26. Jahrgang | Nummer 14 | 3. Juli 2023

Antworten

Olaf Scholz, Bundeskanzler – Auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie (NSS) Ihrer Regierung am 14. Juni 2023 erwiderten Sie auf eine Frage nach den monatelangen Verzögerungen bei der Erarbeitung des Papiers in Ihrer bekanntermaßen gern auch mal etwas flapsigen Art: „[…] wir haben doch klasse Arbeit geleistet, und wir sind jetzt fertig.“

Was „klasse Arbeit“ anbetrifft, da ist Blättchen-Redakteur und -Autor Wolfgang Schwarz offenbar anderer Meinung; siehe seinen Beitrag in dieser Ausgabe.
Und was „fertig“ angeht, so sollten Sie das Strategiepapier vielleicht doch besser bis zum Schluss lesen. Denn laut demselben sollen wahlweise noch erarbeitet, vorgelegt oder entwickelt werden – „eine Gesamtstrategie für eine starke, wehrhafte Demokratie und eine offene und vielfältige Gesellschaft“, „eine Strategie zur Steigerung unserer Handlungsfähigkeit gegenüber hybriden Bedrohungen“, „eine Strategie zum Umgang mit Desinformation“, „eine Wasserstoffimportstrategie“, „eine Weltraumsicherheitsstrategie“, eine „erste Klimaaußenpolitikstrategie“ und „eine neue Klimaanpassungsstrategie“.
Damit nicht genug.
Umgesetzt, vorangebracht, aktualisiert, fort-, respektive weiterentwickelt oder novelliert werden sollen fürderhin – das „Strategiepapier der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“, die „Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen“, die „Strategie zur Bekämpfung der Schweren und Organisierten Kriminalität“, „die Nationale Wirtschaftsschutzstrategie“, „die Cybersicherheitsstrategie“ und „die nationale Biodiversitätsstrategie“.
Und weil das offenbar immer noch nicht reicht, wird zumindest auch noch verwiesen auf – die „Nationale[…] Wasserstrategie“ sowie auf „die Strategie für einen verbesserten Schutz unseres Trinkwassers“.
Wow! Ob dieses Strategie-Tsunamis müssen wir gestehen: Und schwirrt der Kopf!
Doch Gott sei Dank leisten wir Steuerzahler uns ja einen wie Sie, den Bundes-Olaf, mit dem Überblick über das große Ganze …

Herfried Münkler, berenteter Geschichtsprofessor und aktives Russland-Orakel – Der Operetten-Putsch Prigoschins, des Chefs der russischen Söldner-Truppe Wagner (so benannt von einem von dessen Stellvertretern, der, Fan von Richard Wagner, den „Ritt der Walküren“ vielleicht einmal zu viel gehört oder den Anfang von „Apokalypse now“ einmal zu oft gesehen hat) war quasi nach 24 Stunden noch nicht ganz zusammengebrochen, da wussten Sie schon, „dass die Russen Prigoschin liquidieren werden“. Den Mann hatte Putins Regime zwar zuvor quasi vollfinanziert – allein von Mai 2022 bis Mai 2023 sollen Medienberichten zufolge 86,3 Milliarden Rubel (etwa 920 Millionen Euro) geflossen sein –, doch wenn die Hand, die füttert, gebissen wird, dann hat sie schon des Öfteren ausnehmend garstig reagiert …
Sie führten als historische Parallele Wallenstein an. Den kennen Sie reichlich, wie Ihr knapp 1000-Seiten-Wälzer „Der Dreißigjährige Krieg“ dokumentiert. Auch dieser Heerführer war in der Sicht seiner Zeitgenossen wegen seines Wertes für die Herrschenden, deren Kriegsgeschäfte er betrieb, zunächst unverzichtbar erschienen. Bis er ob der eigenen Ambitionen erst in Ungnade und nachfolgend Meuchelmördern aus den eigenen Reihen zum Opfer fiel.
„Böses Gewerbe bringt bösen Lohn“, heißt es bei Schiller in „Wallensteins Lager“. Das könnte heute allerdings auch für Putin selber gelten. Oder, Herr Münkler?

