25. Jahrgang | Nummer 19 | 12. September 2022

Antworten

Oskar Lafontaine, Mann der starken Worte – In einer „Fundamentalkritik an der Ampel“, die kürzlich die Berliner Zeitung abdruckte, geißeln Sie die Grünen „als schlimmste Kriegspartei im deutschen Bundestag“. Mag ja sein, aber auch die Opposition kriegt ihr Fett ab. Allerdings nur in Gestalt der CDU, konkret ihres Vorsitzenden Friedrich Merz. Der habe sogar „Nord Stream I abschalten“ wollen! Mit Verlaub, verehrter Oskar Lafontaine, Merz wollte es – Präsident Putin hat es getan. Dessen Name fällt in Ihrem ganzseitigen Artikel kein einziges Mal. Wie würden Sie den eigentlich bezeichnen?

Voller Berechtigung stellen Sie hingegen die Frage, „wem dieser Krieg und die Sanktionen nützen“. Eine Antwort lieferte ausgerechnet die FAZ Ende August 2022. Gazprom – kein us-amerikanisches Unternehmen, wie uns scheint – erwirtschaftete im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von umgerechnet 41,63 Milliarden Euro. Im gesamten Jahr 2021 waren es nur 27,5 Milliarden Euro. Für 2021 wollte man 52,53 Rubel pro Anteilsschein als Dividende, die höchste in der Firmengeschichte, auszahlen. Nur für das erste Halbjahr 2022 will Gazprom offenbar – so die FAZ – 51,03 Rubel pro Anteilsschein als Sonderzahlung ausreichen … Sonderzahlung, nicht reguläre Dividende, die kommt dazu … Wir wollen gar nicht erst nach der Eignerstruktur fragen.

Wem, zum Teufel noch einmal, nützen dieser Krieg und die Sanktionen? Sind Sie tatsächlich von solcher Blindheit geschlagen worden?

Konstantin von Notz (MdB Bündnis 90/Die Grünen), neuer Chefkontrolleur der deutschen Geheimdienste – Im Interview mit dem SPIEGEL entschlüpfte Ihnen jüngst folgende bemerkenswerte Einlassung: „[…] es gibt spätestens seit dem 11. September 2001 eine Logik der immer weitergehenden Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Diese Befugnisse und Normen wurden aber nie auf ihre Wirksamkeit hin überprüft.“

Das Ganze läuft also seit 21 Jahren. Leider verabsäumten die verschnarchten Kollegen des Hamburger Magazins nachzuhaken: „Wie weit ist Deutschland denn noch von der Schwelle zum Überwachungsstaat entfernt?“

Oder wäre das die falsche Frage? Und die richtige lautete: „Wie weit ist diese Schwelle denn schon überschritten?“

Lars Eidinger, hoffnungsloser Schauspieler aus Berlin – Im Interview mit der Berliner Zeitung meinten Sie, dass wir uns „in extrem dystopischen Zeiten“ befänden. Sie sprachen von einer „apokalyptischen Endzeitstimmung“. Aber zugleich sehen Sie „Heilsbringer“ und setzen auf Greta Thunberg, die Sie mit Jeanne d’Arc „oder vielleicht sogar einem Messias“ vergleichen. Was Sie dabei völlig ignorieren ist, dass die conditio sine qua non der Wirkmächtigkeit der beiden historischen Persönlichkeiten der Scheiterhaufen respektive die Kreuzigung war. Das können Sie der armen Schwedin doch wirklich nicht zumuten wollen! Wie wäre es eigentlich damit, Sie versuchten wie manch andere Ihrer Kollegen, Ihr Publikum zum Handeln zu bewegen? Das war immerhin die Motivation des von Ihnen auch in besagtem Interview strapazierten Stückeschreibers Bertolt Brecht. Grund zum Herumjammern hätte auch Brecht genug gehabt.

Hinweisen möchten wir Sie noch auf ein kleines theatergeschichtliches Schmäckerchen: Darüber, wie sich das mit der Heiligen Johanna in modernen Zeiten verhält, hat der auch ein Stück geschrieben …

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MdB FPD), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages – Nach Ihren jüngsten Forderungen, schwere Waffen statt im Ringtausch („läuft nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben“) direkt an die Ukraine zu liefern, nun also – Opfer, und zwar offenbar anhaltende, denn der Kampf gelte „Putin und den Diktatoren dieser Welt“; dies werde „von uns allen [Hervorhebung – d. Red.] auch persönlich Opfer erfordern“.

Ihr Appell wirft Fragen auf:

Zum einen – worin bestehen angesichts des Embargos gegen russische Energieträger, das unsere Wirtschaft womöglich noch vor der Moskaus ruinieren wird und schon jetzt die Inflation durch die Decke treibt, Ihre persönlichen Opfer? Mitglieder des deutschen Bundestages erhalten 10.323,29 Euro monatliche „Abgeordnetenentschädigung“ (steuerpflichtig, aber frei von Rentenversicherungsbeiträgen), plus 4583,89 Euro Kostenpauschale (steuerfrei). Von Letzterer in der Regel nicht bezahlt werden müssen Büroausstattung, Telefonverträge und Arbeitsgeräte; dafür können weitere 12.000 Euro per annum, abgerechnet werden. Dito Gehälter für Mitarbeiter – bis zu 23.205 Euro monatlich.

