Bei der Amadeu-Antonio-Stiftung wurde eine „Meldestelle Antifeminismus“ eingerichtet. Sie wird durch das von der Grünen Lisa Paus geführte Bundesfamilienministerium mit aktuell 133.000 Euro finanziert. Auf der Webseite steht: „Als bundesweite Meldestelle dokumentieren wir antifeministische Vorfälle. Mit Ihrer Hilfe machen wir antifeministische Zustände sichtbar und setzen uns gemeinsam für Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung ein.“ Die Einladung zur Meldung beginnt so: „Sexistisch, frauenfeindlich, queerfeindlich. Menschenfeindliche Botschaften, Angriffe auf Gleichstellung, politische Strategien gegen Emanzipationsbestreben. Antifeminismus zeigt sich vielfältig.“ Antifeministische Vorfälle würden sich „unter anderem“ als entsprechend motivierte Übergriffe äußern, sich „häufig auf ein konkretes Ereignis“ beziehen und „eindeutige Botschaften gegen die Gleichstellung aller Geschlechter, Selbstbestimmung sowie Sichtbarkeit und Anerkennung marginalisierter Menschen“ transportieren.
Bereits an dieser Stelle folgt auf der Webseite der Button, Meldung zu machen. Für diese, heißt es danach, seien „keine bestimmten Voraussetzungen zu erfüllen“, „eine einfache Beschreibung des Vorfalls“ sei „zunächst ausreichend“. Für die „Einstufung als antifeministisch“ würden die Vorfälle nach den oben genannten Merkmalen durch die Meldestellen-Betreiber zugeordnet. Weiter heißt es: „Antifeminismus ist kein Straftatbestand. Wir erfassen Fälle, unabhängig davon, ob sie angezeigt wurden und unabhängig davon, ob sie einen Straftatbestand erfüllen oder unter der sogenannten Strafbarkeitsgrenze liegen. Relevant ist die antifeministische Dimension. Im Mittelpunkt stehen die Erfahrungen der Betroffenen.“ Erfahrungen der Betroffenen können auch beim Psychotherapeuten landen, haben aber in einer staatlich geförderten Datensammlung nichts zu suchen.
Nachdem die Einrichtung dieser Meldestelle und ihre Staatsfinanzierung ruchbar geworden waren, wurden rasch Kritiken laut. Die Neue Zürcher Zeitung machte geltend, es würde „weniger als fünf Minuten“ dauern, „eine unliebsame Person, die den Studiengang Gender-Studies als ‚Geldverschwendung‘ bezeichnet, bei einer staatlich geförderten Stiftung zu melden“. Die „Vermischung von Gewalttaten mit harmlosen Aussagen, die klar von der Meinungsfreiheit gedeckt sind“, nennt die Zeitung „besonders perfide“. „So stellt man Politiker, die sich gegen das Gendern positionieren, oder Medien, die kritisch über die Auswüchse der Transideologie berichten, auf eine Stufe mit Kriminellen. Aber auch das Melden vom Nachbarn, Dozenten oder Vorgesetzten ist zulässig, sollte sich einer der Genannten ‚antifeministisch‘ äußern. Ein Terminus, der sich breit auslegen lässt und dessen Schwammigkeit fast jeden zum Antifeministen macht.“
Dorothee Bär, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kritisierte, dass das Bundesfamilienministerium eine „Kultur des Anschwärzens“ auf Staatskosten fördere. Die Zeitung Die Welt kritisierte den Kasus ebenso wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dieses titelte: „Denunzieren und Diffamieren auf Staatskosten“. Da hieß es immer noch, mutmaßliche Täter würden nicht generell anonymisiert, sondern Personen „öffentlichen Interesses“ könnten mit Klarnamen genannt werden. Der Staatsrechtler Josef Franz Lindner betonte, dass strafrechtlich relevante Fälle, also Beleidigungen, Verleumdungen oder tätliche Angriffe ohnehin Sache von Polizei und Justiz sind, während ablehnende Äußerungen über das Gendern „ganz klar von der Meinungsfreiheit gedeckt“ sind. Eine privatrechtliche Stelle könne solche Meinungen zwar sammeln, dürfe sie aber nicht personenbezogen veröffentlichen. Dagegen stehen das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung, die Gefahr einer Vorweg-Verurteilung und die Gefahr eines „Rückfalls in vorrechtsstaatliche Zeiten“. Ein „rechtlich nicht regulierter Bereich für Denunziation, Anschwärzung und Diffamierung“ habe „in einem Rechtsstaat nichts verloren“.
