Der Hunter-Biden-Laptop wurde in der Spätphase des US-Wahlkampfs 2020 zu „russischer Desinformation“ erklärt. Glenn Greenwald schätzte dazu auf Substack im März 2021 ein, dass es sich bei dieser Deutung um eine der erfolgreichsten Desinformationskampagnen in der amerikanischen Wahlgeschichte gehandelt habe. Wenn man sich nur auf diesen Vorgang konzentriert, übersieht man leicht, warum diese Desinformationskampagne überhaupt gelingen konnte.
Zur Erinnerung:
Die NY Post veröffentlichte Anfang Oktober 2020 eine Story über brisante Inhalte eines Laptops, der Hunter Biden gehörte. Sie stellte deshalb die Frage, ob sich in der Biden-Familie Geschäftsinteressen und Politik nicht auf höchst ungesunde Art vermischten. 51 ehemalige führende US-Geheimdienstler sprangen dem damaligen Präsidentschaftsbewerber Biden daraufhin zur Seite. Sie erklärten in einem offenen Brief, dass diese Laptop-Geschichte alle Anzeichen russischer Desinformation in sich trage. Nick Shapiro, der Politico eine Kopie dieses Briefes übergab, äußerte laut Politico vom 19. Oktober 2020 das Folgende:
„Die wirkliche Macht hier ist jedoch die Anzahl ehemaliger Geheimdienstler, die wollen, dass das amerikanische Volk weiß, dass sich die Russen erneut einmischen.“
Diese Versicherung reichte dem liberalen Mainstream aus, um sie zu glauben. Auf diese „Macht“ stützte sich Biden in der Präsidentschaftsdebatte gegenüber Trump.
Twitter und auch Facebook unterdrückten die Berichterstattung der NY Post. Beide sozialen Plattformen hatten zuvor Hinweise des FBI erhalten, dass sie in der heißen Wahlkampfphase mit russischer Wahlbeeinflussung zu rechnen hätten. Mark Zuckerberg sagte dazu gegenüber Josh Rogan 2022: (Die Hunter-Biden-Laptop-Geschichte) „passte ins Muster“. Selbst die Feststellung des damaligen US-Geheimdienstkoordinators, Ratcliffe, dass es sich nicht um russische Desinformation handelte, wurde 2020 nicht mehr geglaubt.
Im März 2021 sprachen USA Geheimdienste Russland im konkreten Hunter-Biden-Laptop-Fall „frei“.
*
Elon Musk erkaufte mit 44 Milliarden Dollar 2022 auch das Recht, die schmutzige Wäsche von Twitter in der Öffentlichkeit aufzuhängen. Wie darauf der liberale Mainstream reagiert spricht für sich. Die zwei (unabhängigen) Journalisten, die aktuell die internen Vorgänge bei Twitter offenbaren, werden runtergeredet (Steigbügelhalter eines Milliardärs). Dass, was sie öffentlich machen, soll möglichst nicht thematisiert werden (angeblich nichts Neues unter der Sonne).
Dass, was das Innenleben bei Twitter bisher offenbarte, ist schlicht verheerend und betrifft auch den liberalen Mainstream. Bei Twitter wurde Kontrolle über das zulässige politische Narrativ ausgeübt, offen und verdeckt. Aus Angst vor mutmaßlicher Demokratieschädigung wurde an deren Schädigung mitgewirkt, Desinformation und Zensur betrieben. Wenn man etwa Reichweitendrosselung betreibt (shadowbanning), etwas, was Twitter früher weit von sich wies, dann scheint im Netz nicht mehr auf, wie sich die Netzgemeinschaft zu einer politischen Frage tatsächlich verhält.
Bei alledem schienen sich die Twitter-Angestellten auch noch als Helden zu fühlen, die eine nahezu heilige Mission verfolgten, koste es, was es wolle, und wenn man dafür neue Regeln aus dem Hut zaubern musste.
Wieso gab es wöchentliche Sitzungen des FBI mit Twitter-Angestellten? Wieso erhielten ehemalige hohe Geheimdienstler Posten bei Twitter und auch im liberalen US-Mainstream? Wie konnte es geschehen, dass sich die Welt von Geheimdiensten mit der der „vierten Gewalt“ und der Rolle sozialer Plattformen scheinbar so nahtlos zu fügen begann?
Die Hunter-Biden-Laptop-Geschichte legt davon Zeugnis ab.
Ein Artikel von 24.10.2020 in der Washington Post machte darauf aufmerksam, dass im Jahr 2020 die allermeisten längst damit rechneten, dass Russland erneut Computer hacken und dann dieses Material in die US-Öffentlichkeit bringen könnte. Das wäre die Lehre aus der russischen Wahlkampfeinmischung 2016 gewesen, die damals alle überrascht hätte.
