In der Küche des ehemaligen Küsterhauses in Middelhagen auf Rügen (heute Schulmuseum) findet sich eine äußerlich eher unscheinbare Holzkiste, deren Inhalt ein inzwischen vergilbter Aufkleber als den „Selbst-Koch-, Brat- u. Backapparat ‚Heinzelmännchen‘, D. R. P. No 16“, ausweist. Öffnet man die Deckel der beiden gleichgroßen Fächer, kommt je eine verzinkte Schwarzblech-Röhre zum Vorschein, die zur Aufnahme der mitgelieferten drei Kochtöpfe, der Heizplatten aus Schamottesteinen und der zur Isolierung erforderlichen Asbestteller dienen.
Ein von der Heinzelmännchen-Aktiengesellschaft Berlin herausgegebenes Rezeptbuch von Katharina Micheler, München, erläutert, wie „Heinzelmännchen kocht, bratet und backt ohne Feuer, ohne Aufsicht“: Bei allen Gerichten sind die Speisen in den Kochtöpfen zunächst vorzugaren, um dann zwischen den im Ofen oder auf dem Herd erhitzten Schamottesteinen fertig zu garen oder warm gehalten zu werden. Vehement wendet sich Micheler, Autorin weiterer Kochbücher, darunter ein „Pfadfinder- und Wehrkraftkochbuch“, daher gegen eine Gleichsetzung des Kochapparates mit traditionellen, nur zum Warmhalten geeigneten Kochkisten.
Das gute Stück wurde in sieben Varianten angeboten, die sich in Anzahl der Kochtöpfe, der Größe und der eingesetzten Materialien unterschieden und ab Januar 1915 zu Preisen zwischen 17,00 und 59,50 Mark verkauft wurden. Als Neuheit bewarb die Aktiengesellschaft im gleichen Jahr die „Heinzelmännchen“-Kochkiste für Kinder zum Preis von 13,50 Mark. „Ein reizendes Geschenk! Ohne jede Gefahr des Verbrennens praktisch brauchbar“ als „belehrendes, zeitgemäßes Spielzeug für größere Mädchen“.
All das wäre kaum erwähnenswert. Die Autorin Micheler befasst sich jedoch im „400 praktisch erprobte Rezepte“ enthaltenen Kochbuch zugleich mit der „sozialen Bedeutung des Kochapparates“ und liefert damit ein zeitgenössisches Bild der Stellung der Frau in Gesellschaft und Familie:
„Warum wird oft der Mann zum Trinker?“ Die Frau finde nicht die Zeit, dem müde und hungrig heimkehrenden Manne die nötige Aufmerksamkeit zu schenken; vielmehr reibe sie sich auf in häuslichen Arbeiten, die ihre Kraft zersplittern. „Missstimmung nach allen Seiten“, die dadurch vermieden werden könne, dass der geplagten Frau Zeit und zugleich Geld erspart werde durch die Benutzung des neuen Apparates. Gleiches gelte hinsichtlich der Erziehung der Kinder, der viele Mütter nicht die notwendige Zeit widmen könnten, da es so viel anderes zu tun gäbe. Auch hier könnten der Mutter durch den Einsatz des Apparates freie Stunden verschafft werden, um sich den Kindern zu widmen, ihnen gesunde Bewegung an frischer Luft zu ermöglichen.
Wenn dann das „Kästchen der guten Hausgeister Heinzelmännchen“ rasch zur Bereitung eines „Tischlein deck‘ dich!“ genutzt werde, könne der heimkehrende Mann eine ganz andere frohe Stimmung vorfinden als in früherer Zeit, als die abgehetzte Frau sein Kommen hinauszuzögern wünschte.
Auch für die Frauen, die gezwungen seien mitzuverdienen, habe der Kochapparat mit seinem Kochbuch einen großen Wert: Beim Weggehen könne die Frau die Speisen in den Kochapparat mit den erhitzten Schamotteplatten einstellen. Kämen die Kinder aus der Schule und die Eltern von der Arbeit, fänden sie das fertige Essen vor.
Wie gern würde der Mann jetzt zu jeder Mahlzeit heimkehren, erwarte ihn doch ein gutes, reichhaltiges, nahrhaftes und warmes Essen. Wieviel Geld habe er früher in Wirtshäusern verbraucht und obendrein seiner Gesundheit geschadet? Auch die Kinder, früher blass und mager, hätten nun vollwangige Gesichter und gingen gesättigt und freudig zur Schule.
Da im Kochbuch und im ebenfalls von der Autorin stammenden Buch „Vierzig-Minuten-Küche“ „alles so sparsam berechnet“ seit, sollte selbst die einfache Arbeiterfrau ruhig danach greifen und neben Zeit auch Geld sparen im Vergleich zur traditionellen Nutzung eines Küchenherdes.
Das durch den Kochapparat eingesparte Geld („Kohlen- und Gasersparnis“) könne als Notpfennig für kommende schlimme Tage, Krankheitsfälle, Arbeitslosigkeit angelegt oder teilweise zu mäßigen, gesundheitsfördernden Vergnügungen Verwendung finden.
Alleinstehende Menschen, die den ganzen Tag auf Arbeit verbrächten und auf meistens sehr minderwertige Restaurants angewiesen seien, sollten sich einen einfachen kleinen Kochapparat und einen Spirituskocher zum Erhitzen der Schamottesteine anschaffen. Alleinstehende Mädchen und Junggesellen könnten, selbst wenn sie von der Küche nicht viel verständen, mit dem Apparat und dem Heinzelmännchen-Kochbuch einfache Speisen herstellen. Manch junges Mädchen, das im Restaurantleben zugrunde ginge, würde mit dem Kochapparat und dem Kochbuch auf guten Wegen geblieben sein, mancher Junggeselle würde sein durch hartgekochtes Fleisch und Gemüse im Restaurant hervorgerufenes Magenleiden weniger fühlen.
Sport, Musik, Malerei und andere von Frauen und Mädchen gern betriebene Beschäftigungen nähmen viel Zeit in Anspruch, worunter das Hauswesen, die Küche, mithin oft der Gatte und die Kinder litten. Viel Verdruss trage so eine Liebhaberei oft in die Familie. Die Frau könne diese Zeit aber wieder hereinbringen, indem sie den Heinzelmann-Apparat zum Einsatz brächte.
„Viele Wohltaten würden sich noch aufzählen lassen, die der neue, gute Hausgeist ausüben kann[…] “, resümiert die Autorin.
Man mag die von Katharina Micheler ins Feld geführten Argumente für den „Selbst-Koch-, Brat- u. Backapparat ‚Heinzelmännchen‘“ belächeln, die durch seinen Einsatz ermöglichten Effekte bezweifeln. Dennoch: Angesichts der aktuellen Explosion der Energiepreise und der vom deutschen Wirtschaftsminister allenthalben angemahnten Energieeinsparungen könnte ein Feldversuch …
Schlagwörter: Dieter Naumann, Kochapparat, Rügen