Am 23. September 2022 hat der russische Außenminister Sergej Lawrow vor der UNO-Vollversammlung wiederholt, was er am Tag zuvor bereits im Newsweek-Interview beklagt hatte: Das Pentagon mache keinen Hehl daraus, dass es nachrichtendienstliche Informationen und Zielmarkierungen für Angriffe an Kiew weitergibt. Der Kreml würde die Anwesenheit amerikanischer Söldner und Berater auf dem Schlachtfeld registrieren. Ähnliche Vorwürfe in puncto geheimdienstlicher Unterstützung der Ukraine in Richtung Deutschland sind in der Moskauer Propaganda bisher nicht laut geworden. Ganz zu Unrecht, denn die Bundesrepublik kooperiert mit den ukrainischen Diensten seit über zwanzig Jahren.
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Wolbert Smidt, Deckname Sandmann, war als BND-Unterabteilungleiter in der Beschaffung (UAL 12) zuständig für die Annäherung des BND an die früheren Gegner in Mittel-Ost-Europa, im Baltikum, im Kaukasus und in Zentralasien anfangs der 1990er Jahre. Wie sich die Beziehungen zu den ukrainischen Diensten ab etwa 1991 entwickelten, hat er in einem Überblick über die Kontakte zu all diesen Staaten dargelegt: „Mit dem zivilen Dienst der Ukraine, der aus der KGB-Filiale in Kiew entstand und wie zuvor Zuständigkeiten für die Innere Sicherheit und die Auslandsaufklärung vereinigte, kam eine BND-Delegation in Kiew in Kontakt. Vorher hatten wir nach erster Fühlungnahme auf diplomatischem Weg ein gewisses Misstrauen gespürt, das sich in ungläubigen Rückfragen äußerte, deren Beantwortung erst den Kontakt ermöglichte. Dabei war für die anfängliche Abwehrhaltung bezeichnend, dass unsere ersten Gesprächspartner in Kiew aus dem Bereich der Gegenspionage kamen. Man ging wie in anderen vergleichbaren Fällen davon aus, dass Experten, die die westlichen Dienste bereits im Rahmen ihrer Abwehrarbeit kennen gelernt hatten, am besten für erste Gespräche mit den früheren Feinden gewappnet waren. Anders als in Russland zeigte auch der militärische Dienst Interesse an einer Zusammenarbeit. Überhaupt legte man in der Ukraine zumindest in der ersten Phase großen Wert auf eine starke Abgrenzung gegenüber Russland und zwar durch besondere Betonung der offenen Zusammenarbeitsbereitschaft und der Erneuerung.“[1]
Erschwerend für Gemeinsamkeiten kam in der Anfangsphase hinzu, dass sich der BND und der ukrainische Auslandsnachrichtendienst in den jugoslawischen Sezessionskriegen ab 1991 auf verschiedenen Seiten befanden, weil die Ukrainer wie die Griechen und Israelis proserbisch eingestellt waren.[2]
Trotz der gewünschten Annäherung verzichtete der BND nicht darauf, menschliche Quellen in der Ukraine zu rekrutieren. Er warb 1992 den Offizier Taras Bublik an, der erst nach der Jahrtausendwende von der ukrainischen Spionageabwehr enttarnt und verhaftet wurde.[3] Verurteilt wurde der Oberstleutnant erst im Februar 2002 zu einer langjährigen Haftstrafe.[4]
Verantwortlich für diese Quelle war Mitte der 1990er Jahre der BND-Referatsleiter in der Abteilung 1 (Beschaffung) Dr. Herle, der auch die nachrichtendienstlichen Verbindungen in der Russischen Föderation lenkte.