Daraus folgt, dass der politische und mediale Umgang mit der Hunter-Biden-Laptop-Geschichte nicht als isoliertes Ereignis im Raum steht, sondern die logische Fortsetzung dessen war, was angeblich 2016 geschah.
Seit der US-Wahl 2016, die Trump zum Präsidenten kürte, ist in der Welt, dass Russland nicht davor zurückschreckt, die Demokratie der führenden Weltmacht zu unterminieren. Das implizierte von Anfang an, dass nichts und niemand mehr vor Russlands Einmischung sicher ist. Alle anderen Länder sind noch sehr viel schwächer als die USA.
*
„Russiagate“ hat die USA und den ganzen großen Rest des Globus seit 2016 in Atem gehalten, immer auf der Suche nach dem letzten Beweis, um Trump das Etikett eines Kreml-Höflings umhängen zu können, wenn nicht Schlimmeres.
Die Allermeisten hätten so gern geglaubt, dass Trump auf keinen Fall ein Ergebnis einer demokratischen Willensäußerung in den USA gewesen sein konnte. Frau Clinton (und sie stand damit keineswegs allein) bestand konsequent darauf: Trump sei ein „illegitimer“ Präsident. Erst die Biden-Administration lieferte eine neue Interpretation: Trump und seine Anhänger sind die größte innere Bedrohung der USA. Davon unabhängig gilt Russland als die größte externe Bedrohung.
Zuvor war die Kombination Trump und Russland das eigentlich Toxische an der Mär. Heute ist immer noch nicht ganz klar, wer die Trump-Russland-Verbindung erfand. War es die Clinton-Kampagne? Entstand sie durch die zunehmend engere Verbindung der US-Demokraten mit US-Geheimdiensten? Welche Rolle spielte der damalige US-Präsident Obama?
Aus handschriftlichen Unterlagen des damaligen CIA-Direktors Brennan vom 28. Juli 2016 geht hervor (veröffentlicht im Herbst 2020), dass dieser Obama mündlich informierte, dass nach CIA-Informationen aus Russland die Clinton-Kampagne eine Desinformationsstrategie zu Lasten von Trump und Russland plane. Die CIA schrieb ein Memorandum an das FBI (September 2016).
Gleichzeitig machte Obama Ende 2016 öffentlich, dass er Putin im September 2016 davor gewarnt hätte, in den US-Wahlkampf einzugreifen. Das berichtete unter anderem der Guardian am 16. Dezember 2016.
Im Jahr 2016 begann die Hochphase der mutmaßlichen russischen Wahlbeeinflussung mit einer Berichterstattung in der Washington Post vom 14. Juli 2016. Angeblich wäre das Hauptquartier der Demokraten (DNC) gehackt worden. Von den Russen.
In einer Anhörung des US-Geheimdienstausschusses im Dezember 2017, die erst Jahre später öffentlich wurde, konnte die Quelle der russischen Beschuldigung, das Unternehmen Crowdstrike, keinen Beweis dafür erbringen, dass Daten abgeflossen seien. Indikatoren seien da gewesen, aber keine Beweise. Das Muster hätte gestimmt. Diese Aussage fand hinter verschlossenen Türen statt. Alle, die sie hörten, hielten dicht. Später versteckte sich Crowdstrike dahinter, dass US-Geheimdienste das Urteil übernommen hätten. Auch der Geheimdienstausschuss des US-Senats habe keinen Anlass gesehen, am Wort der US-Geheimdienste zu zweifeln. Das ist korrekt: Alle haben sich gegenseitig geglaubt.
Anfang 2017 stellten (handverlesene) US-Geheimdienstler noch unter Obama fest (mit großem Vertrauen), dass die Russen in den amerikanischen Wahlkampf reingepfuscht hätten. Da die meisten nicht das Kleingedruckte lesen, lasen sie auch nicht, dass die Verfasser dieses Berichtes darauf aufmerksam machten, dass ihre Behauptungen nicht mit Wissen oder Wahrheit verwechselt werden sollten.
Das FBI interessierte sich 2016 nicht für den DNC-Server, aber für Trump und Russland. In Gestalt von „Crossfire Hurrican“ jagte es einer Fata Morgana nach, obwohl es schnell wusste, dass alles, was sich als „Steele-Dossier“ ansammelte, nur wilde Verdächtigungen waren. Das zuständige Team hat die US-Justiz belogen, von der Öffentlichkeit ganz zu schweigen.