Initiatorin der Meldestelle ist Judith Rahner. Sie hat Gender-Studies und Erziehungswissenschaften studiert und ist bei der Amadeu-Antonio-Stiftung für „Rechtsextremismusprävention“ zuständig (so die Einordnung auf der Stiftungs-Seite). Hier ergeben sich drei Fragen: Von welchem Verständnis von Rechtsextremismus wird hier ausgegangen? Was ist denn sinnvolle „Prävention“ gegen einen solchen? Und weshalb fällt eine „Meldestelle Antifeminismus“ in das Sachgebiet Rechtsextremismus bzw. dessen „Prävention“? Dagegen spricht: Erstens gab es auch einen frauenbezogenen Nationalsozialismus („die germanische Frau als Gefährtin des Mannes“), zweitens sind nicht alle Nazis zugleich Antifeministen. So geht bereits das Konzept der Meldeseite von unzureichenden intellektuellen Voraussetzungen aus.
Rahner fühlte sich nun bemüßigt, sich gegen die – meist aus dem konservativen Spektrum kommenden – Vorwürfe zu verteidigen. Zu diesem Behufe gab sie der Berliner Zeitung ein Interview. Zunächst beschimpfte auch sie die Medien, die einen würden von den anderen abschreiben und niemand hätte bei der Stiftung nachgefragt. Das ist zunächst nur eine Tatsachenfeststellung in Bezug auf den Zustand der spätbürgerlichen Medienwelt. Es stimmt aber nur zum Teil. Die TAZ, das Zentralorgan der Grünen, hat die gewünschte Meldeordnung stets propagiert. Dann erklärte Rahner, „die Meldestelle“ (das klingt sehr nach Volkspolizei-Kreisamt) werde „präzisiert […] mit personenbezogenen Daten“ umgehen, behalte sich aber weiter vor, „etwa in Broschüren auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als Beispiele zu nennen“.
Die Überschreitung des Rechtshorizonts, Straftaten von Meinungsäußerungen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, zu unterscheiden, verteidigt sie auch hier. Es gelte, ein „Dunkelbild“ sichtbar zu machen, „dass Antifeminismus eine Haltung ist, die zu bestimmten Handlungen führen kann“. Hier sind zwei Punkte anzumerken. Der „normale“ Rechtsstaat ahndet nur Taten, die geschehen sind, nicht solche, die geschehen können. Seit Nine-Eleven allerdings unter dem Vorbehalt von Terrorismus-Paragraphen. Um die es hier aber nicht geht. Dann argumentiert Rahner aber nicht mit der realen Lage in Deutschland, sondern verweist auf Russland. Dort sei „das Genderthema zu einem Aufhänger für die Auseinandersetzung mit dem Westen“ gemacht worden. „Ich erinnere an die russischen Gesetze gegen die LGBT-Propaganda.“ Nun ist die innenpolitische Lage in Russland kein Argument für Meldestellen in Deutschland.
Darüber hinaus bleibt bei all dieser Rabulistik unklar, weshalb der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung, der in Deutschland und Westeuropa seit dem 19. Jahrhundert geführt wird, auf die LGBT-Thematik verengt wird. Das sind zwei völlig verschiedene politische und Sachthemen. Deshalb sind zum Beispiel viele entschiedene Feministinnen in den USA, Großbritannien und anderswo strikt dagegen, den Feminismus mit der Queer-Thematik zu vermengen.
Aus linker Perspektive – damit jetzt niemand mit der Denunziation kommt, Das Blättchen bediene rechte Positionen – ist die Wiedereinführung des Denunziantentums einer Blockwart-Unkultur nicht links. Wirklich nicht!
Schlagwörter: Bruni Butzke, Denunziantentum, Gendern, Judith Rahner, Meinungsfreiheit, Meldestelle Antifeminismus