Zeitgleich zur Etablierung einer BND-Residentur in Kiew gründeten dort 1992 auch andere westliche Dienste neue Auslandsposten, voran die CIA, der britische MI6 und die französische DGSE. Der Geheimdienstkoordinator der Regierung von Helmut Kohl, Bernd Schmidtbauer, erklärte am 8. November 2013 rückblickend im Interview, dies sei nicht konkurrierend in einer Art Wettrennen geschehen, sondern im Zuge verstärkter Kooperationen untereinander abgestimmt, in einem „Austausch von Informationen über einen Dreier-Club, über die spezielle Zusammenarbeit mit Frankreich, mit Großbritannien, logischerweise auch mit den USA.“[5] Die neuen Partnerdienstbeziehungen der ukrainischen Dienste waren dem FSB nicht verborgen geblieben. Sein Kiewer Resident meldete 1992 nach Moskau, die Ukraine ginge damit auf Westkurs.
Zugleich mit dem BND ging auch die Bundeswehr in die ukrainische Hauptstadt, erschloss zusätzliche Informationszugänge und unterstützte die ukrainischen Streitkräfte. Oberst i.G. Jürgen Kewitsch wurde 1992 Verteidigungsattaché in der Ukraine, gefolgt von Oberst i.G. Jürgen Frick. Von 2001 bis 2004 besetzte Oberst i.G. Bernd Dieter Schulte diesen Posten, gefolgt von Peter Graf von der Schulenburg. Für 2003/04 verzeichnet das „Handbuch der Bundeswehr und der Verteidigungsindustrie“ mit dem Fregattenkapitän Hans-Heinrich Schneider auch einen Marineattaché in der Ukraine.[6]
„Der Militärattachéstab bei der Deutschen Botschaft in Kiew vertritt die militärpolitischen, militärischen und wehrtechnischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland in der Ukraine. Er repräsentiert im Rahmen des Auswärtigen Dienstes das Bundesministerium der Verteidigung gegenüber der Regierung des Gastlandes, analysiert und bewertet die Militärpolitik und die Lage der Streitkräfte der Ukraine und leistet als Teil der Botschaft einen entsprechenden Beitrag für Entscheidungen der Bundesregierung. Zudem sucht und fördert der Militärattachéstab die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften beider Staaten“[7], erläutert die Website der deutschen Botschaft in Kiew dessen Aufgaben.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und Bayreuther Bundestagsabgeordnete, Hartmut Koschyk MdB, hatte vom 9. bis 20. Februar 2015 im Militärattachéstab der Deutschen Botschaft in Kiew, geleitet von Oberst i.G. Christian Farkhondeh und unterstützt von Hauptfeldwebel Dennis Herbold, eine Wehrübung absolviert.
„Im Vorfeld des Verhandlungsmarathons von Minsk, aber auch in den Tagen danach war die Deutsche Botschaft Kiew extrem gefordert. Permanent musste die deutsche Verhandlungsdelegation in Minsk unter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mit aktuellen Analysen der politischen und militärischen Lage der Ukraine versorgt werden. Koschyk sagt dazu: „Die Neuausrichtung der ukrainischen Streitkräfte wird bereits von der Bundeswehr in erheblichem Umfang unterstützt. Angesichts des Reformbedarfs der ukrainischen Streitkräfte sehe ich jedoch die Notwendigkeit eines noch intensiveren Engagements der Bundeswehr.“[8]
Zum „Tagesgeschäft“ Koschyks im deutschen Militärattaché-Stab an der Deutschen Botschaft Kiew gehörten Lagebesprechungen in der Botschaft, die Abstimmung im Kreise der Militärattachés der NATO- und EU-Mitgliedsstaaten und der ständige Austausch dieser Attachégruppe mit den Vertretern des ukrainischen Verteidigungsministeriums und des ukrainischen Generalstabs. Zur Lagebeurteilung vor allem in den umkämpften Regionen im Osten des Landes gehörten aber auch Gespräche mit OSZE-Vertretern aus Kanada, der Schweiz und Deutschlands, die eindrucksvolle Erfahrungen von der Frontlinie vermittelten.[9]
Von 2001 bis 2005 war das BND-Referat 11 C (Kooperation mit anderen Nachrichtendiensten in Europa I) für die Zusammenarbeit mit der Ukraine zuständig, ab 2008 in der Unterabteilung 13 (Regionale Aufklärung I) das Referat 13 D (Kooperation mit anderen Nachrichtendienstes GUS, Balkan, Fernost). Ab Sommer 2013 war mit der Verkleinerung der Führungsreferate von fünf auf zwei EAD (Residenturen/Kooperationen mit anderen Nachrichtendiensten Europa) verantwortlich für 21 Residenturen.