Einer derer, die damals auf der Trump-Jagd waren, fand sich, nach interner Aufarbeitung und nachfolgendem Beschäftigungsende beim FBI 2020 an prominenter Stelle bei Twitter wieder. Nun ist er diesen Job auch wieder los.
Das „Steele-Dossier“ landete in den Medien und bestimmte über Jahre die öffentliche Diskussion. Denn wenn das FBI und ein paar weitere Geheimdienste besorgt waren, dann ganz sicher nicht grundlos. Das war eine Logik, die vielen Medien einleuchtete. So hetzten alle den Steele „Informationen“ hinterher: um Trump und Putin zu bekämpfen, diese gefährliche Allianz zweier Demokratieverächter, die quasi den Untergang des Abendlandes einläutete.
Als Trump auf seinem ersten Treffen mit Putin in Helsinki erklärte, er glaube dessen Versicherung, dass Russland sich nicht in den US-Wahlkampf eingemischt hätte, tönte es prompt aus Washington, dies grenze an Landesverrat.
So wurde die ganze Trumppräsidentschaft propagandistisch zu einem einzigen anti-russischen Spektakel. Tatsächlich wurde Trump zum Katalysator einer permanenten Verschlechterung des Verhältnisses USA-Russland. Wichtige Elemente der US-Russland-Beziehungen gingen zu Bruch: der Mittelstreckenwaffenvertrag, der Open-Skies-Vertrag.
Was auch noch vernebelt wurde. Nicht umsonst bestand Nancy Pelosi mit großem Nachdruck darauf, dass bei Donald Trump immer alle Wege nach Moskau führten.
Regelmäßig dankten wichtige Leitmedien der USA dafür, dass die schlimmsten „Entartungen“ von Trump dank der permanente US-Bürokratie (oder des „tiefen Staates“) ins Leere liefen.
*
Trumps fundamentales „Verbrechen“ bestand darin, dass er in einer Frühphase des Wahlkampfes 2016 und später noch ein paar Mal verbal darauf bestand, dass gute Beziehungen zu Russland gut wären. Das setzte die ganze Operation überhaupt in Gang. Diese außenpolitische Positionierung unterschied Trump von Clinton. Aber zwischen Trump und Clinton gab es einen sehr viel entscheidenderen Unterschied. Sie war der politische Profi, Trump ein Entertainer. Wie der Washingtoner Politikbetrieb funktionierte (das, was Obama 2016 das „Washingtoner Drehbuch“ nannte), verstand er überhaupt nicht. Er war nur einer, der die Schmach, in russischem Lohn und Brot zu stehen, auf keinen Fall auf sich sitzen lassen wollte.
Welche Geschichte lief seit 2016 ab? Könnte man sie vielleicht auch wie folgt erzählen:
Es gab einmal einen Wahlsieg in den USA, den niemand von Bedeutung wollte. Aber es gab auch eine „Versicherungspolitik“ dagegen. Die bestand in der strategischen Schwächung des einheimischen Siegers, die sich mit einer strategischen Schwächung des außenpolitischen Gegners verband. Das wäre eine gute, intelligente Intrige. Frei nach dem Motto: Lasst uns alle Donald Trump herzlich hassen und bekämpfen, wo wir nur können (den kriegen wir schon klein), wenn wir nur gleichzeitig den Hass auf Russland schüren.
Oder war alles nur eine Anhäufung von Zufällen, die im Ergebnis dazu führten, dass das Wort von 51 ehemaligen Geheimdienstlern 2020 sehr viel mehr galt, als ein realer Laptop (und sein Inhalt), der längst im Besitz des FBI war, und dessen Existenz 2020 noch nicht einmal die Biden-Kampagne verleugnete?
Wahr ist jedenfalls, dass die Geschichte von der russischen Einmischung in den US-Wahlkampf 2016 den Konflikt mit Russland in ganz neue Höhen katapultierte. Wahr ist, dass die Unterdrückung der Hunter-Biden-Laptop-Geschichte eine direkte Einmischung in die US-Wahl 2020 war. Wahr ist auch, dass die Biden-Administration kein Interesse an einer friedlichen Lösung des Streits mit Russland um eine stabile europäische Sicherheitsarchitektur hatte/hat. Sie glaubt sich auf der Gewinnerstraße.
Glauben ist in diesen Zeiten wichtiger geworden als Wissen. Das ist das Verheerendste an der ganzen Geschichte.
Schlagwörter: Demokraten, Desinformationskampagne, Donald Trump, Geheimdienste, Glenn Greenwald, Hunter Biden, Petra Erler, Russland, US-Medien, US-Wahlen