Zum anderen – wen nehmen wir uns als nächsten vor, wenn wir Putin erledigt haben? China? Oder doch besser erst Saudi-Arabien? China ist bereits seit 2016 wichtigster Außenhandelspartner Deutschlands, 2020 betrug der Anteil 9,5 Prozent, das absolute Volumen 213,21 Milliarden Euro. Saudi-Arabien nahm mit einem Volumen von 5,8 Milliarden Euro lediglich Rang 36 ein.

Wir können aber auch konstruktiv: Wie wäre es, wenn Sie den Opfer-Ansatz einfach noch ein wenig konkretisierten? Fordern Sie die Wiedereinführung des Winterhilfswerkes des Deutschen Volkes (Slogan 1937/38: „Dein Opfer schafft Freude“)! Die Geld- und Sachspenden könnten ja erstmal für jene in der Gesellschaft Verwendung finden, die Sie bei Ihrem jüngsten Appell auch nicht vergaßen, also jene „in Deutschland […], die den Preisanstieg kaum stemmen könnten“. Und später, wenn die Bundeswehr dank 100-Milliarden-Sondervermögen, wieder richtig kriegsverwendungsfähig ist, sehen wir dann weiter …

Thomas Weigelt, geschasster Bad Lobensteiner Bürgermeister (parteilos) – Die Rechtsaufsicht des Landkreises Saale-Orla in Thüringen hat sie „vorläufig aus dem Dienst enthoben“, wie die Ostthüringer Zeitung (OTZ) berichtet. Über die Hintergründe haben wir in dieser Zeitschrift informiert. Böse – natürlich Linke-Politiker – Menschen unterstellen ihrem Handeln, dass Sie „die Werte des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaates Thüringen permanent mit Füßen getreten hätten“, wie die erwähnte OTZ einen Landtagsabgeordneten zitiert. Natürlich besorgten Sie sich sofort einen Rechtsbeistand. Wir hätten das auch getan. Aber musste das ein Advoctus sein, der im Prozess um den ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ausgerechnet den mitangeklagten Markus H. verteidigt hatte? Und auch im NSU-Prozess zwar nur kurzzeitig aber dennoch als Wahlverteidiger eines verstockten Nazis auftrat?
Als Mann des Volkes, wie Sie sich gern geben, müssten Sie doch die gute, alte Volksweisheit kennen: „Gleich und Gleich gesellt sich gern …“ Wir stehen staunend da und wundern uns.

Daniel Brössler, Korrespondent im Berliner Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung – Offenbar sind Sie einer aus der zahllosen Schar der rastlosen Das-Volk-für-dumm-Verkäufer in den hiesigen Qualitäts- und Mainstream-Medien, die sich hinter unserem Bundeswirtschaftsminister („Russland nutzt seine große Macht, um Europa und Deutschland zu erpressen“ – DIE WELT, 21. Juli 2022) sammeln wie weiland der Hamelner Nachwuchs hinter dem dortigen Rattenfänger. Ihrer Leserschaft teilten Sie mit Blick auf Russland dieser Tage mit: „Deutschland ist ein mit der Waffe der Energie angegriffenes Land.“

Völlig richtig, nur das kausale Wechselspiel von Ursache und Wirkung drücken Sie – wie unser Wirtschaftsminister – in den Skat: Der Westen führt seit 2014 einen eskalierenden Wirtschaftskrieg gegen Russland – mit dem Ziel, wenn es nach unserer amtierenden Außenamtschefin geht, Moskau zu ruinieren. Das hat der unberechenbare Diktator im Kreml sich einige Jahre bieten lassen, bevor er sich nach 2020 doch noch entschied, das Spiel ernsthaft mitzuspielen. Natürlich zu seinen Regeln und mit den Instrumenten, die ihm zu Gebote stehen. Wen das noch vor Russland ruinieren könnte, erleben wir gerade …

Übrigens – wir konnten 45 Jahre Kalten Krieg ohne „Heißen“ auch deshalb überstehen, weil damals niemand im Westen einen vergleichbaren Wirtschaftskrieg gegen die Sowjetunion wie heute gegen Russland losgetreten hat. Es ist von Washington zwar nicht nur einmal versucht worden, doch immer waren andere vorsichtiger oder hatten ganz einfach ihre Interessen im Blick. Es gab sogar mal einen SPD-Bundeskanzler (Helmut Schmidt), der einem US-Präsidenten (James Carter) kurz und bündig beschied: „Wer Handel miteinander treibt, schießt nicht aufeinander.“