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Der erste Höhepunkt der Geheimdienstkooperation des Bundesnachrichtendienstes mit dem ukrainischen Partner datiert von 2005. Da bekamen fünf Generale und ein Oberst des Kiewer Auslandsnachrichtendienstes eine zweiwöchige Schulung durch den BND in nachrichtendienstlichen Führungsaufgaben, die in einem geheimen Objekt in der Münchner Heinrich-Wieland-Straße 34 durchgeführt wurde.
Die BND-Schulungsstätte in der Heinrich-Wieland-Straße 34 firmierte unter „ITA – Institut für technische Ausbildung. Wolfgang Amberger“. Heute ist das Gebäude abgerissen, aber auf Google maps gibt es noch ein Bild vom alten Zustand. Man sieht oben auf dem kastenförmigen grauen Gebäude hinter der Tanne eine Stabantenne, weil im Obergeschoss die Techniker untergebracht waren.
Die Residenten des BND sind in der Regel als Leiter des politischen Referats der Botschaften abgedeckt. Ihre Funktion beschreibt die deutsche Botschaft in Kiew, ohne auf die Geheimdiensttätigkeit und -kooperation einzugehen, sehr allgemein: „Das politische Referat der Botschaft beobachtet und analysiert die ukrainische Innen- und Außenpolitik. Es versucht, sich ein möglichst umfassendes und genaues Bild von der Konstellation der politischen Kräfte im Lande zu machen. Zu diesem Zweck unterhält es Kontakte zu einer Vielzahl von Gesprächspartnern, wie z.B. zu Mitgliedern der Regierung, der Präsidialadministration und des Parlaments, zu Vertretern politischer Parteien, Politologen und Akteuren der Zivilgesellschaft. Außerdem verfolgt das politische Referat die Entwicklung in der Ukraine in Hinblick auf das Verhältnis der Ukraine zur Europäischen Union, NATO, OSZE, Europarat und den Vereinten Nationen. Von Bedeutung ist auch die Regionalpolitik der Ukraine und ihre Mitgliedschaft in regionalen Zusammenschlüssen (GUS, Schwarzmeer-Kooperationsrat, GUAM).“[10]
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Wie das Bundesinnenministerium auf eine Parlamentarische Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele vom 20. Februar 2014 darlegte, beriet die schwarz-gelbe Bundesregierung die Regierung von Wiktor Janukowitsch von 2009 bis 2013 in Sicherheitsfragen. Zudem hatte der BND dem Inlandsnachrichtendienst SBU bis 2011 drei Sprachlehrgänge für je zwei Mitarbeiter am Goethe-Institut finanziert.
Intensiver fiel die Unterstützung der SBU durch das Bundeskriminalamt aus. Im Rahmen der polizeilichen Aufbauhilfe unterstützte das BKA die SBU 2010 durch einen Workshop Cybercrime und einen Lehrgang zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität, 2011 durch einen Lehrgang zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität und ein Basismodul Stipendiatenausbildung. 2012 erfolgte dann ein Arbeitsbesuch zu Terrorismusfragen.
