Eine gute Freundin meiner verstorbenen Frau und inzwischen auch die meine hatte mich in die Schweiz eingeladen. Für Mitte des Monats. Es ergab sich, dass ein in Jena lebender Verwandter ebenfalls Mitte des Monats Geburtstag hatte und ich zu diesem Anlass an einem Donnerstag mit dem Auto nach Jena mitgenommen wurde. Was lag also näher als von Jena aus den Trip in den Süden anzutreten?
Da große Ereignisse, über die gleich zu sprechen ist, bekanntlich ihre Schatten voraus werfen, wollte ich den Hausherren nicht stören; ergo nicht um die Möglichkeit bitten, seinen Computer nutzen zu dürfen. Am Freitag begab ich mich also zwecks Kauf einer Fahrkarte zur Fahrkartenausgabe der Deutschen Bahn. Binnen Kurzem war eine Trasse mit entsprechenden Umsteigebahnhöfen und Zeiten bis zum Zielort in der Schweiz gefunden; die nehme ich, sagte ich munter. Der freundliche Mann hinterm Tresen gab mir nach nochmaliger Zwiesprache mit seinem Dienstcomputer die Auskunft: Ich kann Ihnen das Ticket aber nur bis Lindau verkaufen. ??? Ja – Lindau ist die letzte Station auf deutschem Boden und für die Schweiz kann ich Ihnen nichts anbieten, da müssen Sie sich dann vor Ort bemühen. Ich dachte mir: Kriege ich hin – und nahm die Offerte an.
Die Tage gingen im Familientrubel unter: Das Geburtstagskind war als Mime in einem Laientheater mit tragenden Rollen im Stück „Antigone“ nach Bodo Wartke – ein Autor und Sänger, der mehr Aufmerksam verdient als ihm momentan gezollt wird – betraut und eine Aufführung stand am Vorabend des Geburtstags an. Der Aufbau der Bühne, das Catering musste organisiert und geleistet werden; all das lag in Familienhand. Die Aufführung war ein voller Erfolg! Nach Abbau der Bühne feierten die Theatergruppe und die Familie in das Freudenfest hinein; es wurde ein langer Morgen… der in ein Kaffeetrinken am Nachmittag und Abendbrot im erweiterten Familienkreis mündete. Man kennt solche Feste. Jedenfalls konnte ich mich erst wieder am Montag meiner Reise ins Nachbarland zuwenden.
Noch im Schlafanzug – ich war ja in Familie – gelang es mir, im Computer des Hausherrn auf der Internetseite der Bahn eine buchbare (!) Zugverbindung von Jena zum Zielort in der Schweiz auszumachen. Vor einer Buchung wollte ich jedoch das „Lindau-Ticket“ zurückgeben und begab mich frohgemut wieder zur Fahrkartenausgabe. Klappte – natürlich – nicht; Supersparpreis oder irgendsoetwas. Ob dann nicht doch die Verbindung von Lindau aus weiter möglich wäre …? Ich sei gerade in einem Computer fündig geworden für die Gesamtstrecke; da müsse doch eine Teilstrecke … Man ahnt es – bis auf die zusätzliche Frage nach meinem Geburtsdatum kam auch die freundliche Frau hinterm Schalter nicht weiter als ihr Kollege am Freitag. Und ich hatte schon Hoffnung geschöpft – auch die vorher gelungene heimische Abfrage wollte eingangs mein Geburtsdatum, neben anderen Angaben, wissen. Zumindest hob die gute Frau die Zugbindung des Super-usw.-Tickets auf, was sich später als Glücksfall erwies. Also zurück zum besagten Computer. Das Resultat: Auch ich kam wie die „Bahn-Frau“ nun nicht mehr über das eigene Geburtsdatum hinaus; trotz vieler Versuche. Inzwischen bekamen wir – die Familie nahm Anteil an meinen verzweifelten Bemühungen – von einem befreundeten Bahnmitarbeiter den Tipp, auf „DB Navigator“ unser Glück zu versuchen … Ich mache es kurz: Trotz wiederum vieler Anläufe führte von Lindau kein „Bahnweg“ in die Schweiz; nur von München aus konnte ich bis Zürich im Internet buchen, jedoch nicht bis zum eigentlichen Zielort. München – Lindau bezahlte ich also doppelt.
Dienstag war der Reisetag. Ich begab mich, wie es Älteren eigen ist, schon ziemlich zeitig zum Bahnhof; einem anderen, kleineren. Ich hatte 20 Minuten Zeit und es gab am Ort auch einen – hießen die nicht mal früher Service Point? – Deutsche-Bahn-Verkaufstresen. Ich dachte bei mir: Versuch´s doch einfach und ging hinein und fragte die Frau dahinter, ob sie mir vielleicht eine Fahrkarte von Zürich zu meinem Zielort Sargans in der Schweiz verkaufen könne. Sie schüttelte zweifelnd mit dem Kopf, das sei ja ein innerschweizerisches Ticket, ob das ginge … Sie gab aber die entsprechenden Daten ein, fragte mich nach dem Geburtsdatum – und ich hatte mein Ticket für die letzte Etappe meiner Reise. Heureka!
Der ICE nach München kam schon verspätet in Erfurt an; er sei in Berlin (immer ist Berlin, wenn nicht an allem, so an vielem schuld) nicht rechtzeitig bereitgestellt worden. Immerhin nennt die Bahn jetzt (vorgeschobene?) Gründe für die Unpünktlichkeit ihrer Züge. In München verpasste ich zwangsläufig den Zug nach Zürich; die Zugbindung war ja schon in Jena in weiser Voraussicht des Personals aufgehoben worden. Ich wartete zwei Stunden … und irgendwann kam ich auch an.
Ich musste ja auch wieder zurück in heimische Gefilde. Mit meiner Gastgeberin ging ich in Sargans zur schweizerischen Entsprechung der DB-Verkaufsstellen und hatte innerhalb von Minuten – auch bei Angabe des Geburtsdatums und einiger anderer Daten – eine Fahrkarte bis Berlin. Umsteigen in Basel. Und dann beinahe pünktlich in Berlin.
PS: Die Schweiz hält – nicht nur in Sachen Bahn, die wir auch innerhalb des Landes ausgiebig nutzten – ihrem Ruf in jeder Hinsicht stand. Ach ja – und alle DB-Mitarbeiter, mit denen ich es zu tun bekam, waren außerordentlich freundlich und zuvorkommend. Es liegt wohl am System.
Schlagwörter: Deutsche Bahn, Schweiz, Stephan Wohanka