Felix Klein, Bundesbeauftragter für jüdisches Leben und Kampf gegen den Antisemitismus – Sie sponsern die Kampagne „Fragemauer“, in der die Denkfabrik Elnet insgesamt 2641 – genauso viele wie es judenfeindliche Straftaten im vergangenen Jahr in Deutschland gab – Fragen rund ums Judentum und den modernen Staat Israel beantworten soll. Und zwar, wie es von Elnet heißt, „auf humorvolle Art“, um „Neugierde“ zu wecken und „den gesellschaftlichen Konsens, gegen jede Art von Antisemitismus vorzugehen“, zu stärken.
Gerade war einer Zeitungsanzeige dieser Kampagne zu entnehmen: „Frage NO. 1: Warum gibt es den modernen Staat Israel?“ Antwort: „Israel wurde 1948 als Zufluchtsort für Juden aus aller Welt gegründet.“ Das ist nun allerdings genau der verkürzte Duktus, der den Faktoren zuzuordnen ist, die schon seit Jahrzehnten arabische Israelnegation im Allgemeinen und palästinensische im Besonderen immer wieder befeuern.
Wir schlagen daher als nächstes Anzeigenmotiv vor: „Frage NO. 2: Warum hatte die Gründung des modernen Staates Israel einen gravierenden Geburtsfehler?“ Antwort: „Weil sie in ein Gebiet hinein erfolgte, das seit 2000 Jahren von anderen semitischen Völkerschaften bewohnt wird, denen von zionistischen Kräften schon seit dem 19. Jahrhundert und bis heute ihr Heimatrecht via Vertreibung strittig gemacht wird.“

Was meinen Sie?

Iris Spranger, sozialdemokratische Innensenatorin von Berlin, Sprachschöpferin – Im Januar haben Sie für ein Jahr den Vorsitz der Innenministerkonferenz übernommen. Als Gastgeberin einer dreitägigen Konferenz ließen Sie unlängst TV-Wände, Blöcke und Kugelschreiber überraschend bedrucken mit dem neuen Logo „INNENMINISTER:INNENKONFERENZ“ und dem Berliner Bären in Regenbogenfarben. Zwischen die schlagkräftigen Versalien tauchten Sie den Doppelpunkt sogar in rote Farbe. Gelungen ist es Ihnen so, von den inhaltlichen Problemen abzulenken und ein noch gerade verständliches Kompositum ins Unverständliche zu steigern. Wenn Sie in Ihrer Blase glauben, mit solchen Worten das Wahlvolk zu erreichen, haben Sie sich gewaltig getäuscht. Als Innenminister, Pardon als Innensenatorin, sollten Sie dem amtlichen Regelwerk, herausgegeben vom Rat für deutsche Rechtschreibung, verpflichtet sein. Nicht einer Erziehungsattitüde zu „Geschlechtergerechtigkeit“ durch Sprache. Doppelpunkte oder Sternchen haben im Inneren von Wörtern nichts zu suchen. Politiker mit einem Kauderwelsch, das sich von der Lebenswirklichkeit und von der Sprache der Bürger immer weiter entfernt, brauchen sich nicht zu wundern, wenn sie von eben diesen Bürgern nicht mehr verstanden werden. Und wer nicht verstanden wird, wird im Übrigen auch seltener gewählt. Der regenbogenfarbige Bär aber hat uns gefallen. Es ist ja nicht alles an Ihrem Logo schlecht. Ihre Wortschöpfung allerdings verdient einen Ehrenplatz in unserer Sammlung von Wortungeheuern.

Blättchen-Leser, hochgeschätzter – Mancher Beitrag dieses Heftes mag Sie (erneut oder erstmals) zu Fragen oder Widersprüchen provozieren. Das ist auch gut so, dafür haben wir das Forum unter www.das-blaettchen.de eingerichtet. Selbiges versteht sich allerdings als Debatten-, nicht als Beschimpfungsforum. Wir behalten uns daher vor, Beiträge mit persönlichen Angriffen, mit extrem einseitigen oder aggressiven Inhalten dem digitalen Papierkorb zuzuführen. Darunter fallen auch Einträge, die sich eines in anderen pseudosozialen Medien leider nicht selten anzutreffenden  herabwürdigenden Vokabulars bedienen. Diesbezüglich verstehen sich die Redakteure als Moderatoren – das kommt vom lateinischen moderare – mäßigen.