Vor einiger Zeit wurde an dieser Stelle über einen Fachtag des Arbeitskreises Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e.V. am 3. November 2023 zum Thema „Ungewollte Kinderlosigkeit – vom Mythos der grenzenlosen Machbarkeit und den Schattenseiten der Reproduktionsmedizin“ berichtet. Dort standen vor allem medizinische, juristische und philosophische Fragen im Mittelpunkt. Es wurde jedoch mehrfach auch darauf hingewiesen, dass in den gegenwärtigen, vor allem von der FDP forcierten Debatten, um die Zulassung von Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland, die wirtschaftlichen Interessen der Reproduktionsmedizinischen Zentren, der Agenturen und der heute schon international agierenden medizinischen Konzerne kaum eine Rolle spielen. Diese Lücke schließt ein Ende 2023 von der österreichischen Initiative „Stoppt Leihmutterschaft“ herausgegebenes Buch mit dem Titel „Die neuen Gebärmaschinen? Was die globale Leihmutterschaft mit Frauen und Kindern macht“. Die Beiträge des Buches gehen damit über die Forderung des Fachtages nach einer zunächst notwendigen Klärung offener Fragen und öffentlichen Diskussion vor einer Zulassung in Deutschland hinaus. Sie bezeichnen die Leih- / Mietmutterschaft als einen Kristallisationspunkt der Gewalt gegen Frauen und wenden sich gegen alle Versuche, sie auf internationaler Ebene ohne Information der Öffentlichkeit und ohne Berücksichtigung der Menschenrechte von Frauen und Kindern zu regulieren. Solche Praktiken seien die sinnbildlichste Manifestation der patriarchalen Herrschaft, die mit allen Mitteln versuche, die Kontrolle über die reproduktiven Fähigkeiten der Frauen zu sichern, zum Nutzen der Männer und für den Profit. Am Ende des, bereits auf französisch, spanisch, italienisch und englisch erschienen Buches, findet sich folgerichtig ein „Feministischer Entwurf für eine Konvention zum Verbot von Leih- / Mietmutterschaft“. Weiterhin gibt es einen Anhang, der die traditionellen Märchen und Mythen („die Frau sei ein Engel“; „es gäbe nichts Besseres in ihrem Leben, als für andere selbstlos ein Kind zur Welt zu bringen“ etc.) in korrekte Sprache übersetzt.
Das Buch selbst stellt im Sinne der internationalen Autorinnen einen Akt des Widerstands dar und will bekräftigen, dass die Rechte der Frauen und Kinder nie endgültig gesichert sind, sondern immer hart verteidigt werden müssen. Auch mit der in vielen Beiträgen betonten Nichtachtung der Kinderrechte werden die Debatten des Fachtages weitergeführt: Kinder haben ein Recht auf Wissen über ihre Abstammung (in den meisten Ländern, die Leihmutterschaft zugelassen haben, ist dies nicht geregelt bzw. direkt ausgeschlossen), als auch das Recht nicht einem Trauma der frühen Trennung ausgesetzt zu werden. Dazu gibt es im Buch sowohl Erfahrungsberichte von Betroffenen, als auch Ergebnisse zu neueren epigenetischen Forschungen. Internationale Studien zeigen inzwischen, dass sich diese Kinder entwertet fühlen und oft sehr wütend darüber sind, auf diese Weise auf die Welt gekommen zu sein. Keines von ihnen habe jemals gewollt ein Abholbaby zu werden und die leibliche Mutter nie wieder zu sehen. In diesem Zusammenhang wird wiederholt auf den unzulässigen Vergleich mit Adoptionen verwiesen: u.a. werden bei einer Adoption die „Wunscheltern“ mehrfach sozial und psychologisch überprüft. Die meisten Gesetze und Verträge über Leihmutterschaft sehen jedoch nur eine Überprüfung der Leihmütter vor – weder der zukünftigen Eltern und schon gar nicht die Seriosität der beteiligten Kliniken und Vermittler. Letztere werden auch als Mietmutterschaftszuhälter bezeichnet – im Buch gibt es wiederholt Analogien zur Prostitution und deren Ursachen.
