Thema der ARD-Gesprächsrunde bei Anne Will war am 1. Mai: „Panzer ins Kriegsgebiet – wohin führt Deutschlands Ukraine-Politik?“ Als Diskutanten waren Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen, SPD-Vorsitzende Saskia Esken, die derzeit lauteste Vertreterin der Stahlhelm-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), der nicht weniger entschlossene Stahlhelmer Johann David Wadephul (CDU) sowie Markus Feldenkirchen vom Spiegel eingesetzt. Die Forderung nach deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine wurde einhellig erhoben. Ein eindrucksvoller Beitrag zur Medienvielfalt in diesem Lande!
Die Bundesregierung hatte am 26. April ihren Kurs geändert und mitgeteilt, nun doch Panzer an die Ukraine liefern zu wollen. Den Wechsel verkündete Militärministerin Christine Lambrecht zum Treffen von 43 Staaten der sogenannten Ukraine Defense Consultative Group, zu dem US-Militärminister Lloyd Austin auf den exterritorialen US-Stützpunkt Ramstein einbestellt hatte. Der Ort liegt in Deutschland, untersteht aber USA-Recht; so war Austin Gastgeber und Lambrecht im eigenen Land Gästin. Die Bundesregierung hätte dies natürlich auch außerhalb von Ramstein und vor dem Deutschen Bundestag verkünden können. Aber die Ministerin wollte ihrem obersten Vorgesetzten augenscheinlich nicht ohne Eigenbeitrag unter die Augen treten.
Zeitgleich wurde im „Deutschlandtrend“ des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap vom 28. April mitgeteilt, dass sich statt 55 Prozent, wie Anfang April, nur noch 45 Prozent der Befragten dafür aussprachen, der Ukraine schwere Waffen zu liefern. Doch laut Deutscher Welle war „der politische Druck“ zum Entscheidungswechsel zu groß geworden – ob der in Deutschland oder der der USA, wurde offengelassen.
Schon vor Beginn der Will-Sendung war also klar, dass die Mehrheitspositionen der sogenannten politischen Klasse und die der einheimischen Bevölkerung nicht übereinstimmen. Das äußerte sich auch in den Kommentaren des Forums zu der Sendung. Überhaupt sind solche Foren oder die Leserbriefseiten der Zeitungen eine der aufschlussreichsten empirischen Quellen, um Stimmungen und Meinungen der Bürger zu identifizieren, ohne teure soziologische Umfragestudien betreiben zu müssen.
Die Diskutantin „edeltraut wolf“ sieht „eine vertrackte Situation“ eingetreten. Es sei nicht gut um Deutschland bestellt, wenn kein einheitliches Auftreten der Spitzenpolitiker der maßgeblichen Parteien zu konstatieren sei. Zwistigkeiten würden geschürt, aber warum? Habe das innenpolitische oder außenpolitische Gründe? „Diese Fragen werden kaum in der Sendung beantwortet werden. Eher wird wieder nur über Waffenlieferungen gesprochen. Weiterhin über Gasembargo – ohne Rücksicht auf die eigenen Bürger, die es nicht so dicke haben.“ „A. Werter“ schrieb: „Die USA erpressen uns“, das werde „immer eindeutiger. Die USA dulden es nicht, dass ihre Freunde und Geschäftspartner auch mit ihren Feinden Geschäfte machen, zum Beispiel wir mit Russland. Das ist ihnen ein Dorn im Auge. Und Amerika hat sich im Laufe der Zeit einige Feinde gemacht.“ Deutschlands geschäftliche Beziehungen zu Russland sollten „gekappt werden, nicht, weil Russland Krieg führt gegen die Ukraine. Russland hat schon viele Kriege geführt und die USA standen dort als Gegner. Auch wie Selenskyj uns behandelt (von den USA indoktriniert?), Steinmeier ausgeladen, über Gasimporte, nicht genug Sanktionen, nicht genug Geld, nicht genug Waffen grimmig und erbost geschimpft. Das zeigt mir, dass wir keine Option haben, mitgefangen, mitgehangen. Wir haben keine Wahl mehr.“ Diesen Kommentar kommentierte ein „orlev“: „Die Ukraine ist schon konkret nah. Die Ukraine hat Grenzen zu Polen und Ungarn und Slowakei und Rumänien. Schon sehr nah. Und nur darauf zu hoffen, dass Putin aufhört mit der Ukraine, das ist mir ein bisschen zu wenig. Dann stoppe ich das doch lieber vorher in der Ukraine.“