Doch mit so schlichter Welt- und Weitsicht ist unsere aktuell herrschende politische Elite samt ihrer medialen Entourage leider nicht begnadet …

Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), Hügelstürmerin – Nun durften Sie per Amt heuer höchst ministerinnenhaft in der Bayreuther Wagner-Weihestätte Platz nehmen, da nölen Sie gleich undankbar herum: „Es gibt auf dem Grünen Hügel sehr viel Reformbedarf.“ Wir haben versucht, Sie zu verstehen: Das Publikum passt Ihnen nicht, die Inszenierungen gefallen Ihnen nicht. Sie sehen „klaren Nachholebedarf“, vermeldete dpa. Sie weisen auch ganz dezent auf Ihr „Hebelchen“ hin – das „materielle“, wie man im realen Sozialismus zu spötteln pflegte –: „Diese Herausforderungen stehen im Fokus, wenn wir uns im Kreis der Gesellschafter über die Leitung der Festspiele verständigen.“ Klar doch, Sie zahlen, also wollen Sie auch Ihre Favoriten in der Festspielleitung sehen. Ein „Abbild unserer vielfältigen, bunten Gesellschaft“ kriegen sie aber so nicht hin. Zu „unserer vielfältigen Gesellschaft“ gehört auch eine zunehmende Zahl von Menschen unterhalb von Geld- und sonstigem Adel, denen dank finanzieller Nöte und immer miserablerer Bildungsstandards der Zugang zur Kunst immer schwerer gemacht wird. Durchaus absichtsvoll, le peuple, der Pöbel, hat draußen zu bleiben…

Klüngelwirtschaft bleibt Klüngelwirtschaft, Frau Ministerin, auch wenn sie grün oder gar regenbogenfarben gewandet daherkommt.

Patricia Schlesinger, geschasste RBB-Intendantin – Wegen Raffke-Allüren und -Taten durch die Medien gehechelt und vom lukrativen öffentlich-rechtlichen Hof gejagt, widerfährt Ihnen offenbar schreiendes Unrecht. „Viele der Vorwürfe stimmen nicht“, bekannten Sie jetzt im Interview mit der ZEIT. Auch auf die Frage, warum es als von Zuschauergebühren gesponserter Dienstwagen ein Audi A8 mit Massagesitzen (UVP: ab 99.000 Euro) sein musste, hatten Sie eine einleuchtende Erklärung: „Ich habe immer gesagt, es soll ein Hybrid sein. Und ich brauche ein Auto, das hinten Platz für Aktenordner hat und eine Steckdose zum Aufladen von Laptop und Handy.“

Wir fordern daher mit allem uns zur Verfügung stehendem Nachdruck: „Schluss mit der Boykott-Hetze gegen PS!“ Der RBB soll sich gefälligst für alles an Ihnen verbrochene Unbill entschuldigen, Sie unverzüglich wieder einstellen und Ihnen das Gehalt verdoppeln. Mindestens!

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) , Bundeswirtschaftsminister und Schwadroneur von hohen Graden – Ihre Stammeloffenbarung bei Maischberger – zur Frage einer möglichen Insolvenzwelle kleiner und mittlerer Unternehmen infolge explodierender Energiekosten („Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erst mal aufhören zu produzieren.“) – hat das Fass bei den Sie bis vor kurzem überwiegend hofierenden Medien nun offenbar doch zum Überlaufen gebracht: „Es ist erschreckend, wie nonchalant er darüber schwadroniert, es könne sein, ‚dass sich bestimmte Geschäfte nicht mehr rentieren und die dann eingestellt werden‘. Diese Unbekümmertheit, mit der über Nöte kleiner Unternehmen geredet wird, macht die Bürger zunehmend zornig. Der grüne Hoffnungsträger Habeck wird immer mehr zu Minister Ahnungslos“ (Straubinger Tageblatt). – „Habeck gab eine Menge von Hinweisen, dass sein intellektuelles und kommunikatives Besteck der Größe der Krise und der Dimension der Herausforderung nicht gewachsen ist. Habeck hat sich über Jahre von den Medien feiern und verklären lassen und dem Applaus geglaubt. Die großen Hamburger Medien und die Öffentlich-Rechtlichen haben ihn verklärt, und er hat das bestenfalls kokett korrigiert“ (DIE WELT).

Und logisch – die Opposition hämt: „[…] wenn im Winter zu wenig Strom produziert wird, weil die AKWs eine Woche zum Hochfahren brauchen, ist das kein Blackout sondern das Licht hört einfach ein bisschen auf zu leuchten, oder was? Habeck geht in intellektuelle Insolvenz“ (CSU-Politiker Huber).

Doch machen Sie sich nichts daraus! Nehmen Sie sich einfach ein Beispiel an Ihrer Parteifreundin Annalena („egal, was meine Wähler denken“) und agieren Sie ebenfalls nach deren Devise: Ist der Ruf erst ruiniert …