Hinzu kam im Zuge der UEFA EURO 2012 sieben Veranstaltungen, mit denen der Inspekteur der Bundespolizei (IBP) die SBU bei der Absicherung von sportlichen Großveranstaltungen unterstützte, darunter 2011 auch zwei Einsatz-Trainingseinheiten mit Truppen des Innern und der berüchtigten Sondereinheit Berkut. Der IBP lieferte dieser Sondereinheit zwischen 2007 und 2011 zudem 260 Sätze leichte Körperschutzausstattung und 99 Schutzhelme.[11]
Unter Petro Oleksijowytsch Poroschenko, vom 7. Juni 2014 bis zum 20. Mai 2019 Präsident der Ukraine, nahm die Kooperation des BND mit dem ukrainischen Auslandsnachrichtendienst weitere Fahrt auf. Im Januar 2019 gab der Chef des ukrainischen Geheimdienstes Egor Borok, 2016 auch vorläufige Leiter der ukrainischen Mission bei der NATO, bekannt, dass sein Dienst im Vorjahr die Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten der NATO verstärkt habe, und er machte dabei den britischen MI6 und den Bundesnachrichtendienst namhaft.[12]
Lange vor dem brutalen russischen Überfall auf die Ukraine waren sich ukrainische und deutsche Geheimdienste darin einig, dass Putins imperialer Größenwahn früher oder später in einen militärischen Konflikt münden würde. Der BND-Referatsleiter Russland sah schon 2008 nach dem Georgien-Krieg einen neuen Kalten Krieg heraufziehen. Der vormalige BND-Präsident Gerhard Schindler bezeichnete die 2014 vollzogene Annexion der Krim als „Weltkrise direkt vor unserer Haustür“. Sein Nachfolger Bruno Kal nannte die Russische Föderation dann 2017 eine „potenzielle Gefahr“.[13]
Putins Präsidialzeit begann bereits mit einem militärischen Konflikt, dem zweiten Tschetschenien-Krieg. Seine erste Reise als amtierender Präsident machte er noch in der Silvesternacht 1999 in die Kaukasus-Republik zu dort operierenden Einheiten. Das russische Staatsfernsehen zeigte ihn beim symbolträchtigen Verteilen von Jagdmessern an Soldaten.
Er hat 2014 die völkerrechtswidrige Einverleibung der Krim mit Mitteln der hybriden und konventionellen Kriegführung angeordnet. Er ließ die Separatisten in der Ostukraine militärisch unterstützen und eröffnete dort einen Nebenkriegsschauplatz, damit der Westen die Kröte der Einverleibung der Krim schluckt. Er hat überdies zugunsten des blutrünstigen Diktators Assad in den Syrien-Krieg eingegriffen, sich sogar nach den Terrorangriffen seiner Luftstreitkräfte auf Aleppo als Friedensfürst feiern lassen. Putins Blutspur war lang. Und dennoch stießen die Warnungen des BND im Kanzleramt auf taube Ohren, auch, weil Angela Merkel stets mit ihrem Auslandsnachrichtendienst gefremdelt hatte.
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Bruno Kahl hatte den Kriegsausbruch in Kiew hautnah miterlebt. Ausgerechnet am 24. Februar 2022 weilte er zu Fachgesprächen mit seinem ukrainischen Amtskollegen vom Auslandsnachrichtendienst FISU, Alexander Lytwynenko, in der ukrainischen Hauptstadt. Sein Dienstflugzeug war aus Sicherheitsgründen nach Deutschland zurückgekehrt. Die Spezialabteilung „Personenschutz Ausland“ der Bundespolizei hatte Diplomaten und Verbindungsbeamte des BKA auf dem Landweg evakuiert. Da Kahl diesen Konvoi verpasst hatte, musste er von einem Team seines Dienstes in 35stündiger Fahrt in einem gepanzerten Fahrzeug über den polnischen Grenzübergang Medyka in Sicherheit gebracht werden.[14]
Seitdem liefert der Bundesnachrichtendienst täglich Lageberichte und Einschätzungen an das Kanzleramt sowie an das Verteidigungs- und Außenministerium. Mitte März unterrichteten Bruno Kahl und seine Russlandexperten sogar das gesamte Bundeskabinett in geheimer Sitzung. Ausführlich konnte der Dienst die Defizite der russischen Streitkräfte, die für das militärische Versagen verantwortlich sind, in vielen Einzelpunkten darstellen. Die Frage, wie ein in die Enge getriebener Putin auf das Scheitern seiner Kriegsziele reagieren wird, kann der BND so wenig beantworten wie die anderen NATO-Nachrichtendienste.[15]
