dem nachfolgenden Holocaust (zum Video hier klicken).

Wir schließen uns in diesem Falle ausnahmsweise dem Kommentar von Eric Gujer, Chefredaktor der Neuen Zürcher Zeitung, an: „Die Vorstellung, ein Höcke könne wie Hitler die Republik zu Fall bringen, ist so absurd, dass man an der Zurechnungsfähigkeit der kommentierenden Klasse zweifelt. Wenn die kollektive Hysterie wütet, muss man sich verweigern. Auch das ist Zivilcourage.“

 

Maritta Tkalec, klarsichtige Kollegin von der Berliner Zeitung – Während Vertreter der alt-bundesdeutschen Parlamentsparteien immer noch fassungslos auf die jüngsten Wahlergebnisse des BSW, diese „katastrophale Abstrafung der regierenden Parteien“ (NZZ Deutschland), starren und dessen Gründerin, Sahra Wagenknecht, wahlweise als „Wunderheilerin“ (Wolfgang Thierse, SPD) oder als „Extremistin“ (Carsten Linnemann, CDU) denunzieren, diagnostizieren Sie, dass „viele Wähler nach ungünstigen Erfahrungen mit Menschen ohne Ausbildung, mit viel Haltung und wenig Ahnung in hohen Ämtern die Volksparteien“ um das Volk gebracht hätten. „Sie [die Wähler] sähen gerne wieder gebildete, kompetente, erfahrene, geordnete Menschen als Interessenvertreter.“

Ein schönes Beispiel dafür, zu welch‘ klaren Ergebnisse doch Analyse führen kann, wenn man sie ohne ideologische Scheuklappen und ohne Schaum vor dem Mund betreibt.

 

Wolfgang Grupp, Ex-Trigema-Chef (der mit dem Schimpansen wirbt) – Zu unserem gemeinsamen Bundesfinanzminister, dem Lindner, Christian von der FDP, meinten Sie kürzlich: „Ich verstehe den Herrn Dr. Lindner nicht. Die FDP hat jetzt ein Prozent, alle Wähler sind abgesprungen. Mit einem Prozent kann man doch nicht sagen: Ich bin wichtig.“

Da müssen wir Ihnen widersprechen, denn das ist ja gerade die Krux mit diesen abgehobenen Wichtigtuern – dass sie den eigenen Sinkflug nicht nur nicht realisieren, sondern bisweilen gar noch für Durchstarten halten …

 

Werner Krumbein, Leserbriefverfasser – Sie schreiben uns: „Ich will das Momentum nutzen, um meine dystopischen Gedanken zur deutschen Sprache rauszulassen. Offenbar connecten sich immer mehr content creator, um sich in ihrem Narrativ einer „modernen“ Sprache zu baden. Sie triggern uns damit, bis wir unsere Resilienz verlieren. Sie wissen, dass wir inzwischen ja so vulnerabel sind. Wir finden uns nicht mehr zurecht und landen im Eskapismus. Altvertraute Begriffe verschwinden oder werden mit neuen Konnotationen belegt. Es reicht, ich muss wieder an meine carearbeit.“ Wir können Sie gut verstehen.

 

Erich Vad, Ex-Brigadegeneral und vormals sicherheitspolitischer Berater der Bundeskanzlerin – Zur einsamen Entscheidung der USA und des deutschen Bundeskanzlers, ab 2026 US-Langstreckenraketen, mit denen quasi ohne Vorwarnzeit Ziele in Russland attackiert werden könnten, ausschließlich in Deutschland zu stationieren, hat Olaf Scholz mit der ihm eigenen Nüchternheit mitgeteilt: „Diese Entscheidung ist lange vorbereitet und für alle, die sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigen keine wirkliche Überraschung.“ Sie haben trotzdem das sprichwörtliche Haar in der Suppe entdeckt: „Da […] Deutschland im Kriegsfall das Aufmarschgebiet und die logistische Plattform des Bündnisses wäre, wird die in Gänze schutzlose deutsche Bevölkerung einem sehr hohen Risiko ausgesetzt, ohne dass sie dazu selbst gefragt wird. Das Risiko im Kriegsfall betrifft zudem exklusiv unser Land und wird nicht von anderen Bündnispartnern geteilt.“

Trotzdem hat uns Scholzens Einlassung nicht wirklich überrascht. Denn der Olaf sieht ja auch, „dass wir die ersten guten Daten für eine wirtschaftliche Besserung in Deutschland bekommen“. Während all die anderen Blinden im Lande stur weiter behaupten, dass die deutsche Wirtschaft dabei ist abzuschmieren …