Die deutsche Wirtschaft dümpelt weiter vor sich hin. Es ist nun bereits das dritte Jahr in Folge, dass ein solcher Befund vorliegt. Mal wächst die Wirtschaftsleistung minimal, um ein Fünftel Prozent, mal schrumpft sie um ein Zehntel. Eine klare Richtung ist nicht auszumachen. Es ist weder eine richtige Rezession noch eine wirkliche Erholung oder gar ein Aufschwung.
Quartal für Quartal prognostizieren die Wirtschaftsexperten eine leichte Besserung. Aber immer wieder werden ihre Erwartungen enttäuscht. So auch diesmal, indem die Statistik für das Frühjahr nicht wie erwartet ein leichtes Plus der Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorquartal ausweist, sondern ein leichtes Minus von 0,1 Prozent: Das heißt, das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst nicht, sondern es stagniert.
Und auch die zwischenzeitlich durch Erfolgsberichte einzelner Unternehmen geweckten Hoffnungen auf eine Verbesserung der Industriekonjunktur mussten einen spürbaren Dämpfer einstecken. Die Industrieproduktion sank deutlich und die sich bei der Auftragslage noch im April abzeichnenden Stabilisierungstendenzen schwächten sich in den Folgemonaten wieder merklich ab. Die deutsche Industrie ist derzeit kein Motor für die wirtschaftliche Konjunktur. Eher gehen hiervon Bremswirkungen aus. Die Ursachen dafür sind ganz offensichtlich die überall fehlenden Investitionen. Als Gründe sind die seit der Zinswende leicht, aber doch spürbar gestiegenen Finanzierungskosten sowie die stagnierende Nachfrage nach Industrieerzeugnissen und Bauleistungen auszumachen.
Bemerkenswert ist, dass die Politik auf diese Signale nicht konsequent mit entsprechenden Maßnahmen reagiert. Statt endlich ein umfassendes Investitionsprogramm in Gang zu setzen und damit die Modernisierung und Umstrukturierung der Wirtschaft, ihren ökologischen Umbau, voranzutreiben, wird dogmatisch an finanzjuristischen Fehlkonstruktionen wie der Investitions- und Schuldenbremse festgehalten und auf diese Weise eine wirtschaftliche Belebung nachhaltig verhindert. So wachsen nur noch der Dienstleistungssektor und mit diesem der private Konsum. Aber stimmt das überhaupt? Wird tatsächlich Jahr für Jahr bei stagnierender Wertschöpfung durch die Bevölkerung immer mehr verbraucht?
Die Wahrheit ist, dass die stabile Arbeitsmarktlage und die positive Lohnentwicklung in den letzten Monaten dazu geführt haben, dass der Konsum, nominal gerechnet, etwas zugenommen und die Sparneigung etwas abgenommen haben. Bei der Beurteilung dieser Tendenz darf jedoch die Inflation nicht außer Acht gelassen werden. Die Inflationsrate liegt derzeit immer noch oberhalb der Zielgröße von 2,0 Prozent. Im Mai waren es 2,4 im Juni 2,2 und im Juli 2,3 Prozent. Dämpfend wirkten sich hierauf die günstigeren Preise für Energie aus. Demgegenüber verteuerten sich aber Nahrungsmittel weiter und auch die Preise für Industriegüter stiegen wieder leicht an. Die Kernrate der Inflation (der Harmonisierte Verbraucherpreisindex HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel) ist zwar leicht gesunken, von mehr als drei auf jetzt 2,9 Prozent, liegt damit aber weiter signifikant über der Gesamtrate.
Die Daten belegen, dass die laufenden Einkommenssteigerungen fast vollständig von der Inflation absorbiert werden. Dadurch erweisen sich die statistisch ausgewiesenen Zuwächse des Konsums überwiegend als reine Preiseffekte. Dies gilt für Lebensmittelkäufe ebenso wie für die Inanspruchnahme von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen, für Urlaubreisen und für größere Anschaffungen. Wer in diesem Jahr 30 Prozent mehr für Lebensmittel ausgibt als im Jahr 2020, konsumiert in realer Rechnung, also preisbereinigt, nicht mehr als vor drei Jahren. Die Lebensmittel sind bloß teurer geworden und die Konsumsumme folglich höher. Diese Feststellung ist ökonomisch plausibel und stimmt mit der stagnierenden Entwicklung der Wirtschaftsleistung überein, auch wenn uns die Politik immer wieder etwas anderes weiszumachen versucht.
In den kommenden Monaten dürfte die Inflationsrate zwar schwanken, in der Tendenz aber wohl kaum weiter sinken. Sie wird oberhalb der genannten Zielgröße verbleiben. Dies liegt an der hohen Volatilität der Ölpreise im vergangenen Jahr, deren Wirkung sich nun als Basiseffekt in den Verbraucherpreisen niederschlägt. Aber auch daran, dass die Teuerung bei vielen Dienstleistungen angesichts eines nach wie vor kräftigen Lohnwachstums anhält.
Da die Lohnzuwächse nicht allen Beschäftigten gleichermaßen zugutekommen, zeichnet sich eine weitere Unausgewogenheit im Lebensniveau ab: Bezieher von Sozialleistungen, Altersrentner und Personengruppen, für die es faktisch keinen oder nur einen unzureichenden Inflationsausgleich gibt, werden weiter darunter leiden, dass die Inflation an ihrer Kaufkraft und ihren Konsummöglichkeiten zehrt. Sie werden sich daher auf zusätzliche Einschränkungen einstellen müssen, insbesondere dann, wenn die Wirtschaftsentwicklung weiter stagniert. Erst wenn die Wirtschaft wieder wächst und es wieder mehr zu verteilen gibt, dürfen auch die finanziell benachteiligten Bevölkerungsgruppen auf einen gewissen Ausgleich hoffen.
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