Am 6. April 2022 informierte der BND auch Abgeordnete des Bundestags in mehreren vertraulichen Sitzungen über seine Erkenntnisse zu den russischen Kriegsverbrechen in Butscha. Ihm war es gelungen, durch die Auswertung von Satelliten-Aufnahmen, öffentlich zugänglichen Videos und abgefangenen Funksprüchen zu rekonstruieren, was sich dort ereignet hatte und wer dafür die Verantwortung trägt. Demnach könne der BND forensisch klar nachweisen, dass russische Staatsangehörige für die Ermordung der Zivilisten verantwortlich sind. Konkret wurden ein Luft-Sturm-Regiment und ein weiterer Verband der russischen Armee sowie eine private Söldner-Gruppe als Täter ausgemacht. BND-Experten lasen den Abgeordneten auch mehrere Funksprüche vor, die sich auf das Morden in Butscha beziehen, und die der Dienst im Süden der Ukraine abgefangen hatte. Die Ergebnisse seiner Untersuchung stellt der BND dem Generalbundesanwalt zur Verfügung, der bereits Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in der Ukraine aufgenommen hat.[16]
Neben dem BND klären seit Jahren schon auch Teile des Bataillons Elektronische Kampfführung von Stellungen nahe der russischen Grenze taktische Verkehre auf. Weiterhin dient das Flottendienstboot „Oste“ der Bundesmarine in der Ostsee als schwimmende Spionageplattform.[17]
Strategische militärische Verkehre der russischen Streitkräfte werden von der BND-Station Gablingen bei Augsburg erfasst. Hier betreiben der BND und die Bundeswehr seit 1999 die Station „Fernmeldestelle Süd“, in der sie bereits seit 1973 als Untermieter der US-Nachrichtendienste vertreten waren. Die BND-Dienstelle „Drehpunkt“ beschäftigt dort über 200 Mitarbeiter.
Mehr als 200 Satelliten versuchen täglich die Standorte und Bewegungen der russischen Streitkräfte aufzuklären, beklagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau Anfang Oktober 2022. Damit ist mehr als wahrscheinlich, dass der Bundesnachrichtendienst nicht nur die Ergebnisse seiner funkelektronischen Aufklärung zeitnah nach Kiew übermittelt, sondern auch das, was Aufklärungssatelliten von BND und Bundeswehr an kriegswichtigen Erkenntnissen beibringen können.
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Inzwischen habe der BND auch Psychologen hinzugezogen, um die charakterlichen Veränderungen bei Putin zu bewerten, schrieb die Süddeutsche Zeitung im März 2022. Die mentale Verfasstheit des Kremlchefs zu untersuchen, ist jedoch keineswegs so neu. Bereits 2018 erarbeitete der Dienst ein „Psychogramm Wladimir Putin“. Die Studie befasste sich mit dem Werdegang Putins, seiner Machtbasis, allfälliger Korruption, aber auch mit prägenden Ereignissen in seiner Vita. Nachdem Michail Gorbatschow Ende 1991 den KGB in seine Bestandteile zerlegt und Boris Jelzin 1993 400 KGB-Generale entlassen hatte, gab es Machtkämpfe zwischen den neuen Nachrichtendiensten, namentlich zwischen der FAPSI, der russischen NSA, und dem neuen Inlandsnachrichtendienst FSB, Putins Hausmacht. Geprägt dürften Putin auch gleich vier gescheiterte Attentate auf ihn haben, im Februar 2000 in St. Petersburg, beim GUS-Gipfel auf Jalta im September 2000, 2002 in Baku und zuletzt in London, wo Scotland Yard einen Ex-Major des KGB auf dem Flughafen Heathrow dingfest machen konnte, der den russischen Staatschef erschießen wollte. Die Attentatsversuche zeigen, mit wie harten Bandagen diese Machtkämpfe ausgetragen wurden. Putin war von je her misstrauisch, misstrauischer noch, als es bei einem Gegenspionagespezialisten ohnehin üblich ist. Die gescheiterten Anschläge haben seine Bedrohungsängste natürlich verstärkt. Er stilisiert sich nicht nur als einsamer Wolf, er ist es. Er wittert ständig Verschwörungen hinter seinem Rücken und reagiert mit der Absetzung langjähriger Weggefährten. Im August 2016 entließ er den langjährigen Geheimdienstler und Verteidigungsminister Sergej Iwanow, der als sein Nachfolger gehandelt wurde, als Leiter der Präsidialverwaltung und besetzte mehrere ranghohe Positionen im Staatsapparat neu mit jüngeren Geheimdienstmitarbeitern.
