27. Jahrgang | Nummer 4 | 12. Februar 2024

Antworten

Michelle O’Neill, republikanische Regierungschefin in Nordirland – Die Wahl erfolgte vor zwei Jahren. Seitdem blockierte die wichtigste protestantische Partei die Regierungsbildung. Erst jetzt war für Sie der Amtsantritt möglich – ein politisches Erdbeben. Erstmals seit 103 Jahren wird die Regionalregierung in Nordirland von einer Katholikin geführt, noch dazu von der Vizevorsitzenden der Partei Sinn Féin, die sich die Wiedervereinigung mit der Republik Irland auf die Fahnen geschrieben hat. „Dies ist ein historischer Tag, der eine neue Morgendämmerung repräsentiert“, sagten Sie in ihrer Antrittsrede. Man wird Sie daran messen. Viel Glück.

 

Joe Biden, ältester amtierender Präsident der USA und 81-jähriger Kandidat für eine erneute Präsidentschaft – Gerade haben Sie Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron mit dessen vor fast 30 Jahren verstorbenem Vorvorgänger François Mitterrand verwechselt, dann die Präsidenten Mexikos und Ägyptens. Das sind nicht Ihre ersten öffentlichen Aussetzer. Nun gut, niemand ist vor Fehlern gefeit. Aber in Ihrem Amt ist fürwahr kognitive Leistungsfähigkeit erforderlich. Unlängst hat Deutschland den Wechsel von russischem Gas hin zu US-amerikanischem Gas vollzogen, schon haben Sie die Genehmigung neuer LNG-Exporte auf Eis gelegt. Was sagen Ihre treuesten Bündnispartner eigentlich zu diesem erratischen Verhalten?

Wir wollen nicht so weit gehen und Sie als „Mumie“ verspotten, wie bereits im deutschen Kabarett geschehen, fühlen uns aber daran erinnert, dass einst die senilen Genossen im Politbüro „Wir sind die junge Garde des Proletariats!“ sangen. Man muss auch aufhören können. Für Sie spricht allerdings, dass der infantil erscheinende Jungspund Trump, Ihr politischer Gegner, noch weniger eine Lösung ist. God bless America.

 

Lars Hünich, Landtagsabgeordneter der AfD und Parteienfeind – Als provinzieller Politiker in Brandenburg ist es Ihnen gelungen, in allen wichtigen Medien des Landes zitiert zu werden. Da darf das Blättchen, versteht sich, nicht fehlen. Auf Ihrer Wahlwerbung ist noch von „Politik mit Vernunft!“ zu lesen, die scheint Ihnen inzwischen abhanden gekommen zu sein. Am 18. Januar hauten Sie beim Bürgerstammtisch der AfD einen raus. Sie sollen gesagt haben: „Wenn wir morgen in einer Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen.“ Beim letzten Mal als in Deutschland mit dem „Ermächtigungsgesetz“ der Parteienstaat abgeschafft wurde, das war 1933, ging nicht nur die bürgerliche Demokratie den Bach runter. Heute ist die Parteiendemokratie im Grundgesetz verankert. Der Verfassungsschutz soll schon einen Blick auf Sie und Ihre Partei geworfen haben, wie wir zustimmend hören.

 

Annalena Baerbock, olivgrüne Außenministerin – Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Dieser alten Maxime folgend, werfen Sie die letzten moralischen Bedenken über Bord und machen den Weg frei, der Diktatur in Saudi-Arabien Eurofighter-Kampfflugzeuge zu liefern. „Gerade Saudi-Arabien kämpft seit geraumer Zeit gegen die Gefahr, die von den Huthis für die Sicherheit in der Region ausgeht“, erklärten Sie kürzlich, und damit trage Saudi-Arabien auch zur Sicherheit Israels bei. Nun ja, eine gewagte Logik. Im Koalitionsvertrag steht, die Bundesregierung werde keine Rüstungsgüter an Staaten liefern, die unmittelbar im Jemen-Krieg beteiligt sind. Das ist inzwischen auch dank Ihrer Amtsführung Makulatur.

Viele Fraktionsmitglieder Ihrer Partei zeigten sich jetzt entsetzt. Die Entfremdung zwischen Ihnen und Ihrer Partei scheint voranzuschreiten. Nach der Eurofighter-Entscheidung zu Jahresbeginn flüchten sich manche Parteifreunde nun in Sarkasmus. Es helfe wohl nur, die Kampfflieger rosa anzumalen, dann sind sie wenigstens feministisch, ist aus der Fraktion zu hören. Baerbock habe das Gespür für die Partei verloren – wenn sie es überhaupt jemals hatte. Achten Sie auf Ihr Image.

 

„Erich“, nächtlicher Reifenentlüfter – Wie der Spiegel von einem konspirativen Interview mit Ihnen berichtet, sind Sie der Reifenplätter, tagsüber aber Naturwissenschaftler. Sie arbeiten nicht wahllos, nein, Sie suchen sich im kaufkräftigen Potsdam, der SUV-Hauptstadt Deutschlands, nur die bösen SUV aus, denn egal ob Verbrenner oder Elektroauto, das Feindbild „Stadtpanzer“ passt. Sie zählen sich zu den „Tyre Extinguishers“ („Reifenlöscher“). Manche empfinden Ihren Protest als extrem friedliche und sanfte Sabotage, andere, die Betroffenen, fluchen über Ihr Tun. Die Klima-Kleber wollen das Kleben auf Asphalt vorerst einstellen. Vielleicht finden sie bei Ihnen eine neue Verwendung für ihre Protestfinger. Der Spiegel und wir fragen uns allerdings, wie weit darf Gegenwehr gehen? Kann gesellschaftlich noch legitim sein, was im Einzelnen womöglich schon illegal ist?

 

Dieter Bohlen, „Pop-Titan“, ostfriesisches „Großmaul“, erfolgreicher Musikproduzent – Vor wenigen Tagen feierten Sie mit Ihren Fans in einem Konzert Ihren 70. Geburtstag. Das ist sympathisch. Schließlich sind wir in einer Altersklasse, aber zugegeben haben wir weniger Fans. Sie können auf wirklich große Erfolge in der Musikszene zurückblicken. Der größte war das Pop-Duo mit dem schwarzlockigen Thomas Anders: Modern Talking. In lediglich drei Jahren (1984-1987) entstanden mit Ihnen als blondem Mastermind solche weltweit bekannten Disco-Knaller wie „You’re my heart, you’re my soul“, „Cheri, Cheri Lady“ oder „Brother Louie“. Von diesem Grundstein für Ihr Lebenswerk können Sie bis heute zehren. Im Sommer werden Sie auf Open-Air-Tour unter dem Motto „40 Jahre Modern Talking“ gehen. Als einer der erfolgreichsten Produzenten waren Sie für unzählige Künstler tätig. Auch zeitlose Pop-Balladen verdanken wir Ihnen, so „Midnight Lady“ gesungen von Chris Norman.

Sie eroberten nicht nur die Welt mit Ihrer Musik, sondern auch RTL. Doch lieber vergessen werden sollten die Zeiten, als Sie dort für „Deutschland sucht den Superstar“, besser bekannt unter der liebevollen Abkürzung DSDS, reihenweise junge Kandidaten übel fertigmachten. Dabei ist Ihre eigene Gesangstimme weniger ausgeprägt als Ihr überbordendes Selbstbewusstsein. Dennoch unseren herzlichen Glückwunsch.