26. Jahrgang | Nummer 21 | 9. Oktober 2023

Antworten

New York Times – Sie haben darüber berichtet, dass in einem US-Militärhospital im Ukraine-Krieg verwundete Angehörige der Streitkräfte Kiews behandelt werden und dass die meisten davon „Amerikaner sind“. Das zeige, so Ihr Kommentar, „wie unerwartet sich der Krieg entwickelt hat. Die Biden-Regierung versprach zu Beginn des Krieges, keine amerikanischen Truppen in der Ukraine stationieren zu wollen, und warnte die Amerikaner davor, sich einzumischen.“ Jetzt stelle man fest, dass die US-Regierung „diejenigen behandelt, von denen sie gesagt hat, sie sollen sich fernhalten“. Das sei „nicht ohne Risiken“: „Russland hat wiederholt gewarnt, dass eine stärkere Beteiligung der USA einen größeren Krieg auslösen könnte. Es bedarf keines besonders kreativen russischen Propagandisten, um die amerikanischen Freiwilligen, die amerikanische Waffen tragen und in einem Krankenhaus der amerikanischen Armee behandelt werden, de facto als US-Truppen vor Ort darzustellen.“

Apropos Risiken: Die dürften auch Deutschland betreffen, denn das in Rede stehende US-Militärhospital befindet sich in Landstuhl.

Nahe Kaiserslautern.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Bundeskanzler seine bisherige Weigerung, weitreichende Marschflugkörper vom Typ Taurus an Kiew zu liefern, nicht auch noch revidiert!

 

Friedrich Merz, Sargnagel der CDU? – Als Sie sich – selbst nach Auffassung von Parteifreunden – für Ihre jüngste Entgleisung entschuldigen sollten, moserten Sie stattdessen, die Republik müsse nicht in „Schnappatmung“ verfallen, wenn man auf drohende Überforderung hinweise. Und wie lautete Ihr Hinweis? Sinngemäß etwa dahingehend, dass von hierzulande derzeit 304.308 ausreisepflichtigen Migranten 248.145 sogenannte geduldete (zwar ausreisepflichtig, aber aus diversen Gründen – etwa wegen fehlender Ausweispapiere, mangelnder Kooperation ihres Herkunftsstaates oder einer Krankheit – nicht abschiebbar) bei einheimischen Dentisten säßen und „sich die Zähne neu machen“ ließen, weswegen „deutsche Bürger nebendran […] keine Termine“ kriegten.

Das war offenbar so übler chauvinistischer Populismus, dass ihr Parteifreund Christian Bäumler, Vize-Chef des CDU-Sozialflügels, sie aufforderte, gegebenenfalls auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten.

Das Ganze war im Übrigen schon Ihr – wir zählen längst nicht mehr mit – x-tes Freischwimmen im Fettnapf, weswegen ein medialer Beobachter prophezeite: „Wenn Friedrich Merz so weiter wütet, wird er womöglich nicht, wie von ihm angekündigt, die AfD halbieren, sondern die Union.“

Werter Friedrich Merz, wir bekennen frank und frei, dass wir als DDR-Indoktrinierte eine solche CDU-Perspektive zu Kalten-Kriegs-Zeiten freudig begrüßt hätten. Doch mittlerweile haben sich die Umstände soweit verschlechtert, dass wir – selbst auf die Gefahr dentistischer Unterversorgung – ohne Zögern das kleinere Übel bevorzugen: Möge Kassandra Steingart bloß nicht Recht behalten!

 

Heribert Prantl, der mit dem wachen Blick – In Ihrer wöchentlichen Kolumne in der Süddeutschen Zeitung mahnten Sie dieser Tage: „Das Volk ist einer Demokratie der Souverän. Wenn der Souverän eine rechtsextreme Partei an die Regierung wählt, müsse man das, so wird immer wieder behauptet, respektieren. Nein, das muss man nicht. Nein, genau das wollten die Mütter und Väter des Grundgesetzes verhindern. Die AfD versucht, das Land in den Ausnahmezustand zu treiben. Souverän ist in einer rechtsstaatlichen Demokratie nicht, wer über den Ausnahmezustand entscheidet oder ihn herbeiredet. Souverän ist, wer die Grundrechte verteidigt. Zur Verteidigung gehört notfalls das Parteiverbot.“

Da sind wir vollständig bei Ihnen. Doch was ist zu tun, damit die da oben den Schuss endlich hören?