Ausführlich gegen die Autorinnen auf die dreifache Opferrolle der „austragenden Mütter“ ein: sie opfern sich selbst, das Kind, das sie gebären und den Grundsatz der Gleichheit. Vertraglich einzuwilligen, Gewalt zu erleiden (nicht nur vorgeschriebene Untersuchungen und evt. Behandlungen – bis hin zum Schwangerschaftsabbruch –, Verweigerung von Impfungen z.B. gegen Covid, sondern auch Vorgaben zur Ernährungs- und Lebensweise, Wohnort etc.) oder gar das Leben zu verlieren sei doch alles andere als eine Manifestation von Freiheit. Im Vorwort des Buches wird es als reaktionärste Barbarei bezeichnet und zahlreiche Analysen zur Situation von Leihmüttern in unterschiedlichen Ländern belegen dies: weder werden sie umfassend aufgeklärt (teilweise können sie noch nicht einmal die Verträge lesen), noch werden sie nach der Geburt weiter versorgt; teilweise erhalten sie noch nicht einmal nach Übergabe des Kindes die vereinbarte Summe – schon gar nicht bei Totgeburten oder behinderten Kindern. Auch wenn die Befürworter der Leihmutterschaft immer wieder behaupten, dass genau dies durch eine reglementierende Gesetzgebung ausgeschlossen werden solle, zeige die Praxis in Ländern mit vorhandenen Regelungen, dass dies nicht funktioniert. Außerdem weichen Kunden unabhängig von den in ihren Ländern geltenden Gesetzen auf das ärmere Ausland aus, und gerade hier bekämen die Leihmütter häufig nicht ihr Geld – ohne eine Möglichkeit der Klage.
Weiterhin wird in diesem Zusammenhang auf die Argumente Selbstbestimmung und Altruismus eingegangen. Letzterer wird, wenig überraschend nur auf Seiten der Leihmütter erwartet. Da die Selbstbestimmung der Leihmutter, wie oben beschrieben, weitestgehend eingeschränkt ist, wird in der Praxis und vielen Texten tunlichst versucht, das Wort Mutter zu vermeiden – die Mutter wird als bloser Ersatz, reproduktive Dritte, Schwangerschaftsaustragende, austragende Frau u.ä. bezeichnet. Hier gibt es dann auch Exkurse zu historisch früheren Formen, z.B. in der Sklaverei und dem Feudalismus. Damals gehörte das Ammenwesen so zum adligen Hofe wie bei heutigen Superstars und exzentrischen Größen aus Film, Netflix und Shows die Mietmutterschaft. Gerade sie hätten mit ihrer Positionierung in der Öffentlichkeit und ihren Vorbildwirkungen zur Normalisierung dieser Form von Ausbeutung beigetragen.
Der derzeit in Deutschland und weltweit laufende Pro-Regulierungsdiskurs entwerfe ein Szenario, in dem Wünsche zu Rechten (es gibt kein „Recht auf ein Kind!“), biologische Prozesse zu Techniken, die Gen-Lotterie zu genetischer Selektion, Frauen zu Mitteln, Babies zu Waren, soziale Klassen zu genetischen Klassen, Feminismus zu Machismo und die Verteidigung der Menschenrechte zu Paternalismus würden. Die Bezahlung des geforderten Preises (wenn sie denn erfolgt) befreie den Verbraucher von jeglicher ethischer und moralischer Verantwortung. Lassen wir es gemeinsam nicht dazu kommen!
Initiative „Stoppt Leihmutterschaft“ (Hrsg.): Die neuen Gebärmaschinen? Was die globale Leihmutterschaft mit Frauen und Kindern macht, brandes & apsel, Frankfurt a. M. 2023, 309 Seiten, 29,90 Euro.
Schlagwörter: Initiative "Stoppt Leihmutterschaft", Kinderrechte, Mietmutterschaft, Selbstbestimmung, Viola Schubert-Lehnhardt