27. Jahrgang | Nummer 2 | 15. Januar 2024

Eizellspende und Leihmutterschaft als Weg zum Kind?

von Viola Schubert-Lehnhardt

Auf einem Fachtag des Arbeitskreises Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e.V. (AKF) am 3. November 2023 unter dem Titel „Ungewollte Kinderlosigkeit – vom Mythos der grenzenlosen Machbarkeit und den Schattenseiten der Reproduktionsmedizin“ wurde das Thema „Eizellspende und Leihmutterschaft“ aus juristischer, medizinischer, gesellschaftspolitischer und philosophisch-ethischer Sicht beleuchtet. Dem AKF erschien dieser Fachtag notwendig, weil es in der bisherigen öffentlichen Diskussion überwiegend um die Nöte, die Wünsche, Ansprüche und vermeintlichen Rechte von sogenannten Wunscheltern ging und weniger um die anderen zwangsläufig Beteiligten: die Eizellgeberinnen, die austragenden Frauen und die aus den Behandlungen entstehenden oder schon entstandenen Kinder. Noch weniger analysiert wurden in den gegenwärtigen Debatten die wirtschaftlichen Interessen der Reproduktionsmedizinischen Zentren, der Agenturen und der schon heute international agierenden medizinischen Konzerne. Deren Interessen sind teilweise durchaus anders gelagert als die der beteiligten Frauen bzw. Paare. Gleichfalls zur Debatte stehen damit die wiederholt auch anderenorts gestellten Fragen nach den Aufgaben des Gesundheitssystems bzw. dem Auftrag der Medizin.

Gesundheitliche und psychosoziale Risiken und mögliche langfristige Folgen der Behandlungen für Eizellspenderin und Leihmütter sind bisher wenig bis nicht erforscht. Das erschwert eine gute Aufklärung über mögliche Folgen. Sie dürfen jedoch nicht unterschätzt bzw. kleingeredet werden. Ebenso wenig einbezogen in die Debatten wurden bisher die neuen Erkenntnisse über das pränatale Leben.

Auf viele offene Fragen gibt es noch keine bzw. kontroverse Antworten. Ungelöst ist z.B. die Frage, ob im Namen der Selbstbestimmung bei der Realisierung eines unerfüllten Kinderwunsches die Körper anderer Frauen benutzt werden dürfen oder ob dadurch die Gefahr besteht, dass Kinder zur Ware werden. Schon der Begriff Selbstbestimmung wird kontrovers diskutiert. Ursprünglich als Abwehrrecht gegen staatliche Normen der Fortpflanzung entwickelt, wird dieser Begriff heute zunehmend im Sinne von Patientenautonomie als Recht verstanden, eigene Entscheidungen über Zeitpunkt, Art und Weise von Zeugung und Geburt verstanden. Den Befürwortern von Eizellspende und Leihmutterschaft geht es dabei vor allem um individuelle Selbstbestimmung über den eigenen Körper, seitens der Kritikerinnen und Kritiker werden vor allem moralische und religiöse Einwände angeführt. Auch wird der Begriff Selbstbestimmung in verschiedenen Kulturen unterschiedlich verstanden, bzw. ist in vielen internationalen Debatten die europäisch von weißen Frauen geprägte Sichtweise dominierend.

Auf dem Fachtag konnten diese globalen Ungerechtigkeiten lediglich benannt, jedoch nicht grundsätzlich diskutiert werden. Verwiesen wurde jedoch wiederholt auf die nicht zu unterschätzende Gefahr der Ausbeutung der Eizellspenderin bzw. Leihmutterschaft auch von weißen Frauen in unterprivilegierten Lebensverhältnissen. Hierzu wurde angemerkt, dass dies auch als instrumenteller Zugriff auf nichtprivilegierte Frauen für die Wünsche privilegierter Frauen gesehen werden kann. Generell könne man diese Technik ebenso als einen neuen Zugriff auf die Leiblichkeit und die Gebärfähigkeit von Frauen verstehen. Dies stütze veraltete Rollenbilder und habe mit Feminismus, Gleichstellung und Antikdiskriminierung nichts mehr zu tun. Es müsse gefragt werden, wie eine feministische Lösung aussehen könnte. In diesem Zusammenhang sei weiterhin zu fragen, ob der Staat verpflichtet sei, alle privaten Wünsche zu finanzieren. Wer in diesem Zusammenhang von Diskriminierung seitens des Gesetzgebers spricht müsse genau benennen, worin die Ungleichbehandlung besteht.

Eine weiter zu bedenkende Folge der Legalisierung und Finanzierung von Leihmutterschaft sei dann wahrscheinlich die Verschiebung des Kinderwunsches auch von gesunden Frauen und Männern ins höhere Lebensalter.