 

Uwe Holmer, Pastor und ehemaliger Leiter der diakonische Einrichtung Hoffnungstaler Anstalten in Lobetal – Sie gehörten offenbar zu den völlig Unbelehrbaren: Noch anlässlich Ihres 85. Geburtstages versicherten Sie: „Ja, ich würde es heute wieder tun.“

Ihre Tat? Trotz Drangsalierungen in der DDR – als junger Pastor in Leussow bei Ludwigslust hatten Sie Ihrem Unmut über Zwang bei der Kollektivierung in der Landwirtschaft deutlich zum Ausdruck gebracht; daraufhin durften Ihre Eltern und Geschwister aus Westdeutschland ein Jahr lang nicht zu Besuchen einreisen – gewährten Sie 1990 dem krebskranken früheren ersten Mann der DDR und seiner Gattin zehn Wochen Ihre Gastfreundschaft in Ihrem Pfarrhaus. Die Eheleute galten damals als Parias, „Keine Gnade für Honecker“ skandierte Volkes Stimme …

Offenbar waren Sie damals unter 80 Millionen Deutschen der einzige, der Artikel eins des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar.“) nicht nur quergelesen, sondern verinnerlicht hatte. Das nötigt uns Hochachtung ab.

Jetzt sind Sie, 94-jährig, verstorben.

Wir bleiben zwar Atheisten, doch für Menschen wie Sie hätten wir nichts dagegen, wenn es doch einen Himmel gäbe …

 

Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister – Sie sind jetzt über neun Monate im Amt. Nach dieser Zeitspanne hatte Ihre Vorgängerin die Halbwertzeit auf diesem Ministerposten bereits überschritten, und danach ging es flott bergab. Sie hingegen sind nicht nur der beliebteste Verteidigungsminister seit langem, sondern ließen im September beim Beliebtheitsranking der Befragten mit 51 Prozent (sehr zufrieden / zufrieden) nicht nur Ihre sämtlichen Kabinettskolleginnen und -kollegen weit hinter sich, sondern auch den Bundeskanzler (69 Prozent – weniger zufrieden / gar nicht zufrieden). Da ist die Realität Ihrer Amtsführung offensichtlich noch nicht durchgeschlagen, denn die bilanzierte die FAZ gerade ziemlich ernüchternd: „… die Pannen häufen sich, Reformen bleiben aus, Geld wird zum Fenster rausgeworfen.“ Klingt verdächtig nach: Es ändert sich alles, wie es war.

 

Hedwig Richter, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Bundeswehr-Universität München – Man hatte länger nicht von Ihnen gehört, doch nun dürfen Sie sich öffentlicher Aufmerksamkeit wieder gewiss sein, denn Sie haben zum von Vertretern der Letzten Generation mit Farbe besprühten Brandenburger Tor erst geäußert: „Ein würdiger Gebrauch unseres Nationaldenkmals. Mir fällt momentan kein besserer ein.“ Und dann nachgelegt: „Ich würde es ja auch gut finden, wenn man die Farbe an dem Tor lässt.“

Ihre Begründung: „Das bemalte Tor wirkt wie eine Wunde, sie schmerzt. Und vielleicht fällt es dem einen oder anderen doch auf, dass der Hass gegen die Letzte Generation und die Wut auf solche Aktionen in keinem Verhältnis zu der Zerstörung stehen, die wir alle tagtäglich anrichten. […] Momentan sieht es doch so aus, dass alle immer gleichgültiger werden, inklusive der Politik, je dramatischer die Umweltkatastrophen sind, je heißer es wird […]“.

Wir teilen zwar weder Ihre Auffassung zum Umgang mit dem kulturellen Erbe noch Ihre Begründung derselben, würden aber gerade deswegen keineswegs für eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung plädieren. Allein schon aus Hochachtung für Rosa Luxemburg …

 

Ursula Werner, Ausnahmeaktrice – Wer Sie vor nunmehr bereits über 50 Jahren am Landestheater Halle an der Saale als Charlotte, genannt Charlie – der weiblichen Protagonistin –, in der Uraufführung von „Die neuen Leiden des jungen W.“ von Ulrich Plenzdorf oder als Gretchen im „Faust“ am selben Hause erlebt hat, verlor sie seither nicht mehr aus dem Blick. Auch schon 1977 meckerten Sie sich als SED-Genossin Dr. Angelika Unglaube in „Ein irrer Duft von frischem Heu“ von Rudi Strahl ins Zwerchfell einer ganzen Generation. 34 Jahre lang gehörten Sie zum Ensemble des Berliner Maxim-Gorki-Theaters. Dort spielten Sie mit der Mascha die Rolle ihres Lebens. Und zwar doppelt: Einmal in Tschechows „Drei Schwestern“ (1979) und knapp zehn Jahre später in Volker Brauns auf die agonierende DDR gemünzte Tschechow-Überschreibung „Die Übergangsgesellschaft“ (1988). Beide Male mit Swetlana Schönfeld und Monika Lennartz als die anderen Schwestern. Und dann erst – weiter Sprung – Ihre Altersrollen! In Andreas Dresens Filmen „Wolke 9“ (2008) und „Halt auf freier Strecke“ (2011) sowie als Oma Bertha im Hape-Kerkeling-Biopic „Der Junge muss an die frische Luft“ (2019). Im Dezember 2023 werden Sie im Gorki wieder auf der Bühne stehen – in Sasha Marianna Salzmanns „Muttersprache Mameloschn“ …

Jetzt wurden Sie 80.

Wir ziehen den Hut und gratulieren von Herzen!