In der Begründung des Nobelkomitees in Oslo für den Friedensnobelpreis 2021 hieß es, dass die beiden Journalisten für ihren Einsatz zum Schutz der Menschenrechte ausgezeichnet werden. Der Preis werde verliehen für ihre Bemühungen um die Verteidigung der Meinungsfreiheit. Die sei „Voraussetzung für Demokratie und dauerhaften Frieden“, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen. „Es ist ironisch, dass wir in der heutigen Welt mehr Presse und mehr Informationen haben, als die Welt je erlebt hat“, meinte sie. „Gleichzeitig sehen wir den Missbrauch und die Manipulation der freien Presse und des öffentlichen Diskurses.“
Der Nobelpreis werde die Probleme nicht lösen, mit denen Journalisten und die Meinungsfreiheit sich auseinanderzusetzen haben, so weiter Reiss-Andersen. „Aber wir hoffen, dass er Licht auf die Bedeutung der Arbeit von Journalisten wirft, und auch darauf, wie gefährlich es ist, die Meinungsfreiheit auszuüben – nicht nur an Orten, die derzeit Krieg und Konflikt erleben, sondern wirklich überall auf der Welt.“
Christian Mihr von „Reporter ohne Grenzen“ begrüßte die Auszeichnung: Der Friedensnobelpreis verschaffe eine enorme Öffentlichkeit und biete den Journalisten Schutz. Das journalistische Wirken der Preisträger sei „der Kontrolle der Mächtigen“ gewidmet, unterstrich Andreas Schieder, sozialdemokratischer Europaabgeordneter aus Österreich. Der Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff von der Universität Kassel betonte, die Meinungsfreiheit sei überhaupt „das Thema unserer Tage“, er freue sich, dass es nun ins Zentrum gerückt werde. Der Einsatz für die Meinungsfreiheit sei in vielen Regionen der Welt mit persönlichem Einsatz und der Gefahr für das eigene Leben verbunden.
Ausgewählt für die Auszeichnung wurde die philippinische Journalistin Maria Ressa. Sie hat zwanzig Jahre als Investigativ-Journalistin in Asien gearbeitet und war Mitbegründerin der Nachrichtenwebsite Rappler, die das Internet mit seinen verschiedenen Möglichkeiten wie Videos, Audios und Verbreitung über soziale Medien nutzt. Seit Rodrigo Duerte zum Präsidenten gewählt wurde und seinen blutigen Anti-Drogen-Krieg mit Tausenden von Toten führt, berichtet sie ohne Furcht von den Menschenrechtsverletzungen auf den Philippinen, der Verdrehung der Tatsachen, von Lügen und versteckter Propaganda.
Der zweite Ausgezeichnete ist Dmitri Muratow, seit den 1990er Jahren Chefredakteur der Moskauer Zeitung Nowaja Gazeta, die gemeinhin als „kremlkritisch“ apostrophiert wird. Mitarbeiter der Zeitung wurden Opfer von Gewalt, acht ihrer Journalisten seit 2000 schwer verletzt oder ermordet. Die Zeitung berichtete über Umweltthemen, Korruption und Menschenrechtsverletzungen im Kaukasus-Krieg. Zu den russischen Parlamentswahlen im September 2021 publizierte sie Vorwürfe, oppositionelle Kandidaten seien im Vorfeld aussortiert worden und es sei zu Wahlfälschungen gekommen.
Reiss-Andersen erklärte, beide würden mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet für ihren „mutigen Kampf für die Meinungsfreiheit auf den Philippinen und in Russland“.
Nur dort? Ist das Problem nicht weiter verbreitet?
Generalisierend betonte die Vorsitzende des Nobelpreiskomitees: „Ohne Meinungs- und Pressefreiheit wird es schwierig sein, in unserer Zeit erfolgreich für Brüderlichkeit zwischen den Nationen, Abrüstung und eine bessere Weltordnung zu werben.“
Mit seinen Begründungen hätte das Nobelkomitee auch Julian Assange und Edward Snowden auszeichnen können. Assange ist ein aus Australien kommender investigativer Journalist und Computerspezialist, der die Enthüllungsplattform WikiLeaks gegründet hat. Sie verfolgt das Ziel, geheim gehaltene Dokumente öffentlich zu präsentieren. Dabei konzentrierte man sich unter anderem auf die Kriegsverbrechen der USA-Streitkräfte in Afghanistan und im Irak-Krieg. Der UNO-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, würdigte, dass Assange und WikiLeaks „mutmaßliche Kriegsverbrechen und Korruption“ enthüllt hätten. Offensichtlich geheimdienstlich gelenkt wurde 2010 gegen Assange in Schweden ein internationaler Haftbefehl wegen „Vergewaltigung“ und „sexueller Nötigung“ erwirkt und der Aktivist in Großbritannien inhaftiert. Nachdem er sieben Jahre lang als politischer Flüchtling in der Londoner Botschaft von Ecuador gelebt hatte, wurde er in Großbritannien ins Gefängnis gesperrt. Die USA fordern seine Auslieferung. Dort drohen ihm 175 Jahre Haft oder die Todesstrafe. Melzer wirft den Behörden Schwedens, Großbritanniens und der USA eine „zutiefst willkürliche Prozessführung“ vor. Er sieht die Pressefreiheit in ihrem Kern bedroht.
Edward Snowden ist ein US-amerikanischer Whistleblower. Er war in den USA als Techniker für verschiedene Geheimdienste tätig, hatte als solcher Zugang zu streng geheimen Dokumenten, die die Überwachung der weltweiten Internetkommunikation durch Geheimdienste der USA und Großbritanniens bloßlegen. Die spielte er den Medien zu, wodurch 2013 die „NSA-Affäre“ ausgelöst wurde. Das FBI erwirkte einen Haftbefehl wegen Spionage gegen Snowden. Der befindet sich seither im Asyl in Russland.
Ressa und Muratow haben den Preis für ihr aufrechtes Handeln zu Recht erhalten, daran kann kein Zweifel bestehen. Dennoch: Eine Auszeichnung von Assange und Snowden mit dem Friedensnobelpreis wäre sehr mutig gewesen – gegenüber den Machtansprüchen der USA.
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