Am 17. März verkündete bei Antenne Brandenburg ein leitender Arzt aus Cottbus, er habe Gelder eingesammelt und nun einen großen LKW mit Medikamenten losgeschickt, die an einem klandestinen Ort in der Westukraine den „ukrainischen Militärbehörden“ übergeben werden. Nicht etwa der Zivilverwaltung. War der Mann sich eigentlich sicher, dass all die freiwilligen Spender Geld für das ukrainische Militär geben wollten? Und damit für die Kriegsführungsfähigkeit der Ukraine. Ist das der Sinn deutscher Gebefreudigkeit? Früher hieß das „Winterhilfe“, die ab 1941 den deutschen Frontsoldaten im Osten galt.
Das Gerede der Regierenden in Deutschland verlangt Empathie gegenüber ukrainischen Flüchtlingen. Dieselben Politiker in der EU, die eben noch Zäune gegen Flüchtlinge errichteten, sie mit Gummi-Geschossen traktierten und Tränengas einsetzten, haben jetzt alle Zäune geöffnet. Allerdings muss man dazu blonder, blauäugiger Ukrainer sein, der aus einem christlichen Kulturkreis kommt. Araber und Afrikaner, die zuvor in Charkiw studiert hatten und ebenfalls vor den Bomben flüchten mussten, werden in Frankfurt/Oder aus dem Zug geholt und einer Sonderbehandlung unterzogen. Die Flüchtlinge von 2015 reiben sich die Augen: Ukrainer dürfen unentgeltlich den öffentlichen Nahverkehr benutzen. Davon konnten sie nur träumen.
Der ukrainische Präsident fordert, die NATO solle eine „Flugverbotszone“ über der Ukraine errichten. Die NATO-Flugzeuge müssten dann alle russischen Flugzeuge abschießen. Die aber schießen zurück. Das wäre die offene Kriegserklärung an Russland. Putin hatte schon mal vorsorglich mit der Atombombe gedroht. Das jedoch wäre die Konsequenz einer Eskalation des Krieges. Die serbischen Nationalisten wussten 1914, dass ein Krieg zwischen Österreich und Russland ihnen am Ende den größeren Nationalstaat bringen würde. Das geschah dann auch, nur war die alte Welt in Trümmer gefallen. Der erste Weltkrieg begann wegen Serbien. Der zweite wegen Polen. Soll der dritte wegen der Ukraine stattfinden? Heute mit Atomwaffen?
Die Kinder fragten neulich, was wir 1982 gemacht hatten, als in Ost und West die atomaren Mittelstreckenraketen stationiert wurden. Wir waren als staatstragende Menschen in der DDR überzeugt, dass nur der westliche Imperialismus den Krieg auslösen würde, und wir auf der Seite des Friedens standen. Wir feierten in dem warmen Sommer privat viel häufiger Gartenfeste, grillten, tranken Schnaps und Wein, immer in dem Bewusstsein, es könnte das letzte Mal sein. Es war klar, dass der kommende Atomkrieg in Deutschland ausgetragen werden würde. Die zynische Genugtuung war nur: Im Westen würde mehr zerstört werden, als in der kleinen DDR. Und die überlebenden Deutschen – so es sie denn noch gab – müssten dort wieder wieder anfangen, wo sie 1945 schon mal waren. Als Honecker sagte, das „Teufelszeug“ müsste weg, und Genscher antwortete, es ginge um deutsche „Verantwortungsgemeinschaft“, war klar, dass der Kelch an uns vorbeiging, und wir tranken noch einen.
Jetzt der Ukraine-Krieg Russlands. Sofern der Westen das nicht bewusst eskaliert, ist es ein Regionalkrieg auf dem Boden der früheren Sowjetunion. 1999 hatte die NATO Jugoslawien bombardiert, um dem Land ihren Willen aufzuzwingen. Russland will in der Ukraine jetzt nichts anderes. Nur haben die Russen den strategischen Fehler gemacht, auch Bodentruppen zu schicken. Die treffen jetzt auf einen entschlossenen Widerstand der ukrainischen Truppen. Das wäre der NATO 1999 genauso ergangen mit den serbischen Streitkräften. Die NATO – darunter auch Deutschland – bombardierte aber „nur“ zynisch aus der Luft. Am Ende hielt es der serbische Präsident nicht mehr aus und kapitulierte, um weiteren Schaden von seiner Zivilbevölkerung abzuwenden. Zur Belohnung wurde er in einen West-Knast gesteckt, wo er denn auch folgsam verschied.
Russland ist nach dem Scheitern seines Blitzkrieges offenbar auch zum terroristischen Bomben à la NATO übergegangen und die ukrainische Zivilbevölkerung leidet, hungert und stirbt, während die Bodentruppen in den Tage zuvor erreichten Stellungen verharren. Als der ukrainische Botschafter im deutschen Fernsehen gefragt wurde, wie lange die ukrainische Regierung dies ertragen werde, fand er die Frage zynisch und wollte sie nicht beantworten.
Am 15. März reisten der polnische Ministerpräsident sowie Präses Kaczynski und die Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik und Sloweniens nach Kiew, um nochmals ein militärisches Eingreifen der NATO in den Ukraine-Krieg Russlands zu fordern. Der Atomkrieg rückt näher schon.
Ich finde es grandios, dass Abba nach Jahrzehnten eine CD produziert hat, die in allen Charts vor den Nasenbären läuft, die ansonsten als angesagt gelten. Ich wohne am Stadtrand von Berlin. Wenn ich dann von fern die Atompilze über dem Stadtzentrum aufsteigen sehe, lege ich die Abba-CD ein letztes Mal auf.
Kein Politiker heute hat das Format, von Teufelszeug und Verantwortungsgemeinschaft zu sprechen. Mit dem Atomkrieg hätte sich dann auch die Klimafrage erledigt. Und die kindischen Proteste gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln, die Debatten um Einrichtung weiterer Radwege und Gender-Sprech ebenfalls.
Schlagwörter: Bernhard Romeike, NATO, Russland, Ukraine-Krieg, Verantwortungsgemeinschaft