Teilweise wird von Befürwortern das Argument des Altruismus seitens der ihre Dienstleistung anbietenden Frauen angeführt. Wie schon bei einer möglichen Anwendung des Begriffs „Selbstbestimmung“ ist die Verwendung dieses Terminus ebenfalls umstritten. Insbesondere wird angezweifelt, wie die Rolle der Frauen in diesem Kontext zu sehen ist und ob der Begriff der „Freiwilligkeit“ hier überhaupt angewandt werden kann. Es muss gefragt werden, ob der Begriff des Altruismus in diesem Zusammenhang nicht funktionalisiert wird: „Kind als Geschenk“. Zugrunde liegt dem ein Weiblichkeitsideal, das davon ausgeht, dass Frauen grundsätzlich altruistischer handeln als Männer. Diese Dienste werden teilweise als „Mütterlichkeit“ gerahmt. Dem sei entgegenzusetzen, dass diese Techniken nicht im privaten Raum stattfinden, sondern in einer kommerziellen Situation. Insofern sei zu fragen, warum eine Vielzahl von Personen und Einrichtungen (Kliniken, Anwälte etc.) daran verdienen dürften, nur die Eizellspenderinnen und Leihmütter nicht. In diesem Zusammenhang wurde weiterhin darauf verwiesen, dass Deutschland mit der Nichtlegalisierung dieser Techniken das Problem nur ins Ausland verlagere um sein Mutterschaftsbild („wenn schon Leihmutter, dann aus Liebe“) aufrecht zu erhalten. Es wurde prinzipiell in Frage gestellt, ob in einem derartig kommerzialisierten Markt überhaupt von Altruismus gesprochen werden könne. Vielmehr müssten diese Tätigkeiten als Arbeit angesehen werden und in den care-Diskurs (über unentgeltliche bzw. unterbezahlte weiblich markierte Tätigkeiten) eingebunden werden, um so Ausbeutung zu verhindern und die geleistete Arbeit in ihren Wert zu setzen.

Ausführlich mit der „Vernutzung“ des Begriffs Selbstbestimmung hat sich u.a. Laura Perler 2022 in ihrem Buch „Selektioniertes Leben. Eine feministische Perspektive auf die Eizellspende“ auseinandergesetzt. In der öffentlichen Diskussion über unerfüllten Kinderwunsch wird auf die Möglichkeiten der technischen Medizin fokussiert. Weitere Möglichkeiten, wie andere Formen von Elternschaft, die schon jetzt viele Menschen wünschen und auch leben, sowie die Möglichkeit der Akzeptanz der leiblichen Kinderlosigkeit, müssen in dieser Debatte sowie in der gesellschaftlichen Wirklichkeit und einer dem entsprechenden Sozialgesetzgebung einen selbstverständlichen Raum bekommen. Hierzu müssen globale Ungerechtigkeiten verstärkt in die Debatten einbezogen werden – so ist es in vielen Ländern für LGBTQ-Personen nicht möglich, eine Familie zu gründen. Unbedingt notwendig sei es jedoch, das Abstammungsrecht an die schon existierenden Realitäten (Inanspruchnahme von Leihmutterschaft und Eizellspende im Ausland) anzupassen.

Soll die mit Hilfe Dritter erweiterte Reproduktionsmedizin zur Erfüllung von Kinderwünschen kein Privileg für Wohlhabende werden, stellt sich die Frage nach der Finanzierung durch die Krankenkassen – was bei schon jetzt begrenzten Ressourcen (siehe Nichtfinanzierung von Sterilisationen, Verhütungsmitteln, Brillen, Hörgeräten, Zahnersatz) problematisch wäre.

Eine Ausweitung der Reproduktionsmedizin würde Folgen für das Gesundheitswesen insgesamt und die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung haben. Im Rahmen der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens wandern schon jetzt immer mehr medizinisch Tätige in spezialisierte und meist von den Menschen selbst zu zahlende lukrative Bereiche ab. Dadurch wird die Basisversorgung weiter ausgedünnt.

Selbst nach einer potenziellen Legalisierung der Eizellspende oder Leihmutterschaft in Deutschland ist zu erwarten, dass die damit stimulierte Nachfrage in Deutschland nicht gedeckt werden kann und dass weiterhin Wunscheltern den Weg in andere Länder mit wenig regulierten Rahmenbedingungen wählen, um mögliche Restriktionen, wie z.B. das Verbot der Anonymität zu umgehen.

Eine vorschnelle Liberalisierung der gesetzlichen Regelung ohne evidenzbasierte Folgenabschätzung und Klärung zahlreicher offenen Fragen und ausstehender internationaler Regelungen ist aus Sicht der meisten Tagungsteilnehmer wegen der gesamtgesellschaftlichen Relevanz nicht wünschenswert. Der Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, der Bundesminister der Justiz, Dr. Marco Buschmann, und die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, haben auf Grundlage des Koalitionsvertrages im März 2023 die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin berufen. Die Ergebnisse sollen im März 2024 vorgestellt werden – mensch darf gespannt sein.