Diskutant „Logikfuchs“ bemerkte: „Konfrontation bewirkt neue Konfrontation. Was machen wir? Waffen liefern, Soldaten ausbilden, Sanktionen verhängen, alles Russische meiden usw. usf. Was für eine fatale Idee.“ Dazu wieder „orlev“ (der interessanterweise viele der kritischen Bemerkungen zur Politik der ukrainischen Regierung kommentierte – ein ukrainischer „Troll“ oder ein Redaktionsmitarbeiter, der kritische Kommentare entschärfen sollte?): „Eine Mauer ist eine Mauer. Und ein Dach schützt vor Regen. Also sich schützen heißt immer etwas abwehren. Wehrhaftigkeit ist schon sinnvoll.“ „Physiker“ entgegnete: „Öl ins Feuer ist nie eine gute Idee.“ Weiter „Astrid K.“: „orlev, das Liefern von Waffen hat mit Wehrhaftigkeit nichts zu tun. Sondern das Gegenteil. Wir verlieren sie damit. Was wissen Sie denn über die Bewaffnung deutscher Armee? Oder die der EU-Truppen? Ich glaube, Sie befinden sich fern der Realität, die wir erleben.“ Erneut „orlev“: „Es ist völlig ausgeschlossen, dass Putin den Krieg gewinnt. Seine Panzer werden von Panzerfäusten gestoppt. Seine Schiffe wie die ‚Moskau‘ werden versenkt. Seine Soldaten kämpfen nicht gegen einen Feind wie gegen Napoleon oder wie gegen Hitler, der in Russland eingefallen ist, und deswegen haben die russischen Soldaten keine Kampfmoral. Die Ukrainer hassen jetzt die Russen. Und der Donbass erlebt derzeit die russische Armee. Da sitzt ein alter Mann im Kreml, der einen Krieg nach alten Methoden führt. Putin hat nur Leute wie Scholz, die Atomkrieg rufen.“
Dem entgegnete „Neumann“: „Und trotzdem wird Russland die Nato (Baltikum, Polen) angreifen? Und der alte Mann im Kreml wird in seiner ‚Verzweiflung‘ nicht zu taktischen Atomwaffen greifen um den Krieg doch zu gewinnen? Sie und andere müssen sich mal entscheiden ob Putin für Sie ein kläffender Spitz oder ein agressiver Rottweiler ist…“ „Matthias T.“ ergänzte: „Wissen Sie um die Waffenstärke Russlands? Haben Sie mal Faktenrecherche gemacht? Und ist Ihnen überhaupt bewusst, dass es sich bei Russland um eine Großmacht handelt? An erster Stelle hinsichtlich moderner und umfassender Bewaffnung steht Amerika. Russland hat einige Jahre lang aufgerüstet und befindet sich immer noch an zweiter Stelle. Was also sollte die Ukraine befähigen, gegen Russland zu gewinnen?“
„Thomas Arnold“ resümierte: „In der Ukraine streiten zwei imperiale Mächte, die sich eigentlich sehr ähnlich sind, USA und Russland. Ausbaden müssen den Streit zuerst die Menschen in der Ukraine. Sie werden getötet, vertrieben, verletzt, was aber Putin, Selenskyj, Biden und von der Leyen herzlich egal ist. Die wollen diesen Krieg gewinnen, koste es, was es wolle. Auch unseren Grünen geht es in Wirklichkeit einzig und allein um den Sieg der USA-hörigen ukrainischen Regierung. Das Geschwätz über die Freiheit Europas, die angeblich in der Ukraine verteidigt werde, ist nichts als hohle Propaganda. Die Grünen werden dem deutschen Kaiser Wilhelm II. immer ähnlicher. Der konnte eigentlich nur markige Kriegsrhetorik. Seine intellektuellen Fähigkeiten waren leider zu beschränkt, Deutschland vor dem zerstörerischen Weltkrieg zu bewahren. Und unsere Medien? Die haben sich allesamt zu armseligen Kriegspropagandisten entwickelt.“
Schließlich stellte der Forumsteilnehmer „Horst Schäfer“ die Frage an die abendlichen Diskutierer: „Wer von den Anwesenden glaubt denn wirklich, dass Rußland das angestrebte Ziel, das niemand kennt, aufgibt, nur weil irgendwo ein paar ausgemusterte ‚Geparde‘ in Dienst gestellt werden sollen? Mal abgesehen davon, dass der Schrott soweit vorbereitet werden muss, dass neben einer Ausbildung von mehreren Besatzungen pro Gerät, die Munition herbeigeschafft werden muss, die Ersatzteile ebenfalls ins Einsatzgebiet verbracht werden und die Kenntnisse erworben werden müssen, wie man Reparaturen durchführt! Von der Menge Sprit, die man an Ort und Stelle braucht, gar nicht zu reden. Wäre das noch vor dem nächsten Winter?“
Das deutsche Publikum, die realexistierende Bevölkerung ist augenscheinlich politisch klüger als die „politische Klasse“. Der Regierung empfiehlt sich wieder einmal, das Volk aufzulösen und sich ein neues zu suchen. Alexander Graf Lambsdorff (FDP) hatte es schon mal mit Beschimpfung der Ostermarschierer versucht, sie seien „fünfte Kolonne Putins“. Willi van Ooyen, einer der Organisatoren des Ostermarsches in Frankfurt am Main, hatte das kommentiert: „Herr Lambsdorff steht offenbar in einer Familientradition, die noch glaubt, sich für Stalingrad rächen zu müssen.“
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