Im Juni 1992 hatte Boris Jelzin den Silovik, den russischen Sicherheitsrat, gegründet, den Putin auf 200 Leute ausbaute und zur eigentlichen Machtbasis machte. Etwa die Hälfte der Führungskader in der Russischen Föderation hat einen Geheimdiensthintergrund. Im Kreml stammen 70 Prozent der Führungskader aus dem Silovik, in den Ministerien etwa 40 Prozent, bei den regionalen Eliten immerhin noch ein Fünftel. Das Weltbild der Siloviki geht davon aus, dass der Westen Russland um seine Reichtümer beneidet, und, dass insbesondere die USA Pläne zur Schwächung ihres Landes schmieden. Dagegen setzen sie den Anspruch, den alten Großmachtanspruch wiederzugewinnen, so der BND schon seinerzeit.
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[1] Smidt, Wolbert: Annäherungen zwischen dem Bundesnachrichtendienst und den Geheimdiensten Mittel- und Osteuropas nach 1990, unveröffentlichter Aufsatz, Archiv Forschungsinstitut für Friedenspolitik e.V., Weilheim.
[2] Vgl. Aldrich, Richard J.: GCHQ. The Uncensored Story of Britain’s Most Secret Intelligence Agency, London 2010, S. 472.
[3] Vgl. https://ukraine.segodnya.ua/ukraine/v-ukraine-decjatkami-nakhodjat-shpionov-278132.html.
[4] Vgl. http://ukrvedomosti.com.ua/?p=6731.
[5] Interview Peter F. Müller mit Bernd Schmidbauer am 8.11.2019, Typoskript Archiv FF.
[6] Vgl. Sadlowski, Wolfgang: Handbuch der Bundeswehr und der Verteidigungsindustrie, Bonn zweijährlich.
[7] https://kiew.diplo.de/ua-de/botschaft/-/1336578#content_7.
[8] Vgl. https://www.reservistenverband.de/magazin-die-reserve/als-diplomat-in-einem-unruhigen-land/.
[9] Vgl. https://www.koschyk.de/allgemein/koschyk-in-bewegter-zeit-als-militaerattache-in-kiew-20813.html.
[10] https://kiew.diplo.de/ua-de/botschaft/-/1336578#content_2.
[11] Vgl. Bundesministerium des Innern vom 28.2.2014: Arbeitsnummern 2/118; vgl. auch Der Tagesspiegel 4.3.2014: Sondereinheit Berkut mit deutscher Hilfe aufgerüstet.
[12] Vgl. https://www.ukrinform.ru/rubric-world/2626032-egor-bozok-predsedatel-sluzby-vnesnej-razvedki-ukrainy.html.
[13] Zitiert nach Süddeutsche Zeitung vom 22.3.2022: Die geheimen Russland-Kenner
[14] Vgl. FOCUS vom 25.2.2022: BND-Chef von Spezialeinheit aus der Ukraine gerettet; vgl. auch Süddeutsche Zeitung vom 22.3.2022: Die geheimen Russlandkenner.
[15] Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 22.3.2022: Die geheimen Russland-Kenner.
[16] Vgl. Tagesschau.de vom 7.4.2022: Gräueltaten von Butscha. BND hat Erkenntnis über russische Verantwortung; vgl. auch Der Spiegel 15/2022 vom 9.4.2022: S. 17.
[17] Vgl. Neues Deutschland vom 8.4.2022: Der BND hörte mit, als Russlands Soldaten mordeten.
Schlagwörter: BND, Bundeswehr, Deutsche Botschaft Kiew, Erich Schmidt-Eenboom, Geheimdienstkooperation, Ukraine, Wladimir Putin